BVerfG: Lebach

BVerfG – Lebach

BVerfG: Lebach
BVerfG, Urteil v. 05.06.1973, Az. 1 BvR 536/72, Link: http://tlmd.in/u/90
Leitsätze des Gerichts
1. Eine Rundfunk- oder Fernsehanstalt kann sich grundsätzlich für jede Sendung zunächst auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Die Rundfunkfreiheit deckt sowohl die Auswahl des dargebotenen Stoffes als auch die Entscheidung über die Art und Weise der Darstellung einschließlich der gewählten Form der Sendung.

Erst wenn die Rundfunkfreiheit mit anderen Rechtsgütern in Konflikt gerät, kann es auf das mit der konkreten Sendung verfolgte Interesse, die Art und Weise der Gestaltung und die erzielte oder voraussehbare Wirkung ankommen.

2. Die Vorschriften des §§ 22, 23 KunstUrhG bieten ausreichenden Raum für eine Interessenabwägung, die der Ausstrahlungswirkung der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einerseits, des Persönlichkeitsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG andererseits Rechnung trägt.

Hierbei kann keiner der beiden Verfassungswerte einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen. Im Einzelfall ist die Intensität des Eingriffes in den Persönlichkeitsbereich gegen das Informationsinteresse der öffentlichkeit abzuwägen.

3. Für die aktuelle Berichterstattung über schwere Straftaten verdient das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im allgemeinen den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz des Straftäters. Jedoch ist neben der Rücksicht auf den unantastbaren innersten Lebensbereich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten; danach ist eine Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifikation des Täters nicht immer zulässig. Der verfassungsrechtliche Schutz der Persönlichkeit läßt es jedoch nicht zu, daß das Fernsehen sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus etwa in Form eines Dokumentarspiels zeitlich unbeschränkt mit der Person eines Straftäters und seiner Privatsphäre befaßt.

Eine spätere Berichterstattung ist jedenfalls unzulässig, wenn sie geeignet ist, gegenüber der aktuellen Information eine erheblich neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken, insbesondere seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft (Resozialisierung) zu gefährden. Eine Gefährdung der Resozialisierung ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine den Täter identifizierende Sendung über eine schwere Straftat nach seiner Entlassung oder in zeitlicher Nähe zu der bevorstehenden Entlassung ausgestrahlt wird.

Fundstelle in der Entscheidungssammlung: 35, 202
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 1 BvR 536/72

Verkündet am: 05.06.1973

Urteil

des Ersten Senats vom 5. Juni 1973 auf die mündliche Verhandlung vom 2. und 3. Mai 1973
— 1 BvR 536/72 —

in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn W… … gegen a) das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. Oktober 1972 – 9 U 552/72 -, b) das Urteil des Landgerichts Mainz vom 8. Juni 1972 – 1 O 128/72 -.
Entscheidungsformel:

1. Die Urteile des Landgerichts Mainz vom 8. Juni 1972 – 1 O 128/72 – und des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. Oktober 1972 – 9 U 552/72 – verletzen die Grundrechte des Beschwerdeführers aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben.

2. Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Anstalt Zweites Deutsches Fernsehen, Mainz, unter Androhung einer im Falle der Zuwiderhandlung festzusetzenden Geldstrafe in unbeschränkter Höhe untersagt, das Dokumentarspiel „Der Soldatenmord von Lebach“ bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage zur Hauptsache auszustrahlen, soweit darin die Person des Antragstellers und Beschwerdeführers namentlich erwähnt oder dargestellt wird.
Zur Entscheidung über die Kosten in dem Verfahren der einstweiligen Verfügung wird die Sache an das Oberlandesgericht Koblenz zurückverwiesen.

3. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu erstatten.

Gründe:

A.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung eines Antrags des Beschwerdeführers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung durch zivilgerichtliche Entscheidungen. Durch die begehrte einstweilige Verfügung sollte dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) untersagt werden, ein von ihm produziertes Dokumentarspiel auszustrahlen, soweit darin der Beschwerdeführer dargestellt oder sein Name erwähnt wird.
I.

Der 1945 geborene Beschwerdeführer war an einer schweren Straftat, dem sog. Soldatenmord von Lebach, beteiligt, die Gegenstand eines Schwurgerichtsverfahrens war. Die beiden Haupttäter waren untereinander und mit dem Beschwerdeführer befreundet, wobei die Beziehungen zum Teil eine homosexuelle Komponente hatten. Die drei jungen Männer strebten die Gründung einer Lebensgemeinschaft außerhalb der von ihnen abgelehnten Gesellschaft an. Sie planten einen Überfall auf ein Munitionsdepot der Bundeswehr, um Waffen zu erbeuten, mit deren Hilfe sie sich durch weitere Straftaten die Mittel zur Verwirklichung des erträumten Lebens auf einer Hochseeyacht in der Südsee verschaffen wollten. Im Januar 1969 führten die beiden Haupttäter den Überfall aus; sie töteten hierbei vier schlafende Soldaten der Wachmannschaft, verletzten einen weiteren schwer und entwendeten Waffen und Munition. Später versuchten sie, unter Hinweis auf diese Tat einen Finanzmakler zu erpressen. Der Beschwerdeführer hatte bei den Planungen der Freundesgruppe immer wieder erklärt, er sei zur Tatausführung nicht imstande; daher hatte er bei dem Überfall nicht mitgewirkt.

Das Schwurgericht verurteilte am 7. August 1970 die beiden Haupttäter zu lebenslangen Freiheitsstrafen, den Beschwerdeführer wegen Beihilfe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren. Es sah eine strafbare Beihilfe des Beschwerdeführers zu den Tötungsdelikten darin, daß er einem der Haupttäter die Handhabung der Pistole erläutert hatte, die dieser später bei dem Überfall benutzte, eine Beihilfe zur versuchten Erpressung in der Billigung des an den Finanzmakler gesandten Briefes. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Schwurgericht zugunsten des bis dahin nicht vorbestraften Beschwerdeführers, daß er eher Mitläufer als treibende Kraft des Unternehmens und sein Tatbeitrag wie das Maß seiner Schuld im Verhältnis zu den Haupttätern gering gewesen sei; er habe durch Bekanntgabe des Waffenverstecks wesentlich zur Aufklärung des Verbrechens beigetragen, sei in vielen Punkten geständig gewesen und bereue offensichtlich sein eigenes Unrecht und das gesamte Tatgeschehen. Auch ergäben sich aus seinem Vorleben, seiner unselbständigen, gehemmten Persönlichkeit und der irrational begründeten gefühlsbestimmten Abhängigkeit von einem der Haupttäter Milderungsgründe. Die Strafe sei in der verhängten Höhe notwendig, um im günstigen Sinne auf ihn einzuwirken, und geeignet, ihn von künftigen Rechtsbrüchen abzuhalten.

Der Beschwerdeführer hat inzwischen fast zwei Drittel seiner Strafe verbüßt; die Vollstreckung der Reststrafe wird voraussichtlich im Juli dieses Jahres gemäß § 26 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Er beabsichtigt, in seine Heimatstadt zurückzukehren.
II.

1. Das Gewaltverbrechen von Lebach erregte in der deutschen Öffentlichkeit ungewöhnliches Aufsehen, zumal da die Fahndung nach den Tätern sich mehrere Monate hinzog. Über die Tat, die umfangreichen Fahndungsmaßnahmen und über das Strafverfahren wurde in Presse, Hörfunk und Fernsehen eingehend berichtet.

Noch vor dem rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens erschien ein von dem Leiter der Hauptabteilung Dokumentarspiel des ZDF Jürgen Neven-du Mont und dem Leitenden Kriminaldirektor beim Bundeskriminalamt Karl Schütz unter Mitarbeit von Rainer Söhnlein verfaßtes Buch über den Fall.

Neven-du Mont und Söhnlein verfaßten ferner für das ZDF das Drehbuch für ein Dokumentar-Fernsehspiel „Der Soldatenmord von Lebach“, das unter der Regie von Söhnlein produziert und im Frühjahr 1972 fertiggestellt wurde. Nach dem vom Oberlandesgericht festgestellten – unstreitigen – Sachverhalt soll das Spiel im Programm des ZDF voraussichtlich an einem Freitagabend als zweiteilige, von Kurznachrichten unterbrochene Sendung in einer Gesamtdauer von 2 Stunden und 40 Minuten ausgestrahlt werden. Der erste Teil des Spiels stellt die Beziehungen innerhalb der Freundesgruppe, die Planung des Überfalls und seine Ausführung dar. Der zweite Teil behandelt vor allem die Fahndung und Ermittlung der Täter, ferner den Erpressungsversuch. Der Beschwerdeführer wird ebenso wie die Haupttäter eingangs im Bilde vorgeführt, sodann von einem Schauspieler dargestellt. Sein Name wird während des ganzen Spiels immer wieder genannt.

2. Der Beschwerdeführer sieht in der geplanten Ausstrahlung des Fernsehspiels eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts, seines Namensrechts und seines Rechts am eigenen Bild. Sein Antrag, im Wege einstweiliger Verfügung dem ZDF die Ausstrahlung des Spiels zu verbieten, soweit darin seine Person dargestellt oder namentlich erwähnt werde, wurde vom Landgericht und vom Oberlandesgericht durch die angefochtenen Entscheidungen abgelehnt. Beide Urteile sind auf §§ 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes vom 9. Januar 1907 (KUG) gestützt.

a) Das Landgericht hat ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch seine Beteiligung an der Straftat für einen begrenzten Zeitraum als „relative Person der Zeitgeschichte“ anzusehen. Die Tat sei besonders durch die Gruppenbildung von grundsätzlicher gesellschaftspolitischer Bedeutung und habe ein starkes Interesse der Öffentlichkeit an den psychologischen und soziologischen Hintergründen erregt. Als Mitglied der Tätergruppe müsse der Beschwerdeführer die Fortsetzung der öffentlichen Erörterung auch in der Einkleidung in eine Filmhandlung dulden, ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht seinem Tatbeitrag zukomme. Da die Geschehnisse bereits bekannt seien und das Spiel nach dem Vortrag des ZDF ohne Entstellung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers den wirklichen Fall dokumentarisch einwandfrei darstelle, sei ein wesentlicher zusätzlicher Eingriff in seine Privatsphäre oder eine Gefährdung seiner Resozialisierung nicht zu befürchten.

b) Das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts vom 5. Oktober 1972 (NJW 1973, S. 251 = JZ 1973, S. 279) ist im wesentlichen wie folgt begründet: Im vorliegenden Fall sei eine Güterabwägung vorzunehmen zwischen dem Recht am eigenen Bild im Sinne von §§ 22 und 23 KUG, das als besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter den Wertvorstellungen der Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zu sehen sei, und dem Bedürfnis nach sachgerechter bildmäßiger Information über im öffentlichen Interesse stehende Personen, das in § 23 KUG anerkannt und im Hinblick auf die in Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit und Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk auszulegen sei. Aus der letztgenannten Verfassungsnorm ergebe sich das Recht des Fernsehens zur Berichterstattung über Strafverfahren. Trotz des auch dem Schwerverbrecher zuzuerkennenden Persönlichkeitsbereichs und der hohen Bedeutung der Resozialisierung gelte dies gerade für bereits abgeschlossene Strafverfahren, da in diesem Stadium keine Nachteile für die Verteidigung des Beschuldigten zu besorgen seien und erhöhte Gewähr für eine umfassende und sachgerechte Berichterstattung bestehe.

Der Beschwerdeführer sei durch seine erhebliche Verstrickung in die Tat insoweit relative Person der Zeitgeschichte geworden und sei dies auch noch im Zeitpunkt des Erlasses des Berufungsurteils. Für diese Frage komme es entscheidend darauf an, daß nach der Überzeugung des Gerichts noch ein nicht unerhebliches Interesse der Bevölkerung an dem Tatgeschehen und der Person des Beschwerdeführers bestehe. Der Überfall nehme im Bewußtsein der meisten Bürger der Bundesrepublik eine Sonderstellung ein. Eine wahrheitsgemäße, sachgerechte Unterrichtung darüber sei aber nicht denkbar, wenn man bei der Darstellung der einzelnen Vorgänge die Person des Beschwerdeführers auslasse.

Berechtigte Interessen des Beschwerdeführers im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG stünden dem Vorhaben des ZDF nicht entgegen. Der Gesichtspunkt der Resozialisierung könne nicht abstrakt der Freiheit der Massenmedien gemäß Art. 5 Abs. 1 GG entgegengehalten, sondern nur bei der konkreten Interessenabwägung berücksichtigt werden. Danach verdiene hier das Recht zur Information über Angelegenheiten öffentlichen Interesses auch dann den Vorrang, wenn mit einer vorzeitigen Entlassung des Beschwerdeführers im Juli 1973 zu rechnen sei. Die bei Darstellungen in Form von Dokumentarspielen aus dramaturgischen Gründen mögliche Gefahr einer verfälschten Wiedergabe sei vermieden. Die an sich aus der Massenwirkung von Fernsehsendungen folgende Intensität des Eingriffs in den Persönlichkeitsbereich sei dadurch gemindert, daß die Bevölkerung in der Heimatstadt des Beschwerdeführers mit der Tat und der Person des Täters wesentlich vertrauter sei als der Durchschnitt der anderen Fernsehzuschauer. Zwar halte es das Gericht für ausgeschlossen, daß die Sendung die Resozialisierung des Beschwerdeführers, der seine eigene Schuld erkannt habe und fest entschlossen sei, in Zukunft ein straffreies Leben zu führen, erleichtern werde. Vielmehr werde sie möglicherweise, wenn nicht sogar wahrscheinlich, die Resozialisierung erschweren. Dies müsse der Beschwerdeführer jedoch in Kauf nehmen und damit etwaige Nachteile tragen, die in unserem Staat angesichts der im Grundgesetz gewährleisteten Freiheit der Massenmedien insbesondere denen zugemutet würden, die im öffentlichen Interesse stünden. Dieses Interesse der Allgemeinheit beruhe nicht auf Zufall, sondern auf schwerwiegender menschlicher Schuld auch des Beschwerdeführers.
III.

1. Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die angefochtenen Entscheidungen verletzten ihn in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, und begründet dies wie folgt:

Das Oberlandesgericht lasse die Zeichnung eines Lebensbildes des Beschwerdeführers zu, die selbst auf den persönlichsten Intimbereich keine Rücksicht nehme, ihn in beschämender, erniedrigender Weise bloßstelle und ein Klima schaffe, das es dem Beschwerdeführer unmöglich mache, in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen. Das Menschenbild des Grundgesetzes lasse keinen Raum für die Auffassung, Straftäter müßten noch nach Verbüßung der von Rechts wegen über sie verhängten Strafe eine zusätzliche Deklassierung derart hinnehmen, daß sie vor Millionen von Fernsehzuschauern an einen „modernen Pranger“ gestellt werden dürften. Das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Wahrheitsfindung im Prozeß und an der Wiederherstellung des Rechtsfriedens sei spätestens mit der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers oder jedenfalls im engen zeitlichen Zusammenhang damit entfallen. Eine wahrheitsgemäße sachgerechte Unterrichtung über die Tat sei auch ohne Einbeziehung des Beschwerdeführers denkbar. Zudem tauche in dem Film nirgends die eigentliche Beihilfehandlung auf, derentwegen er verurteilt worden sei, nämlich das Erklären der Pistole. Die Sicht des Films, das gesamte Geschehen aus einem Punkt, nämlich der homosexuellen Veranlagung der Täter, zu erklären, verfälsche die komplexe Tat, putsche bestehende Vorurteile auf und zeige zugleich, daß es dem Film in erster Linie auf die Befriedigung der Sensationslust ankomme.

2. Der Bundesminister der Justiz hat namens der Bundesregierung wie folgt Stellung genommen:

Bei der Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Straftäters mit der Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung seien die Umstände des Einzelfalls entscheidend, wobei auch dem Gedanken der Resozialisierung ein hoher Wert zuzumessen sei. Hier trage die zusammenfassende Darstellung des Verbrechens als solchem einschließlich seiner weit zurückreichenden Vorgeschichte in Form eines Dokumentarspiels auch noch längere Zeit nach Rechtskraft des Strafurteils einem legitimen Informationsbedürfnis Rechnung. Jedoch sei bei einem Straftäter, der nur relative Person der Zeitgeschichte sei, ein vorrangiges Publikationsinteresse an der Namensnennung und der persönlichen Darstellung nur für eine beschränkte Zeit nach Rechtskraft des Straferkenntnisses anzuerkennen. Bei einem Dokumentarspiel, das wie das vorliegende eine sehr eingreifende Darstellung des Persönlichkeitsbildes des Straftäters enthalte und eine große öffentliche Resonanz hervorrufen werde, gelte dies unter Berücksichtigung der notwendigen Vorbereitungsarbeiten nur für einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten. Ein zeitlich weiter reichendes Publikationsinteresse könne im Einzelfall gegeben sein, bedürfe aber eines eindeutigen sachlichen Nachweises, der etwa aus einer – hier fehlenden – anhaltenden öffentlichen Erörterung der Straftat in den anderen Massenkommunikationsmitteln, aber auch aus neu hinzutretenden Ereignissen herzuleiten sei, welche die Tat in einem neuen Licht erscheinen ließen.

Der Beschwerdeführer müsse danach auch heute noch die Darstellung des Überfalls und seiner Vorgeschichte dulden, dagegen nicht mehr das Zeigen seines Bildes und die Nennung seines Namens. Ein vollständiges Ausstrahlungsverbot lasse sich auch unter Berücksichtigung des Resozialisierungsgesichtspunkts nicht begründen. Das insoweit für die Abwägung maßgebende allgemeine Persönlichkeitsrecht habe nicht primär die Funktion, die Resozialisierung zu ermöglichen. Zudem seien die mit der Resozialisierung des Beschwerdeführers zusammenhängenden Probleme allzusehr mit seinen besonderen persönlichen Verhältnissen und der Rückkehr in seine Heimatstadt verbunden.

3. Das Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz hat namens der Landesregierung nach Anhörung örtlicher Behörden zu der Frage Stellung genommen, wie sich die Sendung des Dokumentarspiels auf die Einstellung der Einwohner der Heimatstadt des Beschwerdeführers und auf die Resozialisierung des Beschwerdeführers voraussichtlich auswirken würde. Danach stoße in der Heimatstadt des Beschwerdeführers ein Mann mit homosexueller Veranlagung auf allgemeine Ablehnung und Verachtung der Bürger. Werde der Beschwerdeführer auf Grund des Dokumentarspiels als Homosexueller abgestempelt, so werde dies zu seiner völligen gesellschaftlichen Isolierung nach seiner Entlassung führen. Insbesondere werde seine Eingliederung ins Arbeitsleben behindert und der beabsichtigte Anschluß an Sport- und Musikgruppen unmöglich. Insgesamt würde die Ausstrahlung des Spiels die Resozialisierung des Beschwerdeführers zumindest wesentlich erschweren und eine lang andauernde Prangerwirkung für ihn und seine Familienangehörigen nach sich ziehen.

4. Das ZDF hält die Verfassungsbeschwerde für offensichtlich unbegründet und führt hierzu aus:

Eine Fernsehanstalt wie das ZDF sei in besonderem Maße legitimiert, das berechtigte Interesse der Allgemeinheit an sachgerechter, umfassender Information über ein Ereignis der Zeitgeschichte, wie es der Lebach-Fall sei, durch eine dokumentarische Darstellung zu befriedigen. Entsprechend der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des ZDF wolle die Sendung in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen. Die Sendung solle die soziologischen und psychologischen Hintergründe der Tat aufzeigen, größeres menschliches Verständnis für den Beschwerdeführer wecken und ergründen, wie die Wiederholung einer solchen Tat vermieden werden könne. Weiterhin zeige der Film den erheblichen personellen und technischen Aufwand sowie die Einsatzbereitschaft der Polizei bei der Aufklärung des Falles. Es werde sichtbar, wie außerordentlich gering die Möglichkeit des Entkommens für die Täter sei. Ferner würden die Verbesserungen in der Sicherung von Waffendepots der Bundeswehr und im Wachdienst von Soldaten dargestellt. Das Dokumentarspiel diene damit der Abschreckung künftiger Täter und vorbeugend der Stärkung der öffentlichen Moral und der sozialen Verantwortung. Es könne die Meinung bilden, daß Verbrechen sich nicht lohnten, das Risiko des Entdecktwerdens zu groß sei und daß die Gesellschaft selbst mit solchen Verbrechern fertig werde. Das Dokumentarspiel diene damit mittelbar dem Rechtsgüterschutz im Sinne von Art. 1 GG. Wenn durch die Ausstrahlung des Spiels auch nur ein potentieller Täter von vergleichbaren Straftaten abgehalten werde, sei die Produktion bereits gerechtfertigt. Die Grundrechte potentieller Opfer und noch nicht straffälliger potentieller Täter hätten keinen minderen Rang als das Persönlichkeitsrecht des bereits verurteilten Beschwerdeführers.

In Anbetracht der geringen Erfolge, die die Bemühungen um die Wiedereingliederung Straffälliger bisher erbracht hätten, dürfe das Resozialisierungsinteresse nicht überbewertet werden. Die Resozialisierung des Beschwerdeführers werde überdies durch das Dokumentarspiel nicht nennenswert gefährdet. Die Sendung enthalte eine diskrete und distanzierte Sachdarstellung unter Absage an jede Sensationshascherei. Sie differenziere zwischen den Beteiligten und lasse den Beschwerdeführer nur als Gehilfen erscheinen. Sie trage zur Information und Meinungsbildung in Form einer künstlerischen Darbietung bei, so daß sich das ZDF auch auf den Schutz von Art. 5 Abs. 3 GG berufen könne.

Folge man dem Beschwerdeführer, so werde ein breites Informationsfeld für den „mündigen“ Bürger, den Art. 5 GG im Auge habe, gesperrt. Auch der Vorschlag, Dokumentarspiele über Straftaten nur innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft des Straferkenntnisses zuzulassen, bedeute einen Ausschluß der Information und Meinungsbildung auf diesem Gebiet. Für die Produktion eines Dokumentarspiels benötige die Anstalt anderthalb bis zwei Jahre. Im vorliegenden Fall sei dieser Zeitraum nur deswegen kürzer gewesen, weil auf das Buch von Neven-du Mont habe zurückgegriffen werden können.

Für die nur in beschränktem Umfang zulässige verfassungsgerichtliche Prüfung seien die Feststellungen der Zivilgerichte bindend, daß der Beschwerdeführer noch relative Person der Zeitgeschichte sei, das Publikum ihn noch in lebendiger Erinnerung habe und daß das Dokumentarspiel kein negativ verfälschendes Bild des Beschwerdeführers zeichne.

5. Das Bundesverfassungsgericht hat noch einer Reihe weiterer Stellen und Organisationen Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

a) Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat insbesondere auf das Urteil des Bundesgerichtshofs über die Fernsehsendung „Vor unserer eigenen Tür“ (NJW 1966, S. 2353) hingewiesen. Danach sind bei der Bildberichterstattung über Personen und ihre Lebensverhältnisse die zum Schutz des Persönlichkeitsrechts notwendigen Grenzen anders und enger zu setzen als bei der Wort- und Schriftberichterstattung. Die Vorführung eines Personenbildes im Fernsehen unter gleichzeitiger Namensnennung und unter negativer Qualifizierung habe eine derart soziale Prangerwirkung, daß sie auch ein früherer Schwerverbrecher nicht zu dulden brauche.

b) Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) hat darauf hingewiesen, daß die Rundfunkanstalten der ARD sich grundsätzlich zur Information über gegenwärtige Geschehnisse in Form künstlerisch gestalteter Dokumentarspiele für berechtigt hielten. Bei solchen Dokumentarspielen entstandene Interessenkonflikte seien im Einzelfall geregelt worden.

c) Der Deutsche Presserat und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger haben hervorgehoben, daß die Presse bis heute über aufsehenerregende Kriminalfälle der Gegenwart und der Vergangenheit unter Namensnennung und Bildveröffentlichung der Täter berichtet habe. Bei der im Einzelfall erforderlichen Güterabwägung verbiete die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG, die Entscheidung davon abhängig zu machen, ob ein Pressebericht von einem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit getragen werde oder ob er nur der Sensationslust und Neugierde oder der Unterhaltung eines Massenpublikums diene. Vorrangige Interessen des Beschwerdeführers, aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit entlassen zu werden, seien nicht zu erkennen.

d) Nach Auffassung des Deutschen Journalisten-Verbandes hat bei einem jahrelangen Abstand von der Straftat und nach erfolgter Sühne das Informationsinteresse der Öffentlichkeit keinen Bestand mehr. Aber auch das erklärte Ziel einer Meinungsbildung – hier etwa die zudem anfechtbare psychologische Deutung der Tat aus der homosexuellen Veranlagung des Täterkreises – widerspreche der Resozialisierung als dem Hauptziel des modernen Strafvollzugs und rechtfertige zumal bei einem Tatbeitrag von untergeordneter Bedeutung nicht einen so folgenschweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, wie ihn das in Rede stehende Dokumentarspiel bedeute.

e) Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger hat ausgeführt, in welchem Umfang über eine Person der Zeitgeschichte berichtet werden dürfe, müsse unter Berücksichtigung der spezifischen Mittel und Wirkungen des jeweiligen Mediums beurteilt werden. Die Wirkung von Fernsehsendungen auf den Zuschauer sei sehr viel stärker als bei Wort-Bild-Darstellungen in der Presse. Hinsichtlich der Art und Weise der Darstellung mache es einen Unterschied, ob lediglich ein Ereignis bildlich wiedergegeben oder ein Lebensbild gezeichnet werde. Insgesamt sollten Ereignisse wie das Geschehen in Lebach der Berichterstattung offenstehen, auch wenn seitdem Jahre vergangen seien. Solche Verbrechen würfen Fragen auf, die in einer offenen Gesellschaft diskutiert werden müßten. Eine Erörterung darüber erschwere auch nicht generell die Resozialisierung der Täter.
IV.

1. Das Bundesverfassungsgericht hat durch einstweilige Anordnung vom 13. März 1973 dem ZDF untersagt, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde das Dokumentarspiel auszustrahlen, soweit darin die Person des Beschwerdeführers namentlich erwähnt oder dargestellt wird.

2. Das Bundesverfassungsgericht hat das Dokumentarspiel in Augenschein genommen. Es hat weiter in der mündlichen Verhandlung die Sachverständigen Regierungsdirektorin Dr. Einsele, Frankfurt, Professor Dr. Lüscher, Konstanz, und Diplompsychologe Possehl, Diez/Lahn, darüber gehört, wie Fernsehsendungen über abgeurteilte schwere Straftaten nach Art des Dokumentarspiels vom Standpunkt des Strafvollzuges und der Sozialpsychologie zu beurteilen sind, namentlich welche Wirkungen von solchen Sendungen im Hinblick auf die Resozialisierung der dargestellten verurteilten Täter und speziell des Beschwerdeführers zu erwarten sind.

a) Die Sachverständige Dr. Einsele hat aus der Sicht des Strafvollzuges ausgeführt:

Die Zielsetzung des Strafvollzugs habe sich in den vergangenen Jahrzehnten auf den rationalen Zweck, die Gesellschaft durch Resozialisierung oder Sozialisation vor dem Rückfalltäter zu schützen, konzentriert. Wirklich vollendet werden könne die Sozialisation erst, wenn die Wiedereingliederung des Straffälligen in die normale, freie Gesellschaft gelinge. Dies erfordere nicht nur innere Einsicht und die bei dem heutigen meist labilen Täterkreis notwendige Stärkung des Selbstvertrauens; der Entlassene bedürfe auch entscheidend der Selbstbestätigung durch die Umwelt. Werde ein Täter kurz vor seiner wahrscheinlichen Entlassung noch einmal mit vollem Namen und mit seinem Bild im Zusammenhang mit einer aufsehenerregenden Straftat der Öffentlichkeit vorgestellt, so müsse das in einer inneren und dann mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in einer äußeren Katastrophe enden. Alle Ängste, die vielleicht während des Vollzuges von ihm genommen worden seien, brächen wieder auf. Angst sei aber der größte Feind für ein sozial unauffälliges Leben, besonders bei der hier gegebenen kleinbürgerlichen Mentalität des Täters und bei einer Umwelt, in der Bestraften gegenüber aggressive Enge erfahrungsgemäß stark ausgeprägt sei. 3
Der Abschreckungseffekt, den das Dokumentarspiel erzielen wolle, sei nach den Erfahrungen im Strafvollzug bei dem in Betracht kommenden Täterkreis nur sehr gering zu veranschlagen. Viel ernster zu nehmen sei die Gefahr, daß der nicht akzeptierte oder mit Haß aufgenommene Täter aus einer tiefen Verunsicherung heraus sich selbst aufgebe und erneut zum Außenseiter und also potentiellen Straftäter werde. Zu bedenken sei auch, daß das Dokumentarspiel den Beschwerdeführer zur Zeit der Tat zeige und völlig unberücksichtigt lasse, was in der Zwischenzeit mit ihm geschehen sei. Vor der Umwelt stehe er nach dem Film im vollen Lichte seines damaligen Seins, als einer von den Dreien, die an der furchtbaren Tat beteiligt gewesen seien. Beim Beschwerdeführer komme zur Darstellung der Tat noch die seiner Homosexualität hinzu. Die Abwehr gegen dieses Sexualverhalten sei in der Öffentlichkeit noch sehr stark.

b) Der Sachverständige Professor Dr. Lüscher hat vom Standpunkt der Sozialpsychologie und der Kommunikationswissenschaft aus besonders auf folgendes hingewiesen:

Die Wirkungsforschung habe die Erkenntnis erbracht, daß durch Massenkommunikation in erster Linie bereits vorhandene Einstellungen verstärkt würden. In Bereichen, in denen noch keine feste Meinung gebildet worden sei, komme vor allem die Glaubwürdigkeit des Kommunikators ins Spiel. Diese Glaubwürdigkeit besitze das Fernsehen im Vergleich zu anderen Medien in hohem Maße. Außerdem werde bei unentschiedenen Personen eine Meinung eher akzeptiert, wenn sie als diejenige der Mehrheit dargestellt werde. Eine Art allgemeinen Abschreckungseffekt erziele das Dokumentarspiel vermutlich nicht, denn die Tatsache, daß generell Einstellungen schwer veränderbar seien, treffe für den potentiell Kriminellen genauso zu wie für den Normalbürger. Akzeptiere man die Bestätigungsthese, so sei es von großer Wichtigkeit zu wissen, was bestätigt werde. Über vorhandene Einstellungen zu den hier dargestellten Vorgängen, zu Kriminalität, Homosexualität, Resozialisation hätten sich die Programmschaffenden im Falle eines Kriminal-Dokumentarspiels durch sozialwissenschaftliche Untersuchungen systematisch und gründlich zu orientieren, um mögliche Wirkungen der Sendung abschätzen und so gegebenenfalls auch Vorkehrungen treffen zu können, die sozial nicht wünschbaren Wirkungen entgegenträten. Daß dieser Sorgfaltspflicht hier genügt worden sei, könne er nach den ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht feststellen.

Nach ihrem Inhalt hebe die Sendung die Homosexualität als Erklärung im Vergleich zu anderen Möglichkeiten (z.B. Kleinstadtmilieu) einseitig hervor. Das sei deswegen von großer Bedeutung, weil hinsichtlich dieses Elements der Beschwerdeführer ein gleichwertiger Träger der dramatischen Handlung sei. Die Gefahr, daß er deswegen von vielen Zuschauern in bezug auf die Tat als letztlich gleichwertiger Täter gesehen werde, lasse sich nicht von der Hand weisen. Sofern die homosexuellen Beziehungen als psychosoziale Erklärung der Tat verstanden und akzeptiert würden, könne die erstrebte Differenzierung zwischen den Beteiligten kaum erreicht werden.

Das Dokumentarspiel solle nach den Intentionen der Produzenten in erster Linie der Erklärung des Geschehens dienen. Dies entspreche den augenblicklichen Erwartungen des Publikums, das im jetzigen Zeitpunkt an einer Gesamtinterpretation der Tat und der damit zusammenhängenden sozialen Probleme interessiert sei. Weite Teile des Publikums würden das Dokumentarspiel als objektive und abschließende Bewertung des Falles beurteilen und die angebotenen Erklärungen sowohl auf die betroffenen einzelnen Personen wie auch auf analoge Fälle beziehen und in ihre generelle Einstellung aufnehmen. Unter diesen Umständen sei zu bedenken, ob dann nicht die realistische Darstellung der Fakten und deren Authentizität in erster Linie die Funktion habe, die Glaubwürdigkeit der vorgetragenen Interpretation zu untermauern.

Hinsichtlich der Namensnennung in derartigen Sendungen sei zu unterscheiden: Je mehr die Sendung den Charakter eines Spieles habe, desto weniger sei die Namensnennung nötig. Je mehr sich die Sendung auf eine dokumentarische Darstellung beschränke, also Berichterstattung sei, desto stärker müßten individuelle Momente einbezogen werden.

c) Der Sachverständige Possehl, der als Anstaltspsychologe in der Strafanstalt tätig ist, in der der Beschwerdeführer seine Strafe verbüßt, und den Beschwerdeführer eingehend exploriert hat, ist der Ansicht, daß eine Ausstrahlung des Dokumentarspiels die Lebensangst des Beschwerdeführers, seine Neigung zu sozialer Selbstisolierung und seine Minderwertigkeitsgefühle verstärken würde. Die Sendung würde den heterosexuellen Beschwerdeführer eindeutiger als bisher mit der Homosexualität assoziieren, obwohl diese wahrscheinlich beim gesamten Tatkomplex nur eine akzidentelle Rolle gespielt habe, ihn aber auch mit der Tat in besonderem Maße identifizieren. Die Folge wäre, daß ihn die soziale Umwelt stärker als ohne die Ausstrahlung der Sendung ablehnen würde und sein Anschluß an Frauen in Frage gestellt werde. Damit werde ein Rückfall in irgendeine, nicht vorhersehbare Form der Kriminalität wahrscheinlich. Eine Ausstrahlung des Fernsehspiels sei daher als in hohem Maße rückfallfördernd anzusehen. Dagegen sei die Prognose einer Resozialisierung für den Beschwerdeführer recht günstig, wenn die Belastungen von außen gering blieben.
B.

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Gerichtsentscheidungen, die in einem zivilgerichtlichen Verfahren ergangen sind und auf der Anwendung von Vorschriften des Privatrechts beruhen. In solchen Fällen ist es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Auslegung und Anwendung der betreffenden Rechtsvorschriften als solche sowie die hierauf bezogene Feststellung und Würdigung des Tatbestandes zu prüfen. Dagegen unterliegt es seiner Prüfung, ob die Ausstrahlungswirkung der in den Grundrechten enthaltenen Wertentscheidungen auf das Zivilrecht hinreichend beachtet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat daher zu prüfen, ob die angefochtenen Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Reichweite und Wirkkraft eines der geltend gemachten Grundrechte beruhen oder ob das Entscheidungsergebnis selbst ein solches Grundrecht verletzt (vgl. BVerfGE 7, 198 [206 f.] – Lüth -; 21, 209 [216]; 30, 173 [187 f.] – Mephisto -; 32, 311 [316]). Die angefochtene Entscheidung ist auch dann zu beanstanden, wenn das Gericht bei Anwendung der typischen Kriterien, die sich aus der Ausstrahlung der Grundrechte für die Beurteilung von Fällen der vorliegenden Art ergeben, nicht zu dem gefundenen Ergebnis hätte gelangen können. Hierbei ist nicht ausgeschlossen, daß das Bundesverfassungsgericht eigene Feststellungen, z.B. die Anhörung von Sachverständigen, für geboten erachtet, um sich eine tragfähige Grundlage für die verfassungsrechtliche Beurteilung zu schaffen.
II.

Im vorliegenden Fall ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, daß mehrere Grundrechte auf die Anwendung des einfachen Rechts einwirken, und zwar in entgegengesetzter Richtung: Es handelt sich um eine Spannungslage zwischen dem in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Schutz der Persönlichkeit und der Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. 43
1. Auf der einen Seite berührt eine Fernsehsendung der hier vorliegenden Art über die Entstehung, Ausführung und Verfolgung einer Straftat unter Namensnennung, Abbildung und Darstellung des Straftäters zwangsläufig den Schutzbereich seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Hierzu gehört auch das Recht, in diesem Bereich „für sich zu sein“, „sich selber zu gehören“ (Adolf Arndt, NJW 1967, S. 1845 [1846]), ein Eindringen oder einen Einblick durch andere auszuschließen (vgl. BVerfGE 27, 1 [6]; 33, 367 [376] – Sozialarbeiter -; Beschluß vom 31. Januar 1973 – 2 BvR 454/71 – Tonband -, Umdruck B II 1 und 2 [im folgenden zitiert als 2 BvR 454/71]). Dies umfaßt das Recht am eigenen Bild und gesprochenen Wort (vgl. 2 BvR 454/71 a.a.O.), erst recht aber das Verfügungsrecht über Darstellungen der Person. Jedermann darf grundsätzlich selbst und allein bestimmen, ob und wieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht freilich nicht der gesamte Bereich des privaten Lebens unter dem absoluten Schutz der genannten Grundrechte (vgl. BVerfGE 6, 389 [433]; 27, 1 [7]; 27, 344 [351]; 32, 373 [379]; 33, 367 [376 f.]; 2 BvR 454/71 B II 1). Wenn der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen tritt, durch sein Sein oder Verhalten auf andere einwirkt und dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens berührt, können sich Einschränkungen seines ausschließlichen Bestimmungsrechts über seinen Privatbereich ergeben, soweit dieser nicht zum unantastbaren innersten Lebensbereich gehört. Ein solcher Sozialbezug kann bei entsprechender Intensität namentlich Maßnahmen der öffentlichen Gewalt zum Schutz von Interessen der Allgemeinheit zulassen – vgl. etwa die Veröffentlichung von Bildern verdächtiger Personen im Interesse der Strafverfolgung (§ 24 KUG). Jedoch rechtfertigt weder das staatliche Interesse an der Aufklärung von Straftaten noch ein anderes öffentliches Interesse von vornherein den Zugriff auf den Persönlichkeitsbereich (vgl. BVerfGE 32, 373 [381]; 2 BvR 454/71 B II 5). Vielmehr gebietet der hohe Rang des Rechts auf freie Entfaltung und Achtung der Persönlichkeit, der sich aus der engen Beziehung zum höchsten Wert der Verfassung, der Menschenwürde, ergibt, daß dem aus einem solchen Interesse erforderlich erscheinenden Eingriff ständig das Schutzgebot des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG als Korrektiv entgegengehalten wird. Dementsprechend ist durch Güterabwägung im konkreten Fall zu ermitteln, ob das verfolgte öffentliche Interesse generell und nach der Gestaltung des Einzelfalls den Vorrang verdient, ob der beabsichtigte Eingriff in die Privatsphäre nach Art und Reichweite durch dieses Interesse gefordert wird und im angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (vgl. BVerfGE 27, 344 [353 f.]; 32, 373 [381]; 2 BvR 454/71 B II 5).

Diese in der Rechtsprechung zu Maßnahmen öffentlicher Gewalt entwickelten Grundsätze müssen entsprechend beachtet werden, wenn es sich um die gerichtliche Entscheidung über kollidierende Interessen nach Vorschriften des Privatrechts handelt. Damit wird die Berücksichtigung der Sonderstellung, die den Medien des Hörfunks und Fernsehens kraft ihrer öffentlich-rechtlichen Organisation und öffentlichen Aufgabe zukommt, nicht ausgeschlossen.

2. Insoweit fällt hier, wie das Oberlandesgericht zutreffend hervorgehoben hat, maßgebend ins Gewicht, daß die streitige Sendung einer Funktion dienen soll, deren freie Wahrnehmung ihrerseits in der Verfassung unmittelbar durch eine Grundrechtsnorm geschützt ist. Die Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Rundfunkfreiheit) ist ebenso wie die Pressefreiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]; 10, 118 [121]; 12, 205 [259 ff.] – Deutschland-Fernsehen -; 20, 56 [97 f.]; 20, 162 [174 ff.] – Spiegel -; 27, 71 [81 f.] – Zeitungen aus der DDR -).

Hörfunk und Fernsehen gehören in gleicher Weise wie die Presse zu den unentbehrlichen Massenkommunikationsmitteln, denen sowohl für die Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen wie für deren Kontrolle als auch für die Integration der Gemeinschaft in allen Lebensbereichen eine maßgebende Wirkung zukommt. Sie verschaffen dem Bürger die erforderliche umfassende Information über das Zeitgeschehen und über Entwicklungen im Staatswesen und im gesellschaftlichen Leben. Sie ermöglichen die öffentliche Diskussion und halten sie in Gang, indem sie Kenntnis von den verschiedenen Meinungen vermitteln, dem Einzelnen und den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen Gelegenheit geben, meinungsbildend zu wirken, und sie stellen selbst einen entscheidenden Faktor in dem permanenten Prozeß der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung dar (vgl. BVerfGE 12, 113 [125]; 12, 205 [260]). Trotz der engeren Fassung des Wortlauts („Berichterstattung“) unterscheidet sich die Rundfunkfreiheit wesensmäßig nicht von der Pressefreiheit; sie gilt in gleicher Weise für rein berichtende Sendungen wie für Sendungen anderer Art. Information und Meinung können ebensowohl durch ein Fernsehspiel oder eine Musiksendung vermittelt werden wie durch Nachrichten oder politische Kommentare; jedes Rundfunkprogramm hat schon durch die getroffene Auswahl und die Gestaltung der Sendung eine bestimmte meinungsbildende Wirkung (vgl. BVerfGE 12, 205 [260]; 31, 314 [326]). Ebensowenig läßt die Rundfunkfreiheit von vornherein eine Unterscheidung der Sendungen nach dem jeweils verfolgten Interesse oder der Qualität der Darbietung zu; eine Beschränkung auf „seriöse“, einem anerkennenswerten privaten oder öffentlichen Interesse dienende Produktion liefe am Ende auf eine Bewertung und Lenkung durch staatliche Stellen hinaus, die dem Wesen dieses Grundrechts gerade widersprechen würde (vgl. BVerfGE 25, 296 [307]; Beschluß vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65 – immaterielle Schäden – [im folgenden zitiert als 1 BvR 112/65], Umdruck C I 4 mit weiteren Nachweisen). Demgemäß kann eine Rundfunk- oder Fernsehanstalt sich grundsätzlich für jede Sendung zunächst auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen, gleichgültig, ob es sich um politische Sendungen, kritische Auseinandersetzungen mit anderen die Allgemeinheit interessierenden Fragen oder um Hörspiele, kabarettistische Programme oder andere Unterhaltungssendungen handelt. Das Eingreifen der Verfassungsgarantie ist also nicht abhängig von dem jeweiligen Nachweis eines „berechtigten“ oder „legitimen“ Interesses an der betreffenden Sendung (vgl. Adolf Arndt, a.a.O.). Entsprechend deckt die Rundfunkfreiheit nicht allein die Auswahl des dargebotenen Stoffes, sondern auch die Entscheidung über die Art und Weise der Darstellung einschließlich der Bestimmung darüber, welche der verschiedenen Formen von Sendungen hierfür gewählt wird.

Erst wenn die Wahrnehmung der Rundfunkfreiheit mit anderen Rechtsgütern in Konflikt gerät, kann es auf das mit der konkreten Sendung verfolgte Interesse, die Art und Weise der Gestaltung und die erzielte oder voraussehbare Wirkung ankommen. Die Verfassung hat den möglichen Konflikt zwischen der Rundfunkfreiheit und dadurch betroffenen Interessen von einzelnen Bürgern, von Gruppen oder der Gemeinschaft durch Verweisung auf die allgemeine Rechtsordnung geregelt; nach Art. 5 Abs. 2 GG unterliegt die Veranstaltung von Rundfunksendungen den Einschränkungen, die sich aus den allgemeinen Gesetzen ergeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die damit gebotene Rücksicht auf andere Rechtsgüter jedoch die Rundfunkfreiheit nicht relativieren; vielmehr sind die die Rundfunkfreiheit beschränkenden Gesetze ihrerseits im Blick auf die Verfassungsgarantie auszulegen und gegebenenfalls selbst wieder einzuschränken, um der Rundfunkfreiheit angemessene Verwirklichung zu sichern (vgl. BVerfGE 20, 162 [176 f.]; 7, 198 [208 ff.]). Dies erfordert im Einzelfall eine generelle und konkrete Abwägung der sich gegenüberstehenden Rechtsgüter.
III.

1. Zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG gehören auch die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegenden Vorschriften der §§ 22, 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 (RGBl. S. 7), die gemäß § 141 Nr. 5 des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273) weitergelten. Diese Rechtsvorschriften, die sich nach ihrem Wortlaut und ursprünglichen Sinn nur auf das Recht am eigenen Bild bezogen, sind seit langem in Rechtsprechung und Schrifttum dahin ausgelegt worden, daß sie sowohl für die Abbildung mit und ohne Namensnennung wie für die Darstellung einer Person durch einen Schauspieler auf der Bühne, im Film oder im Fernsehen gelten (vgl. u. a. KG, JW 1928, S. 363; BGHZ 26, 52 [67] – Sherlock Holmes -; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl. 1967, S. 298; Rehm, Das Recht am eigenen Bild, Juristische Blätter [Wien] 1962, S. 1 ff., 65 ff. [67 f.]). Das Gesamtverständnis der Vorschriften hat sich seit Inkrafttreten des Grundgesetzes dahin gewandelt, daß das Recht am eigenen Bild als ein Ausschnitt, eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen wird, das aus Art. 1 und 2 GG entwickelt worden ist (vgl. hierzu 1 BvR 112/65, Umdruck A 3, C I 2 und 3; BGHZ 20, 345 [347] – Paul Dahlke -; BGH, NJW 1962, S. 1004 [1005] – Doppelmörder – und 1971, S. 885 [886] – Petite Jacqueline -).

Diese Vorschriften sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; ihre relativ flexible Gestaltung bietet ausreichenden Raum für eine der Verfassung entsprechende Anwendung. Wie die Praxis zeigt, ist es möglich, bei der durch § 23 KUG gebotenen Interessenabwägung der Ausstrahlungswirkung der einschlägigen Grundrechte hinreichend Rechnung zu tragen. Dabei kommt es verfassungsrechtlich nicht darauf an, bei welchem Tatbestandselement des § 23 KUG die Abwägung vorgenommen wird (vgl. Neumann-Duesberg, JZ 1973, S. 262 mit weiteren Nachweisen; v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, 1968, Einf. 113).

2. In Konfliktsfällen der vorliegenden Art gilt daher einerseits der allgemeine Grundsatz, daß die Anwendung der §§ 22, 23 KUG auf Fernsehsendungen die Rundfunkfreiheit nicht übermäßig einengen darf. Andererseits besteht gegenüber sonstigen allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG hier die Besonderheit, daß die Beschränkung der Rundfunkfreiheit ihrerseits dem Schutz eines hohen Verfassungswertes dient; das im Rahmen des § 23 KUG zu berücksichtigende, gegen die Abbildung oder Darstellung gerichtete Interesse der betroffenen Person erfährt eine unmittelbare Verstärkung durch die Verfassungsgarantie des Persönlichkeitsschutzes.

Die Lösung dieses Konflikts hat davon auszugehen, daß nach dem Willen der Verfassung beide Verfassungswerte essentielle Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Ordnung des Grundgesetzes bilden, so daß keiner von ihnen einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen kann. Das Menschenbild des Grundgesetzes und die ihm entsprechende Gestaltung der staatlichen Gemeinschaft verlangen ebensowohl die Anerkennung der Eigenständigkeit der individuellen Persönlichkeit wie die Sicherung eines freiheitlichen Lebensklimas, die in der Gegenwart ohne freie Kommunikation nicht denkbar ist. Beide Verfassungswerte müssen daher im Konfliktsfall nach Möglichkeit zum Ausgleich gebracht werden; läßt sich dies nicht erreichen, so ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat. Hierbei sind beide Verfassungswerte in ihrer Beziehung zur Menschenwürde als dem Mittelpunkt des Wertsystems der Verfassung zu sehen. Danach können von der Rundfunkfreiheit zwar restriktive Wirkungen auf die aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleiteten Ansprüche ausgehen; jedoch darf die durch eine öffentliche Darstellung bewirkte Einbuße an „Personalität“ nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Veröffentlichung für die freie Kommunikation stehen (vgl. Adolf Arndt, a.a.O.). Weiter ergibt sich aus diesem Richtwert, daß die erforderliche Abwägung auf der einen Seite die Intensität des Eingriffes in den Persönlichkeitsbereich durch eine Sendung der fraglichen Art berücksichtigen muß; auf der anderen Seite ist das konkrete Interesse, dessen Befriedigung die Sendung dient und zu dienen geeignet ist, zu bewerten und zu prüfen, ob und wieweit dieses Interesse auch ohne eine Beeinträchtigung – oder eine so weitgehende Beeinträchtigung – des Persönlichkeitsschutzes befriedigt werden kann.
IV.

1. Aus diesen allgemeinen Grundsätzen ergeben sich für die Beurteilung von Fernsehsendungen der vorliegenden Art folgende verfassungsrechtlich bedeutsame Kriterien:

a) Eine öffentliche Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters wird stets seinen Persönlichkeitsbereich erheblich beeinträchtigen, weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekanntmacht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert. Etwas anderes mag gelten, wenn die Berichterstattung gerade in der Absicht erfolgt, Verständnis für den Täter zu erwecken, etwa um eine Wiederaufnahme des Verfahrens, einen Gnadenakt oder eine sonstige Hilfe zu erreichen. Abgesehen davon, daß unter solchen Umständen der Täter meist mit der Berichterstattung einverstanden sein wird, liegt ein solcher Ausnahmefall hier nicht vor (vgl. dazu unten V 2).

b) Läßt man die Möglichkeit einer zusätzlichen Beeinträchtigung durch die jeweilige Art und Weise der Darstellung (Polemik, Verfälschung) außer Betracht, so bedeutet auch eine um Objektivität und Sachlichkeit bemühte Berichterstattung durch das Fernsehen in der Regel einen weitaus stärkeren Eingriff in die private Sphäre als eine Wort- oder Schriftberichterstattung in Hörfunk oder Presse. Dies folgt zunächst aus der stärkeren Intensität des optischen Eindrucks und der Kombination von Bild und Ton, vor allem aber aus der ungleich größeren Reichweite, die dem Fernsehen auch im Verhältnis zu Film und Theater eine Sonderstellung einräumt. Es besteht daher besonderer Anlaß, „auf eine Wahrung der vom Recht gesetzten Schranken zu achten und einem Mißbrauch des leichter verletzbar gewordenen Persönlichkeitsrechts vorzubeugen. Das Recht darf sich in diesem Punkt der technischen Entwicklung nicht beugen“ (BGH, NJW 1966, S. 2353 [2354] – Vor unserer eigenen Tür -).

Daher ist freilich nach der Art der Sendung zu differenzieren. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Produktion, die zu der vom ZDF entwickelten Gattung der Dokumentarspiele gehört. Nach Angaben des früheren Leiters der Hauptabteilung Dokumentarspiel im ZDF, Dr. Wolfgang Bruhn, hat sich diese Sendeform, bei der ein im ganzen authentischer Vorgang in ebenso authentischer Form nachgespielt wird, sehr schnell zur beliebtesten Programmform entwickelt und in der Gunst des Publikums sowohl den Spielfilm wie die Showunterhaltung übertroffen (vgl. Fernsehen in Deutschland, 1967, S. 157 ff. [157, 160]). Nach einer Statistik des ZDF wiesen Dokumentarspiele im Jahre 1969 die höchste Sehbeteiligung aller Abendsendungen des ZDF (38%) auf; im Programm der ARD hatten im selben Zeitraum nur zwei Sparten eine höhere prozentuale Sehbeteiligung (Tagesschau 52 %, Unterhaltung 39 % – vgl. Setzen, Fernsehen: Objektivität oder Manipulation?, 1971, S. 142). Im Einzelfall spielen selbstverständlich auch die Sendezeit und das gleichzeitige Programm der ARD eine Rolle. Nach den vom ZDF vorgelegten Unterlagen über die Ergebnisse der Infratest/Infratam-Fernsehforschung für die Freitagabendprogramme des ZDF im Jahre 1972 lag die durchschnittliche Einschaltquote bei Sendungen über Kriminalstoffe („Kommissar“ und „Aktenzeichen XY – ungelöst“) über 65 %. Dies besagt, daß solche Sendungen in etwa 11,7 Millionen Haushaltungen, bei Zugrundelegung einer Durchschnittszahl von nur zwei Personen je Haushalt also von rd. 23,4 Millionen Personen gesehen werden. Nach Ansicht des Sachverständigen Professor Lüscher wäre für eine Sendung des streitigen Dokumentarspiels, die das ganze Abendprogramm füllt, bei sorgfältiger und zurückhaltender Schätzung mit einer Einschaltziffer von mindestens 30 % bis zu 80 % zu rechnen, wobei diese eher an der oberen Grenze liegen würde.

c) Besteht schon aus den genannten Gründen ein besonderes Schutzbedürfnis gegenüber Persönlichkeitsverletzungen durch Fernsehsendungen mit solcher Reichweite, so kommt hinzu, daß die Sendeform des Dokumentarspiels unter dem hier relevanten Gesichtspunkt spezifische Gefahren mit sich bringt. Sie verbindet eingängig dargebotene Information mit spannender Unterhaltung; ohne Verfremdung oder Verhüllung wird ein tatsächliches Geschehen in seiner Entwicklung und in seinem Ablauf nachgespielt, die daran beteiligten Personen werden möglichst wirklichkeitsgetreu gezeigt oder dargestellt. So sind beispielsweise in der streitigen Sendung fast alle Orts- und Personennamen unverändert geblieben; die wirklichen Akteure der dargestellten Ereignisse spielen zum Teil selbst mit – etwa zahlreiche Randfiguren -, zum Teil werden sie nur deswegen durch Schauspieler dargestellt, weil ihnen die schauspielerischen Fähigkeiten zum eigenen Auftreten fehlen oder weil, wie beim Beschwerdeführer und den Haupttätern, ihre Mitwirkung aus anderen Gründen von vornherein ausschied. Bei gelungener Besetzung der Hauptfiguren ergibt sich aus einem solchen Spiel „eine faszinative Wirkung beim Zuschauer, die beträchtlich mehr verstandesmäßiges wie auch gefühlsmäßiges und damit engagiertes Bewußtsein hervorruft, als dies die beste Dokumentation oder ein sogenanntes Feature erreichen könnte. Der Zuschauer hat … die totale Illusion, bei einem solchen historischen Vorgang dabeizusein bzw. dabeigewesen zu sein. Er hat … (die) Möglichkeit der Identifikation mit dem Part des ‚Guten‘ … und fühlt sich daneben und gleichzeitig gut unterhalten“ (Bruhn, a.a.O., S. 160).

Ein solches intensives Nacherleben unter Betonung der emotionalen Komponente wird bei Darstellung einer schweren Straftat normalerweise beim Zuschauer stärkere und auch nachhaltigere Reaktionen gegen die dargestellten Straftäter hervorrufen als eine reine Wort-Bild-Berichterstattung. Hinzu kommt, daß das Dokumentarspiel auch bei noch so enger Anlehnung an die Wirklichkeit nicht ohne dichterisches Beiwerk auskommen kann (vgl. KG, UFITA 54 [1969] S. 291 [295 f.] – Der Fall Angelika -), etwa soweit zur Darstellung der Entstehung einer Straftat oder zur Charakteristik der Täter Szenen aus ihrem persönlichen Leben gezeigt, Gespräche rekonstruiert werden oder psychologische Vorgänge zum Ausdruck gebracht werden sollen, ohne daß der Zuschauer insoweit zwischen Dichtung und Wahrheit unterscheiden kann. Noch wesentlicher ist es, daß die dramaturgisch notwendige Konzentration einschließlich der Zeit- und Ablaufsraffungen zu einer persönlichen Darstellung der Straftäter führt, die ganz auf die Straftat und deren Interpretation durch Drehbuchautor und Regisseur bezogen ist. Der Zuschauer, der wegen der durch die Sendung insgesamt vermittelten „Illusion des Authentischen“ glaubt, den Straftäter in seiner wirklichen Persönlichkeit vollständig zu erfassen, erhält tatsächlich nur ein gewissermaßen auf die negative Dimension verkürztes Persönlichkeitsbild, in dem positive oder neutrale Charakterzüge und Verhaltensweisen, überhaupt eine feinere Nuancierung fehlen.

d) Eine derart mögliche oder wahrscheinliche negative Qualifizierung des dargestellten Straftäters kann noch durch andere Faktoren bestätigt oder verstärkt werden. Wie der Sachverständige Professor Lüscher ausgeführt hat, steht der Zuschauer in der Bundesrepublik dem Fernsehen im Durchschnitt weniger kritisch gegenüber als anderen Massenmedien; nach Meinungsumfragen genießen Fernsehsendungen mit Abstand die größte Glaubwürdigkeit. Soweit dabei im einzelnen Differenzierungen geboten sind, kann bei einem Dokumentarspiel sowohl wegen der erwähnten emotionalen Komponente wie wegen des Unterhaltungscharakters nicht ein besonders kritisch eingestelltes Publikum vorausgesetzt werden; dies gilt erst recht bei einer Sendung am Freitagabend. Zuschauer, die nicht schon eine fixierte Auffassung zu dem dargestellten Ereignis und der vorgestellten einzelnen Person haben, werden dazu neigen, die realistische Darstellung des Dokumentarspiels mit der Wirklichkeit zu verwechseln und die Interpretation des Geschehens durch die Sendung als richtige, objektive Bewertung zu übernehmen.

Schließlich tritt beim Fernsehen verstärkt das auch bei anderen Kommunikationsmitteln zu beobachtende Problem der „selektiven Wahrnehmung“ auf. Damit ist die Tendenz des Zuschauers gemeint, aus dem Kommunikationsangebot unbewußt nur die den eigenen Auffassungen oder Voreingenommenheiten entsprechenden Aussagen auszuwählen und wahrzunehmen. Wie der Sachverständige Professor Lüscher näher dargelegt hat, tragen die Massenmedien insoweit erheblich dazu bei, vorhandene – bewußte oder unbewußte – allgemeine Einstellungen zu verfestigen (vgl. auch Noelle-Neumann, Wirkung der Massenmedien, Das Fischer Lexikon Bd. 9, Publizistik, 1971, S. 318 ff.; Schwarzkopf in: Fernsehen in Deutschland, 1967, S. 114 f.). Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies, daß die Darstellung von kriminellen oder homosexuellen Personen in einem Dokumentarspiel die überwiegend vorhandene allgemeine Ablehnung solcher sozialen Außenseiter verstärken und auch dadurch zu einer ungünstigen Gesamtbeurteilung der dargestellten Einzelperson führen kann.

Zusammenfassend ergibt sich, daß eine Fernsehberichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters, besonders in der Form des Dokumentarspiels, regelmäßig einen schweren Eingriff in seine Persönlichkeitssphäre bedeuten wird.

2. Auf der anderen Seite sprechen erhebliche Erwägungen für eine auch die Person des Täters einbeziehende vollständige Information der Öffentlichkeit über vorgefallene Straftaten und die zu ihrer Entstehung führenden Vorgänge. Auch Straftaten gehören zunächst zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien überhaupt ist. Weiter begründen die Verletzung der allgemeinen Rechtsordnung, die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft, die Sympathie mit den Opfern und ihren Angehörigen, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, ein durchaus anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird um so stärker sein, je mehr die Straftat sich durch die Besonderheit des Angriffsobjekts, die Art der Begehung oder die Schwere der Folgen über die gewöhnliche Kriminalität heraushebt. Bei schweren Gewaltverbrechen nach Art der hier dargestellten Straftat gibt es daher neben allgemeiner Neugier und Sensationslust ernstzunehmende Gründe für das Interesse an Information darüber, wer die Täter waren, welche Motive sie hatten, was geschehen ist, um sie zu ermitteln und zu bestrafen und um gleichartige Delikte zu verhüten. Dabei wird zunächst der Wunsch nach Kenntnis der reinen Tatsachen im Vordergrund stehen, während mit zunehmendem zeitlichem Abstand das Interesse an einer tiefer greifenden Interpretation der Tat, ihrer Hintergründe und gesellschaftsbedingten Voraussetzungen Bedeutung gewinnt. Nicht zuletzt fällt das legitime demokratische Bedürfnis nach Kontrolle der für die Sicherheit und Ordnung zuständigen Staatsorgane und Behörden, der Strafverfolgungsbehörden und der Strafgerichte maßgebend ins Gewicht. Schließlich bedarf es keiner näheren Darlegung, daß Fernsehsendungen gerade wegen ihrer Reichweite speziell geeignet sind, den dargelegten Informationsansprüchen zu genügen.

3. Wägt man das umschriebene Informationsinteresse an einer entsprechenden Berichterstattung im Fernsehen generell gegen den damit zwangsläufig verbundenen Einbruch in den Persönlichkeitsbereich des Täters ab, so verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im allgemeinen den Vorrang. Wer den Rechtsfrieden bricht, durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen oder Rechtsgüter der Gemeinschaft angreift oder verletzt, muß sich nicht nur den hierfür in der Rechtsordnung verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen. Er muß grundsätzlich auch dulden, daß das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden Gemeinschaft auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird. Im übrigen wirkt die hiermit gewährleistete Kontrolle der Strafverfolgung und des strafgerichtlichen Verfahrens auch zugunsten des Täters.

Freilich gilt dieser Vorrang des Informationsinteresses nicht schrankenlos. Die zentrale verfassungsrechtliche Bedeutung des Persönlichkeitsrechts verlangt neben der Rücksicht auf den unantastbaren innersten Lebensbereich (vgl. BVerfGE 32, 373 [379] mit weiteren Nachweisen) die strikte Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit: Der Einbruch in die persönliche Sphäre darf nicht weiter gehen, als eine angemessene Befriedigung des Informationsinteresses dies erfordert, und die für den Täter entstehenden Nachteile müssen im rechten Verhältnis zur Schwere der Tat oder ihrer sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen. Danach ist eine Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifikation der Täter keineswegs immer zulässig. Dies wird in Fällen sog. kleiner Kriminalität oder bei Jugendlichen von den Kommunikationsorganen in der Praxis überwiegend beachtet (vgl. auch die Empfehlung des Deutschen Presserates vom 16. Februar 1967 zur Abbildung und Namensnennung Jugendlicher, Tätigkeitsbericht 1971, S. 89).

Auch die bis zur rechtskräftigen Verurteilung zugunsten des Angeschuldigten geltende Vermutung seiner Unschuld (vgl. Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – BGBl. 1952 II S. 686) gebietet eine entsprechende Zurückhaltung, mindestens eine angemessene Berücksichtigung der zu seiner Verteidigung vorgetragenen Tatsachen und Argumente. Es versteht sich auch von selbst, daß das Zurücktreten des Persönlichkeitsrechts nur für eine sachbezogene Berichterstattung und seriöse Tatinterpretation gilt, nicht aber für eine auf Sensationen ausgehende, bewußt einseitige oder verfälschende Darstellung; insoweit kann auf die in Schrifttum und Rechtsprechung zu § 23 KUG für die Art und Weise der Darstellung entwickelten Grundsätze verwiesen werden (vgl. v. Gamm, a.a.O., Einf. 115, 120 mit weiteren Nachweisen).

Auf der anderen Seite rechtfertigt die aktuelle Berichterstattung über eine schwere Straftat nicht allein die Namensnennung und Abbildung des Täters, sie schließt grundsätzlich auch sein persönliches Leben ein, soweit es in unmittelbarer Beziehung zur Tat steht, Aufschlüsse über die Motive oder andere Tatvoraussetzungen gibt und für die Bewertung der Schuld des Täters aus der Sicht des modernen Strafrechts als wesentlich erscheint. Wo danach konkret die Grenze für das grundsätzlich vorgehende Informationsinteresse an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, läßt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles entscheiden. Hier erwächst den für die Veranstaltung von Fernsehsendungen zuständigen Gremien und Personen im Hinblick auf die eingangs geschilderte mögliche „Prangerwirkung“ disqualifizierender Darstellungen eine besondere Verantwortung, der sie unter Berücksichtigung der sozialen Machtposition, die den Fernsehanstalten kraft ihrer Monopolstellung und ihres technischen und finanziellen Potentials im Verhältnis zum betroffenen Einzelnen zukommt, entsprechen müssen.

4. Die Ausstrahlungswirkung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit läßt es jedoch nicht zu, daß die Kommunikationsmedien sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus zeitlich unbeschränkt mit der Person eines Straftäters und seiner Privatsphäre befassen. Vielmehr gewinnt nach Befriedigung des aktuellen Informationsinteresses grundsätzlich sein Recht darauf, „allein gelassen zu werden“, zunehmende Bedeutung und setzt dem Wunsch der Massenmedien und einem Bedürfnis des Publikums, seinen individuellen Lebensbereich zum Gegenstand der Erörterung oder gar der Unterhaltung zu machen, Grenzen. Auch der Täter, der durch eine schwere Straftat in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten ist und die allgemeine Mißachtung erweckt hat, bleibt dennoch ein Glied dieser Gemeinschaft mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz seiner Individualität. Hat die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Strafverfolgung und strafgerichtlichen Verurteilung die im Interesse des öffentlichen Wohls gebotene gerechte Reaktion der Gemeinschaft erfahren und ist die Öffentlichkeit hierüber hinreichend informiert worden, so lassen sich darüber hinausgehende fortgesetzte oder wiederholte Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich des Täters in der Regel nicht rechtfertigen; sie würden namentlich bei Fernsehsendungen mit entsprechender Reichweite über den Täter eine erneute soziale Sanktion verhängen.

5. a) Die zeitliche Grenze zwischen der grundsätzlich zulässigen aktuellen Berichterstattung und einer unzulässigen späteren Darstellung oder Erörterung läßt sich nicht allgemein, jedenfalls nicht mit einer nach Monaten und Jahren für alle Fälle fest umrissenen Frist fixieren. Das entscheidende Kriterium liegt darin, ob die betreffende Berichterstattung gegenüber der aktuellen Information eine erhebliche neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken geeignet ist. Demgemäß bildet der Erlaß des letztinstanzlichen Strafurteils oder der Zeitpunkt seiner Rechtskraft keine feste Grenze, zumal da das aktuelle Informationsinteresse auch die zusammenhängende Darstellung der Tat, ihrer Entstehungsursachen und Hintergründe einschließt, die unter Umständen den vollständigen Abschluß des Strafverfahrens und weitere Nachforschungen voraussetzt. Freilich sind auch solche Gesamtdarstellungen und -interpretationen alsbald nach dem Ende des Strafverfahrens oder jedenfalls in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit möglich, wie Presse, Hörfunk und Fernsehen oft bewiesen haben. Der Einwand des ZDF, daß aus organisatorischen und technischen Gründen für eine zuverlässige Darstellung und Interpretation eines Kriminalfalls in einem Dokumentarspiel eine Vorbereitungszeit von mindestens anderthalb bis zwei Jahren erforderlich sei, kann in diesem Zusammenhang nicht entscheidend sein. Nicht die frei gewählte Darstellungsform und ihre technischen, organisatorischen und ästhetischen Gesetzmäßigkeiten bestimmen das Maß des Persönlichkeitsschutzes; dieser kann vielmehr die Wahl der einen oder anderen Darstellungsform ausschließen, wenn bei ihr die Achtung der Persönlichkeit des Dargestellten nicht ausreichend gewährleistet werden kann.

b) Als maßgebender Orientierungspunkt für die nähere Bestimmung der zeitlichen Grenze kommt das Interesse an der Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft, an seiner Resozialisierung, in Betracht. Die Erkenntnis von der Bedeutung dieser Zielsetzung hat sich in den letzten Jahrzehnten im Strafrecht zunehmend durchgesetzt; nach allgemeiner Auffassung wird die Resozialisierung oder Sozialisation als das herausragende Ziel namentlich des Vollzuges von Freiheitsstrafen angesehen (vgl. auch BVerfGE 33, 1 [7 f.]). Dem Gefangenen sollen Fähigkeit und Willen zu verantwortlicher Lebensführung vermittelt werden, er soll es lernen, sich unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft ohne Rechtsbruch zu behaupten, ihre Chancen wahrzunehmen und ihre Risiken zu bestehen. Entsprechend umschreibt § 2 des kürzlich von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Strafvollzugsgesetzes die Aufgabe des Vollzugs von Freiheitsstrafen wie folgt: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Behandlungsziel)“ (BRDrucks. 71/73 S. 8; vgl. auch die Begründung, a.a.O., S. 39, 42 f.). Auch die Stellungnahme des Bundesrates sieht hierin das „vorrangige Ziel des Vollzugs“ (vgl. den Änderungsvorschlag zu § 2 Abs. 2 in BRDrucks. 71/73 [Beschluß] II S. 2 f.).

Ein so verstandener Strafvollzug kann jedoch nur die Grundlage für die Resozialisierung schaffen; das entscheidende Stadium beginnt mit der Entlassung. Nicht nur der Straffällige muß auf die Rückkehr in die freie menschliche Gesellschaft vorbereitet werden; diese muß ihrerseits bereit sein, ihn wieder aufzunehmen.

Verfassungsrechtlich entspricht diese Forderung dem Selbstverständnis einer Gemeinschaft, die die Menschenwürde in den Mittelpunkt ihrer Wertordnung stellt und dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet ist. Als Träger der aus der Menschenwürde folgenden und ihren Schutz gewährleistenden Grundrechte muß der verurteilte Straftäter die Chance erhalten, sich nach Verbüßung seiner Strafe wieder in die Gemeinschaft einzuordnen. Vom Täter aus gesehen erwächst dieses Interesse an der Resozialisierung aus seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG. Von der Gemeinschaft aus betrachtet verlangt das Sozialstaatsprinzip staatliche Vor- und Fürsorge für Gruppen der Gesellschaft, die auf Grund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind; dazu gehören auch die Gefangenen und Entlassenen. Nicht zuletzt dient die Resozialisierung dem Schutz der Gemeinschaft selbst: diese hat ein unmittelbares eigenes Interesse daran, daß der Täter nicht wieder rückfällig wird und erneut seine Mitbürger oder die Gemeinschaft schädigt.

c) Die Durchführung der Resozialisierung erfordert zunächst, durch eine entsprechende Einwirkung auf den Verurteilten die inneren Voraussetzungen für eine spätere straffreie Lebensführung zu schaffen. Wie die Sachverständigen Frau Dr. Einsele und Possehl geschildert haben, ist hierbei für die kriminaltherapeutische Behandlung davon auszugehen, daß es sich bei den zu Freiheitsstrafen Verurteilten vielfach um hochgradig labile, selbstunsichere oder sogar psychisch gestörte Personen handelt. Gerade deren Resozialisierung kann jedoch erst gelingen, wenn auch die äußeren Bedingungen dafür geschaffen werden, daß der Straffällige sich nach seiner Entlassung in die normale freie Gesellschaft eingliedert. Neben einer angemessenen Hilfe von seiten des Staates (vgl. §§ 6 Abs. 1 Satz 2, 67 des genannten Entwurfs und S. 39, 42, 73 der Begründung BRDrucks. 71/73) kommt es namentlich in diesem Stadium auf die Mitwirkung der Gesellschaft an. Dabei genügt es allein noch nicht, daß der Entlassene Unterkunft und Arbeit findet. Nach den Erfahrungen der Praxis scheitert die Resozialisierung selbst bei insoweit günstigen Vorbedingungen und gelungener kriminaltherapeutischer Behandlung in vielen Fällen an der Mißachtung und Ablehnung, mit denen die Umwelt den Entlassenen begegnet. Eine solche Isolierung kann gerade labilen Naturen den Mut zu neuem Anfang nehmen und sie auf den gleichen Weg zurückwerfen, der sie schon einmal in die Kriminalität führte.

d) Daß die Einstellung der Umwelt gegenüber den Entlassenen durch Fernsehberichterstattung über die Tat, namentlich in Form eines Dokumentarspiels ungünstig beeinflußt werden kann, bedarf nach den früheren Ausführungen (s. B IV 1) keiner weiteren Darlegung. Es kommt hinzu, daß die Notwendigkeit, dem Strafentlassenen von seiten der Gesellschaft bei der Wiedereingliederung zu helfen, in weiten Kreisen der Bevölkerung noch nicht hinreichend erkannt und akzeptiert worden ist. Die von der konkreten Fernsehsendung ausgehende nachteilige Wirkung wird insoweit durch die vorhandene allgemeine Abwehrhaltung gegenüber Strafentlassenen verstärkt. Zugleich kann eine solche Sendung auch beim Täter selbst die im Strafvollzug vielleicht mühsam erreichte innere Stabilisierung zerstören oder in Frage stellen: Die erneute bildhafte Konfrontation mit der Tat wirft ihn gewissermaßen auf den Stand zur Tatzeit zurück und gibt ihm die entmutigende Überzeugung, daß die Umwelt ihn trotz aller seiner Bemühungen noch immer als den Täter von damals ansieht. Von dieser Erkenntnis ausgehend, hat der Deutsche Presserat auf Anregung des Bundespräsidenten am 28. September 1971 empfohlen,

„im Interesse der schnellen und unbehinderten Resozialisierung von Strafgefangenen keine Namen oder nähere Hinweise zu veröffentlichen, die Rückschlüsse auf entlassene Häftlinge, ihre Familien oder den Entlassungsort zulassen“. (Tätigkeitsbericht 1971, S. 102).

e) Insgesamt ist somit eine wiederholte, nicht mehr durch das aktuelle Informationsinteresse gedeckte Fernsehberichterstattung über eine schwere Straftat jedenfalls dann unzulässig, wenn sie die Resozialisierung des Täters gefährdet. Die für die soziale Existenz des Täters lebenswichtige Chance, sich in die freie Gesellschaft wieder einzugliedern, und das Interesse der Gemeinschaft an seiner Resozialisierung gehen grundsätzlich dem Interesse an einer weiteren Erörterung der Tat vor. Ob und wieweit hier Ausnahmen denkbar sind, etwa bei einem überragenden historischen Interesse, bei wissenschaftlichen oder anderen Sendungen, die sich nur an einen begrenzten Zuschauerkreis wenden, bedarf keiner Prüfung, weil diese Voraussetzungen hier fehlen. Allgemein gilt: Je mehr eine Sendung das Typische einer Straftat zum Gegenstand hat, um so weniger wird sie einer Identifizierung der Täter bedürfen.

Eine Gefährdung der Resozialisierung ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine den Täter identifizierende Sendung nach seiner Entlassung oder in zeitlicher Nähe zu der bevorstehenden Entlassung ausgestrahlt werden soll. Hierfür ist zu berücksichtigen, daß eine zeitige Freiheitsstrafe schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit unter den in § 26 Abs. 2 StGB geregelten Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden kann und nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit unter den in § 26 Abs. 1 StGB geregelten Voraussetzungen auszusetzen ist.
V.

Bei einer Prüfung nach den entwickelten verfassungsrechtlichen Kriterien können die angefochtenen Entscheidungen keinen Bestand haben.

1. Das Landgericht hat die Güterabwägung zwischen dem Interesse des Beschwerdeführers und dem Interesse des ZDF allein an den §§ 22, 23 KUG orientiert, ohne die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG und aus Art. 5 Abs. 1 GG zu erkennen.

Das Oberlandesgericht hat zwar erkannt, daß hier ein Konflikt zwischen der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG und dem Persönlichkeitsschutz nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 GG besteht, und hat bei der im Rahmen des § 23 KUG vorgenommenen Abwägung zwischen dem Recht am eigenen Bild und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit die Ausstrahlungswirkung dieser Grundrechtsnormen berücksichtigt. Bei der Lösung des aufgezeigten Konflikts hat es jedoch die aus den allgemeinen Verfassungsnormen für Fälle der vorliegenden Art abzuleitenden, freilich bisher verfassungsgerichtlich nicht näher bestimmten Kriterien nicht richtig angewandt, vor allem dem Resozialisierungsinteresse nicht den ihm aus verfassungsrechtlicher Sicht gebührenden Rang eingeräumt.

2. Eine Beurteilung, welche die Einwirkung der hier maßgebenden Grundrechte auf das einfache Recht hinreichend zur Geltung kommen läßt, führt zu dem Ergebnis, daß dem Antrag des Beschwerdeführers im Ausgangsverfahren stattzugeben ist.

Zwar ist für die Abwägung zwischen dem durch die Rundfunkfreiheit verstärkten Recht des ZDF auf Darstellung von Vorgängen der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auf der einen Seite, dem durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde verstärkten Interesse des Beschwerdeführers an der Verhinderung der Darstellung auf der anderen Seite mit den angefochtenen Entscheidungen davon auszugehen, daß die Besonderheit der dargestellten Straftat – der Angriff auf eine Einrichtung der Bundeswehr, die abscheuerregende Ausführung und die Zahl der Opfer, die ungewöhnliche, weithin unverständliche Motivation – ein starkes Interesse der Bevölkerung an näherer Unterrichtung und Aufklärung erregt hat. Es ist weiter zu berücksichtigen, daß das streitige Dokumentarspiel sich um eine möglichst wirklichkeitsgetreue Darstellung bemüht und auch die Schilderung der Beziehung zwischen den Tätern nicht anstößig ist.

Dennoch würde die Ausstrahlung des Spiels aus den oben (B IV 1)* erwähnten Gründen wegen der Reichweite der Sendung, der gewählten Form des Dokumentarspiels und der zu erwartenden Wirkung einen Eingriff von hoher Intensität in das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers bedeuten. Soweit das ZDF demgegenüber geltend gemacht hat, das Spiel solle neben anderen Zwecken auch dazu dienen, Verständnis für den Beschwerdeführer zu wecken, haben schon die Gerichte des Ausgangsverfahrens diesen Vortrag als unbeachtlich angesehen; denn das Spiel läßt nach Inhalt und Gestaltung keine derartige Tendenz erkennen. Die gewählte Interpretation der Tat unter dem Gesichtspunkt der homosexuellen Gruppenbildung hat, wie die Sachverständigen Professor Lüscher und Possehl ausgeführt haben, eher die gegenteilige Wirkung, insofern sie den Eindruck erweckt, die Tat sei im Grunde dem Beschwerdeführer nicht wesentlich weniger zuzurechnen als den Haupttätern, er habe sich nur aus Feigheit bei der Ausführung im Hintergrund gehalten, dafür aber die anderen durch aggressive Reden in ihrem Vorhaben bestärkt. Das entspricht nicht der Beurteilung des Schwurgerichts, das den Tatbeitrag des Beschwerdeführers wesentlich geringer bewertet hat als den der Haupttäter.

Dieser schwere Eingriff in den Persönlichkeitsbereich des Beschwerdeführers ist nicht durch das grundsätzlich vorrangige Interesse an der aktuellen Berichterstattung über die Straftat zu rechtfertigen. Diesem Interesse ist durch die ausgiebige Unterrichtung der Öffentlichkeit in allen Medien unmittelbar nach der Entdeckung der Tat, während der Fahndung und vor allem während des Strafprozesses Genüge getan. Im Verhältnis dazu wirkt die nicht mehr im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Strafverfahren stehende Darstellung in einem Dokumentarspiel als eine neue Beeinträchtigung des Persönlichkeitsschutzes des Beschwerdeführers, wobei es keinen Unterschied macht, ob man mit dem Oberlandesgericht den Zeitpunkt der Entscheidung im Ausgangsverfahren, den jetzigen Zeitpunkt oder den ursprünglich vorgesehenen Sendetermin im Juni 1972 als maßgebend ansieht.

Dieser neue Eingriff ist nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. Einsele, des Anstaltspsychologen Possehl, der von ihm mitgeteilten Ansicht der zuständigen Strafanstaltskonferenz sowie nach der Auskunft der Landesregierung von Rheinland-Pfalz geeignet, die Resozialisierung des Beschwerdeführers schwer zu gefährden; die Sendung würde in erster Linie die Einstellung der Umwelt gegenüber dem Beschwerdeführer, aber auch seine innere Stabilisierung nachteilig beeinflussen. Die für eine solche Einwirkung erforderliche zeitliche Nähe der erneuten Darstellung zu der bevorstehenden Entlassung wäre in jedem Fall gegeben, gleichgültig, welchen der genannten Zeitpunkte man zugrunde legt. Wenn das ZDF mit der Anregung, weitere Sachverständige zur persönlichkeitsdiagnostischen Beurteilung des Beschwerdeführers zu hören, offenbar das Gelingen einer Resozialisierung überhaupt, insbesondere die Resozialisierungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Zweifel ziehen will, so ist demgegenüber darauf hinzuweisen, daß es nicht Aufgabe des zivilgerichtlichen oder verfassungsgerichtlichen Verfahrens sein kann, die Beurteilung des in erster Linie kompetenten Strafgerichts und der für den Vollzug der verhängten Strafe zuständigen Behörden durch eigene Prognosen zu ersetzen. Zudem hängt das Gelingen einer Resozialisierung stets von dem niemals mit letzter Sicherheit vorauszusehenden Zusammenwirken verschiedener Faktoren ab. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung kommt es allein darauf an, daß die nach dem Urteil der zuständigen Stellen durchaus gegebene Chance des Beschwerdeführers, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern, erhalten bleibt.

Demgegenüber kann entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts der Schwere der Schuld des Täters kein entscheidender Einfluß zugemessen werden. Es widerspricht dem Resozialisierungsgedanken, die Bewertung des Interesses an der Wiedereingliederung eines – resozialisierungsfähigen – Straftäters von dem Ausmaß seiner Schuld an der Straftat abhängig zu machen. Ebensowenig kann entgegen der Auffassung des ZDF und des Oberlandesgerichts maßgebend sein, daß der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung in seine Heimatstadt zurückkehren will, wo Tat und Täter ohnehin, namentlich durch die frühere Berichterstattung, bekannt sind. Zum einen liegt es auf der Hand, daß das geplante Dokumentarspiel – wie auch das Oberlandesgericht erwähnt – gerade in diesem Bereich auf das besondere Interesse der Bevölkerung stoßen würde. Zum anderen macht es einen wesentlichen Unterschied, ob noch eine mehr oder weniger allgemeine Erinnerung an die inzwischen bereits vier Jahre zurückliegenden Vorgänge besteht oder ob durch eine bildhafte Darstellung der vorliegenden Art die schreckliche Tat erneut eindringlich vor Augen geführt wird und der frische Eindruck die entsprechenden verständlichen Reaktionen der Zuschauer hervorruft. Insoweit ist nicht allein die gewählte Sendeform des Dokumentarspiels, sondern darüber hinaus die Interpretation der Tat aus dem Gesichtspunkt der homosexuellen Gruppenbildung erheblich. Schon das Oberlandesgericht hat hervorgehoben, daß das Spiel den Aspekt der Homosexualität weit stärker betont, als dies im Urteil des Schwurgerichts zum Ausdruck kommt. Dies wird nicht allein durch entsprechende Andeutungen bei einzelnen Szenen bewirkt, vielmehr wird die Aufmerksamkeit des Zuschauers noch besonders durch den einleitenden Kommentar zu Beginn der Sendung und später durch wiederholte, die Handlung unterbrechende Hinweise gerade auf diesen Aspekt als behauptete Ursache der Isolierung der Täter gelenkt. Von dieser Art der Darstellung ist eine besondere Erschwerung der Resozialisierung zu befürchten. Dies folgt nicht nur aus den allgemeinen nachteiligen Wirkungen, die sich angesichts der bekannten Einstellung der Bevölkerung gegen Homosexuelle durch eine solche zusätzliche Kennzeichnung des Beschwerdeführers als Außenseiter der Gesellschaft ergeben würden. In der Situation des Beschwerdeführers kann die Verbindung mit einem weiblichen Lebenspartner einen entscheidenden Faktor für das Gelingen seiner Wiedereingliederung bilden. Nach der Beurteilung durch das Schwurgericht, das sich hierfür auf das Gutachten von Sachverständigen gestützt hat, und nach Ansicht des Sachverständigen Possehl ist nach der Veranlagung des Beschwerdeführers eine solche günstige Entwicklung durchaus möglich; sie könnte ihm aber endgültig versperrt werden, wenn er durch die Ausstrahlung des Dokumentarspiels als Homosexueller abgestempelt würde.

Ein überragendes Interesse der Meinungsbildung, das ausnahmsweise eine so schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich (vgl. dazu auch BVerfGE 7, 198 [211 f.] – Lüth -; 12, 113 [126 ff.] – Schmid-Spiegel -; 25, 256 [264] – Blinkfüer -; BGHZ 45, 296 [308] – Höllenfeuer -; BGH, NJW 1965, S. 1476 [1477] – Glanzlose Existenz -). Das vom ZDF nach seiner Erklärung verfolgte Ziel, die Bevölkerung über die Wirksamkeit der Strafverfolgung, über die von der Bundeswehr getroffenen Sicherungsmaßnahmen und andere aus der Tat gezogene Konsequenzen aufzuklären, kann auch ohne eine den Beschwerdeführer identifizierende Darstellung verfolgt werden. Ob solche Sendungen im allgemeinen und dieses Dokumentarspiel im besonderen überhaupt eine abschreckende Wirkung auf potentielle Täter haben können, läßt sich nach den übereinstimmenden Aussagen der Sachverständigen bezweifeln; selbst wenn dies zu bejahen wäre, könnte eine solche ungewisse Möglichkeit die sichere schwere Gefährdung der sozialen Existenz des Beschwerdeführers und die daraus auch für die Allgemeinheit erwachsenden Nachteile nicht aufwiegen. Das gleiche gilt für die vom ZDF weiter herangezogenen Ziele einer Stärkung der öffentlichen Moral und sozialen Verantwortung. Es bestand daher auch unter diesen Gesichtspunkten keine Veranlassung, weitere Beweise zu erheben.

Im Ergebnis muß somit bei einer an den Wertvorstellungen der Verfassung orientierten Auslegung des § 23 KUG dem Interesse des Beschwerdeführers, die Ausstrahlung des Dokumentarspiels zu verhindern, der Vorrang zukommen. Diesem Interesse würde nicht genügt, wenn entsprechend der Auffassung der Bundesregierung nur eine Ausstrahlung untersagt würde, soweit das Spiel den Beschwerdeführer im Bilde zeigt und seinen Namen nennt. Auch wenn dies entfiele, würde die verbleibende Darstellung den Beschwerdeführer hinreichend erkennbar machen, um die zu befürchtenden nachteiligen Folgen für seine Resozialisierung auszulösen; der Reiz, das Geheimnis zu entschlüsseln, könnte sogar in dem maßgebenden lokalen Bereich das Interesse der Zuschauer in besonderem Maß auf den Beschwerdeführer lenken.

Da nach den vorstehenden Ausführungen die Darstellung des Beschwerdeführers in dem streitigen Dokumentarspiel schon zu beanstanden ist, soweit sie den weiteren, eine Beschränkung nicht von vornherein ausschließenden Bereich privater Lebensgestaltung betrifft (vgl. oben B II 1), bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob einzelne Szenen, etwa über die Familienbeziehungen des Beschwerdeführers oder sein Verhältnis zu den Haupttätern, den unantastbaren innersten Lebensbereich berühren.

3. Es mag dahingestellt bleiben, ob dem in Rede stehenden Dokumentarspiel, das ein tatsächliches Geschehen wirklichkeitsgetreu nachvollziehen will, der Charakter eines Werkes der Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GG zuerkannt werden könnte. Auch bei Anwendung dieser Verfassungsnorm wäre zu beachten, daß die Freiheit der Kunst, obwohl die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG für sie nicht gelten, dem in Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Persönlichkeitsschutz nicht übergeordnet ist (vgl. BVerfGE 30, 173 [193 ff.] – Mephisto -).
VI.

Die angefochtenen Entscheidungen verletzen daher die Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG und sind nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Dabei würde es der Besonderheit des Falles nicht entsprechen, die Sache zu erneuter Entscheidung an eines der im zivilgerichtlichen Verfahren zuständigen Gerichte zurückzuverweisen. Denn bei Anwendung der verfassungsrechtlichen Kriterien unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht erhobenen Beweise besteht kein Spielraum mehr für die richterliche Entscheidung; vielmehr muß der Antrag des Beschwerdeführers in vollem Umfang Erfolg haben. Bei einer Zurückverweisung könnten die Gerichte des Ausgangsverfahrens somit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur wiederholen. Dies erscheint als wenig sinnvoll, zumal da das Interesse des Beschwerdeführers einen schnellen Abschluß des Ausgangsverfahrens verlangt, um die durch dieses Verfahren und das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ohnehin hervorgerufene Publizität in Grenzen zu halten; auch das ZDF ist an einer baldigen Entscheidung im Ausgangsverfahren interessiert. Im übrigen kann es verfassungsrechtlich keinen entscheidenden Unterschied machen, ob die zu beseitigende Verfassungsverletzung wie hier darin liegt, daß dem Begehren des Beschwerdeführers auf Erlaß eines gegen Dritte gerichteten Hoheitsaktes nicht stattgegeben wurde, oder darin, daß ein gegen den Beschwerdeführer selbst gerichteter Hoheitsakt erlassen worden ist. In Fällen der letzteren Art hat das Bundesverfassungsgericht nicht selten durch Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und etwaiger ihnen zugrunde liegender Verwaltungsakte abschließend in der Sache entschieden und das Verfahren nur wegen der Kostenentscheidung zurückverwiesen (vgl. BVerfGE 6, 386 [389]; 13, 331 [355]; 19, 101 [103 f.]; 21, 160 [163]). Entsprechend war auch hier zu verfahren und die beantragte einstweilige Verfügung vom Bundesverfassungsgericht selbst zu erlassen. Für das weitere Verfahren einschließlich der Vollstreckung steht diese einstweilige Verfügung einer vom Oberlandesgericht erlassenen einstweiligen Verfügung gleich. Die Sache wird daher lediglich zur Entscheidung über die Kosten des Ausgangsverfahrens an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beruht auf § 34 Abs. 4 BVerfGG. Erstattungspflichtig ist das Land Rheinland- Pfalz, dem die vom Beschwerdeführer erfolgreich gerügte Grundrechtsverletzung zuzurechnen ist.
Benda, Ritterspach, Dr. Haager, Rupp-v. Brünneck, Dr. Böhmer, Dr. Faller, Dr. Brox, Dr. Simon

Via www.servat.unibe.ch.
Tags: Identifizierende Berichterstattung, Programmfreiheit, Recht Am Eigenen Bild, Rundfunkfreiheit, Straftäter
Weitere Fundstellen: BVerfGE 35, 202.
Link zu dieser Entscheidung: http://tlmd.in/u/90
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BVerfG: Lebach
BVerfG, Urteil v. 05.06.1973, Az. 1 BvR 536/72, Link: http://tlmd.in/u/90
Leitsätze des Gerichts
1. Eine Rundfunk- oder Fernsehanstalt kann sich grundsätzlich für jede Sendung zunächst auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Die Rundfunkfreiheit deckt sowohl die Auswahl des dargebotenen Stoffes als auch die Entscheidung über die Art und Weise der Darstellung einschließlich der gewählten Form der Sendung.

Erst wenn die Rundfunkfreiheit mit anderen Rechtsgütern in Konflikt gerät, kann es auf das mit der konkreten Sendung verfolgte Interesse, die Art und Weise der Gestaltung und die erzielte oder voraussehbare Wirkung ankommen.

2. Die Vorschriften des §§ 22, 23 KunstUrhG bieten ausreichenden Raum für eine Interessenabwägung, die der Ausstrahlungswirkung der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einerseits, des Persönlichkeitsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG andererseits Rechnung trägt.

Hierbei kann keiner der beiden Verfassungswerte einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen. Im Einzelfall ist die Intensität des Eingriffes in den Persönlichkeitsbereich gegen das Informationsinteresse der öffentlichkeit abzuwägen.

3. Für die aktuelle Berichterstattung über schwere Straftaten verdient das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im allgemeinen den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz des Straftäters. Jedoch ist neben der Rücksicht auf den unantastbaren innersten Lebensbereich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten; danach ist eine Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifikation des Täters nicht immer zulässig. Der verfassungsrechtliche Schutz der Persönlichkeit läßt es jedoch nicht zu, daß das Fernsehen sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus etwa in Form eines Dokumentarspiels zeitlich unbeschränkt mit der Person eines Straftäters und seiner Privatsphäre befaßt.

Eine spätere Berichterstattung ist jedenfalls unzulässig, wenn sie geeignet ist, gegenüber der aktuellen Information eine erheblich neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken, insbesondere seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft (Resozialisierung) zu gefährden. Eine Gefährdung der Resozialisierung ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine den Täter identifizierende Sendung über eine schwere Straftat nach seiner Entlassung oder in zeitlicher Nähe zu der bevorstehenden Entlassung ausgestrahlt wird.

Fundstelle in der Entscheidungssammlung: 35, 202
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 1 BvR 536/72

Verkündet am: 05.06.1973

Urteil

des Ersten Senats vom 5. Juni 1973 auf die mündliche Verhandlung vom 2. und 3. Mai 1973
— 1 BvR 536/72 —

in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn W… … gegen a) das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. Oktober 1972 – 9 U 552/72 -, b) das Urteil des Landgerichts Mainz vom 8. Juni 1972 – 1 O 128/72 -.
Entscheidungsformel:

1. Die Urteile des Landgerichts Mainz vom 8. Juni 1972 – 1 O 128/72 – und des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. Oktober 1972 – 9 U 552/72 – verletzen die Grundrechte des Beschwerdeführers aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben.

2. Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Anstalt Zweites Deutsches Fernsehen, Mainz, unter Androhung einer im Falle der Zuwiderhandlung festzusetzenden Geldstrafe in unbeschränkter Höhe untersagt, das Dokumentarspiel „Der Soldatenmord von Lebach“ bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage zur Hauptsache auszustrahlen, soweit darin die Person des Antragstellers und Beschwerdeführers namentlich erwähnt oder dargestellt wird.
Zur Entscheidung über die Kosten in dem Verfahren der einstweiligen Verfügung wird die Sache an das Oberlandesgericht Koblenz zurückverwiesen.

3. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu erstatten.

Gründe:

A.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung eines Antrags des Beschwerdeführers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung durch zivilgerichtliche Entscheidungen. Durch die begehrte einstweilige Verfügung sollte dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) untersagt werden, ein von ihm produziertes Dokumentarspiel auszustrahlen, soweit darin der Beschwerdeführer dargestellt oder sein Name erwähnt wird.
I.

Der 1945 geborene Beschwerdeführer war an einer schweren Straftat, dem sog. Soldatenmord von Lebach, beteiligt, die Gegenstand eines Schwurgerichtsverfahrens war. Die beiden Haupttäter waren untereinander und mit dem Beschwerdeführer befreundet, wobei die Beziehungen zum Teil eine homosexuelle Komponente hatten. Die drei jungen Männer strebten die Gründung einer Lebensgemeinschaft außerhalb der von ihnen abgelehnten Gesellschaft an. Sie planten einen Überfall auf ein Munitionsdepot der Bundeswehr, um Waffen zu erbeuten, mit deren Hilfe sie sich durch weitere Straftaten die Mittel zur Verwirklichung des erträumten Lebens auf einer Hochseeyacht in der Südsee verschaffen wollten. Im Januar 1969 führten die beiden Haupttäter den Überfall aus; sie töteten hierbei vier schlafende Soldaten der Wachmannschaft, verletzten einen weiteren schwer und entwendeten Waffen und Munition. Später versuchten sie, unter Hinweis auf diese Tat einen Finanzmakler zu erpressen. Der Beschwerdeführer hatte bei den Planungen der Freundesgruppe immer wieder erklärt, er sei zur Tatausführung nicht imstande; daher hatte er bei dem Überfall nicht mitgewirkt.

Das Schwurgericht verurteilte am 7. August 1970 die beiden Haupttäter zu lebenslangen Freiheitsstrafen, den Beschwerdeführer wegen Beihilfe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren. Es sah eine strafbare Beihilfe des Beschwerdeführers zu den Tötungsdelikten darin, daß er einem der Haupttäter die Handhabung der Pistole erläutert hatte, die dieser später bei dem Überfall benutzte, eine Beihilfe zur versuchten Erpressung in der Billigung des an den Finanzmakler gesandten Briefes. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Schwurgericht zugunsten des bis dahin nicht vorbestraften Beschwerdeführers, daß er eher Mitläufer als treibende Kraft des Unternehmens und sein Tatbeitrag wie das Maß seiner Schuld im Verhältnis zu den Haupttätern gering gewesen sei; er habe durch Bekanntgabe des Waffenverstecks wesentlich zur Aufklärung des Verbrechens beigetragen, sei in vielen Punkten geständig gewesen und bereue offensichtlich sein eigenes Unrecht und das gesamte Tatgeschehen. Auch ergäben sich aus seinem Vorleben, seiner unselbständigen, gehemmten Persönlichkeit und der irrational begründeten gefühlsbestimmten Abhängigkeit von einem der Haupttäter Milderungsgründe. Die Strafe sei in der verhängten Höhe notwendig, um im günstigen Sinne auf ihn einzuwirken, und geeignet, ihn von künftigen Rechtsbrüchen abzuhalten.

Der Beschwerdeführer hat inzwischen fast zwei Drittel seiner Strafe verbüßt; die Vollstreckung der Reststrafe wird voraussichtlich im Juli dieses Jahres gemäß § 26 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Er beabsichtigt, in seine Heimatstadt zurückzukehren.
II.

1. Das Gewaltverbrechen von Lebach erregte in der deutschen Öffentlichkeit ungewöhnliches Aufsehen, zumal da die Fahndung nach den Tätern sich mehrere Monate hinzog. Über die Tat, die umfangreichen Fahndungsmaßnahmen und über das Strafverfahren wurde in Presse, Hörfunk und Fernsehen eingehend berichtet.

Noch vor dem rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens erschien ein von dem Leiter der Hauptabteilung Dokumentarspiel des ZDF Jürgen Neven-du Mont und dem Leitenden Kriminaldirektor beim Bundeskriminalamt Karl Schütz unter Mitarbeit von Rainer Söhnlein verfaßtes Buch über den Fall.

Neven-du Mont und Söhnlein verfaßten ferner für das ZDF das Drehbuch für ein Dokumentar-Fernsehspiel „Der Soldatenmord von Lebach“, das unter der Regie von Söhnlein produziert und im Frühjahr 1972 fertiggestellt wurde. Nach dem vom Oberlandesgericht festgestellten – unstreitigen – Sachverhalt soll das Spiel im Programm des ZDF voraussichtlich an einem Freitagabend als zweiteilige, von Kurznachrichten unterbrochene Sendung in einer Gesamtdauer von 2 Stunden und 40 Minuten ausgestrahlt werden. Der erste Teil des Spiels stellt die Beziehungen innerhalb der Freundesgruppe, die Planung des Überfalls und seine Ausführung dar. Der zweite Teil behandelt vor allem die Fahndung und Ermittlung der Täter, ferner den Erpressungsversuch. Der Beschwerdeführer wird ebenso wie die Haupttäter eingangs im Bilde vorgeführt, sodann von einem Schauspieler dargestellt. Sein Name wird während des ganzen Spiels immer wieder genannt.

2. Der Beschwerdeführer sieht in der geplanten Ausstrahlung des Fernsehspiels eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts, seines Namensrechts und seines Rechts am eigenen Bild. Sein Antrag, im Wege einstweiliger Verfügung dem ZDF die Ausstrahlung des Spiels zu verbieten, soweit darin seine Person dargestellt oder namentlich erwähnt werde, wurde vom Landgericht und vom Oberlandesgericht durch die angefochtenen Entscheidungen abgelehnt. Beide Urteile sind auf §§ 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes vom 9. Januar 1907 (KUG) gestützt.

a) Das Landgericht hat ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch seine Beteiligung an der Straftat für einen begrenzten Zeitraum als „relative Person der Zeitgeschichte“ anzusehen. Die Tat sei besonders durch die Gruppenbildung von grundsätzlicher gesellschaftspolitischer Bedeutung und habe ein starkes Interesse der Öffentlichkeit an den psychologischen und soziologischen Hintergründen erregt. Als Mitglied der Tätergruppe müsse der Beschwerdeführer die Fortsetzung der öffentlichen Erörterung auch in der Einkleidung in eine Filmhandlung dulden, ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht seinem Tatbeitrag zukomme. Da die Geschehnisse bereits bekannt seien und das Spiel nach dem Vortrag des ZDF ohne Entstellung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers den wirklichen Fall dokumentarisch einwandfrei darstelle, sei ein wesentlicher zusätzlicher Eingriff in seine Privatsphäre oder eine Gefährdung seiner Resozialisierung nicht zu befürchten.

b) Das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts vom 5. Oktober 1972 (NJW 1973, S. 251 = JZ 1973, S. 279) ist im wesentlichen wie folgt begründet: Im vorliegenden Fall sei eine Güterabwägung vorzunehmen zwischen dem Recht am eigenen Bild im Sinne von §§ 22 und 23 KUG, das als besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter den Wertvorstellungen der Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zu sehen sei, und dem Bedürfnis nach sachgerechter bildmäßiger Information über im öffentlichen Interesse stehende Personen, das in § 23 KUG anerkannt und im Hinblick auf die in Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit und Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk auszulegen sei. Aus der letztgenannten Verfassungsnorm ergebe sich das Recht des Fernsehens zur Berichterstattung über Strafverfahren. Trotz des auch dem Schwerverbrecher zuzuerkennenden Persönlichkeitsbereichs und der hohen Bedeutung der Resozialisierung gelte dies gerade für bereits abgeschlossene Strafverfahren, da in diesem Stadium keine Nachteile für die Verteidigung des Beschuldigten zu besorgen seien und erhöhte Gewähr für eine umfassende und sachgerechte Berichterstattung bestehe.

Der Beschwerdeführer sei durch seine erhebliche Verstrickung in die Tat insoweit relative Person der Zeitgeschichte geworden und sei dies auch noch im Zeitpunkt des Erlasses des Berufungsurteils. Für diese Frage komme es entscheidend darauf an, daß nach der Überzeugung des Gerichts noch ein nicht unerhebliches Interesse der Bevölkerung an dem Tatgeschehen und der Person des Beschwerdeführers bestehe. Der Überfall nehme im Bewußtsein der meisten Bürger der Bundesrepublik eine Sonderstellung ein. Eine wahrheitsgemäße, sachgerechte Unterrichtung darüber sei aber nicht denkbar, wenn man bei der Darstellung der einzelnen Vorgänge die Person des Beschwerdeführers auslasse.

Berechtigte Interessen des Beschwerdeführers im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG stünden dem Vorhaben des ZDF nicht entgegen. Der Gesichtspunkt der Resozialisierung könne nicht abstrakt der Freiheit der Massenmedien gemäß Art. 5 Abs. 1 GG entgegengehalten, sondern nur bei der konkreten Interessenabwägung berücksichtigt werden. Danach verdiene hier das Recht zur Information über Angelegenheiten öffentlichen Interesses auch dann den Vorrang, wenn mit einer vorzeitigen Entlassung des Beschwerdeführers im Juli 1973 zu rechnen sei. Die bei Darstellungen in Form von Dokumentarspielen aus dramaturgischen Gründen mögliche Gefahr einer verfälschten Wiedergabe sei vermieden. Die an sich aus der Massenwirkung von Fernsehsendungen folgende Intensität des Eingriffs in den Persönlichkeitsbereich sei dadurch gemindert, daß die Bevölkerung in der Heimatstadt des Beschwerdeführers mit der Tat und der Person des Täters wesentlich vertrauter sei als der Durchschnitt der anderen Fernsehzuschauer. Zwar halte es das Gericht für ausgeschlossen, daß die Sendung die Resozialisierung des Beschwerdeführers, der seine eigene Schuld erkannt habe und fest entschlossen sei, in Zukunft ein straffreies Leben zu führen, erleichtern werde. Vielmehr werde sie möglicherweise, wenn nicht sogar wahrscheinlich, die Resozialisierung erschweren. Dies müsse der Beschwerdeführer jedoch in Kauf nehmen und damit etwaige Nachteile tragen, die in unserem Staat angesichts der im Grundgesetz gewährleisteten Freiheit der Massenmedien insbesondere denen zugemutet würden, die im öffentlichen Interesse stünden. Dieses Interesse der Allgemeinheit beruhe nicht auf Zufall, sondern auf schwerwiegender menschlicher Schuld auch des Beschwerdeführers.
III.

1. Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die angefochtenen Entscheidungen verletzten ihn in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, und begründet dies wie folgt:

Das Oberlandesgericht lasse die Zeichnung eines Lebensbildes des Beschwerdeführers zu, die selbst auf den persönlichsten Intimbereich keine Rücksicht nehme, ihn in beschämender, erniedrigender Weise bloßstelle und ein Klima schaffe, das es dem Beschwerdeführer unmöglich mache, in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen. Das Menschenbild des Grundgesetzes lasse keinen Raum für die Auffassung, Straftäter müßten noch nach Verbüßung der von Rechts wegen über sie verhängten Strafe eine zusätzliche Deklassierung derart hinnehmen, daß sie vor Millionen von Fernsehzuschauern an einen „modernen Pranger“ gestellt werden dürften. Das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Wahrheitsfindung im Prozeß und an der Wiederherstellung des Rechtsfriedens sei spätestens mit der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers oder jedenfalls im engen zeitlichen Zusammenhang damit entfallen. Eine wahrheitsgemäße sachgerechte Unterrichtung über die Tat sei auch ohne Einbeziehung des Beschwerdeführers denkbar. Zudem tauche in dem Film nirgends die eigentliche Beihilfehandlung auf, derentwegen er verurteilt worden sei, nämlich das Erklären der Pistole. Die Sicht des Films, das gesamte Geschehen aus einem Punkt, nämlich der homosexuellen Veranlagung der Täter, zu erklären, verfälsche die komplexe Tat, putsche bestehende Vorurteile auf und zeige zugleich, daß es dem Film in erster Linie auf die Befriedigung der Sensationslust ankomme.

2. Der Bundesminister der Justiz hat namens der Bundesregierung wie folgt Stellung genommen:

Bei der Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Straftäters mit der Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung seien die Umstände des Einzelfalls entscheidend, wobei auch dem Gedanken der Resozialisierung ein hoher Wert zuzumessen sei. Hier trage die zusammenfassende Darstellung des Verbrechens als solchem einschließlich seiner weit zurückreichenden Vorgeschichte in Form eines Dokumentarspiels auch noch längere Zeit nach Rechtskraft des Strafurteils einem legitimen Informationsbedürfnis Rechnung. Jedoch sei bei einem Straftäter, der nur relative Person der Zeitgeschichte sei, ein vorrangiges Publikationsinteresse an der Namensnennung und der persönlichen Darstellung nur für eine beschränkte Zeit nach Rechtskraft des Straferkenntnisses anzuerkennen. Bei einem Dokumentarspiel, das wie das vorliegende eine sehr eingreifende Darstellung des Persönlichkeitsbildes des Straftäters enthalte und eine große öffentliche Resonanz hervorrufen werde, gelte dies unter Berücksichtigung der notwendigen Vorbereitungsarbeiten nur für einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten. Ein zeitlich weiter reichendes Publikationsinteresse könne im Einzelfall gegeben sein, bedürfe aber eines eindeutigen sachlichen Nachweises, der etwa aus einer – hier fehlenden – anhaltenden öffentlichen Erörterung der Straftat in den anderen Massenkommunikationsmitteln, aber auch aus neu hinzutretenden Ereignissen herzuleiten sei, welche die Tat in einem neuen Licht erscheinen ließen.

Der Beschwerdeführer müsse danach auch heute noch die Darstellung des Überfalls und seiner Vorgeschichte dulden, dagegen nicht mehr das Zeigen seines Bildes und die Nennung seines Namens. Ein vollständiges Ausstrahlungsverbot lasse sich auch unter Berücksichtigung des Resozialisierungsgesichtspunkts nicht begründen. Das insoweit für die Abwägung maßgebende allgemeine Persönlichkeitsrecht habe nicht primär die Funktion, die Resozialisierung zu ermöglichen. Zudem seien die mit der Resozialisierung des Beschwerdeführers zusammenhängenden Probleme allzusehr mit seinen besonderen persönlichen Verhältnissen und der Rückkehr in seine Heimatstadt verbunden.

3. Das Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz hat namens der Landesregierung nach Anhörung örtlicher Behörden zu der Frage Stellung genommen, wie sich die Sendung des Dokumentarspiels auf die Einstellung der Einwohner der Heimatstadt des Beschwerdeführers und auf die Resozialisierung des Beschwerdeführers voraussichtlich auswirken würde. Danach stoße in der Heimatstadt des Beschwerdeführers ein Mann mit homosexueller Veranlagung auf allgemeine Ablehnung und Verachtung der Bürger. Werde der Beschwerdeführer auf Grund des Dokumentarspiels als Homosexueller abgestempelt, so werde dies zu seiner völligen gesellschaftlichen Isolierung nach seiner Entlassung führen. Insbesondere werde seine Eingliederung ins Arbeitsleben behindert und der beabsichtigte Anschluß an Sport- und Musikgruppen unmöglich. Insgesamt würde die Ausstrahlung des Spiels die Resozialisierung des Beschwerdeführers zumindest wesentlich erschweren und eine lang andauernde Prangerwirkung für ihn und seine Familienangehörigen nach sich ziehen.

4. Das ZDF hält die Verfassungsbeschwerde für offensichtlich unbegründet und führt hierzu aus:

Eine Fernsehanstalt wie das ZDF sei in besonderem Maße legitimiert, das berechtigte Interesse der Allgemeinheit an sachgerechter, umfassender Information über ein Ereignis der Zeitgeschichte, wie es der Lebach-Fall sei, durch eine dokumentarische Darstellung zu befriedigen. Entsprechend der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des ZDF wolle die Sendung in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen. Die Sendung solle die soziologischen und psychologischen Hintergründe der Tat aufzeigen, größeres menschliches Verständnis für den Beschwerdeführer wecken und ergründen, wie die Wiederholung einer solchen Tat vermieden werden könne. Weiterhin zeige der Film den erheblichen personellen und technischen Aufwand sowie die Einsatzbereitschaft der Polizei bei der Aufklärung des Falles. Es werde sichtbar, wie außerordentlich gering die Möglichkeit des Entkommens für die Täter sei. Ferner würden die Verbesserungen in der Sicherung von Waffendepots der Bundeswehr und im Wachdienst von Soldaten dargestellt. Das Dokumentarspiel diene damit der Abschreckung künftiger Täter und vorbeugend der Stärkung der öffentlichen Moral und der sozialen Verantwortung. Es könne die Meinung bilden, daß Verbrechen sich nicht lohnten, das Risiko des Entdecktwerdens zu groß sei und daß die Gesellschaft selbst mit solchen Verbrechern fertig werde. Das Dokumentarspiel diene damit mittelbar dem Rechtsgüterschutz im Sinne von Art. 1 GG. Wenn durch die Ausstrahlung des Spiels auch nur ein potentieller Täter von vergleichbaren Straftaten abgehalten werde, sei die Produktion bereits gerechtfertigt. Die Grundrechte potentieller Opfer und noch nicht straffälliger potentieller Täter hätten keinen minderen Rang als das Persönlichkeitsrecht des bereits verurteilten Beschwerdeführers.

In Anbetracht der geringen Erfolge, die die Bemühungen um die Wiedereingliederung Straffälliger bisher erbracht hätten, dürfe das Resozialisierungsinteresse nicht überbewertet werden. Die Resozialisierung des Beschwerdeführers werde überdies durch das Dokumentarspiel nicht nennenswert gefährdet. Die Sendung enthalte eine diskrete und distanzierte Sachdarstellung unter Absage an jede Sensationshascherei. Sie differenziere zwischen den Beteiligten und lasse den Beschwerdeführer nur als Gehilfen erscheinen. Sie trage zur Information und Meinungsbildung in Form einer künstlerischen Darbietung bei, so daß sich das ZDF auch auf den Schutz von Art. 5 Abs. 3 GG berufen könne.

Folge man dem Beschwerdeführer, so werde ein breites Informationsfeld für den „mündigen“ Bürger, den Art. 5 GG im Auge habe, gesperrt. Auch der Vorschlag, Dokumentarspiele über Straftaten nur innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft des Straferkenntnisses zuzulassen, bedeute einen Ausschluß der Information und Meinungsbildung auf diesem Gebiet. Für die Produktion eines Dokumentarspiels benötige die Anstalt anderthalb bis zwei Jahre. Im vorliegenden Fall sei dieser Zeitraum nur deswegen kürzer gewesen, weil auf das Buch von Neven-du Mont habe zurückgegriffen werden können.

Für die nur in beschränktem Umfang zulässige verfassungsgerichtliche Prüfung seien die Feststellungen der Zivilgerichte bindend, daß der Beschwerdeführer noch relative Person der Zeitgeschichte sei, das Publikum ihn noch in lebendiger Erinnerung habe und daß das Dokumentarspiel kein negativ verfälschendes Bild des Beschwerdeführers zeichne.

5. Das Bundesverfassungsgericht hat noch einer Reihe weiterer Stellen und Organisationen Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

a) Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat insbesondere auf das Urteil des Bundesgerichtshofs über die Fernsehsendung „Vor unserer eigenen Tür“ (NJW 1966, S. 2353) hingewiesen. Danach sind bei der Bildberichterstattung über Personen und ihre Lebensverhältnisse die zum Schutz des Persönlichkeitsrechts notwendigen Grenzen anders und enger zu setzen als bei der Wort- und Schriftberichterstattung. Die Vorführung eines Personenbildes im Fernsehen unter gleichzeitiger Namensnennung und unter negativer Qualifizierung habe eine derart soziale Prangerwirkung, daß sie auch ein früherer Schwerverbrecher nicht zu dulden brauche.

b) Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) hat darauf hingewiesen, daß die Rundfunkanstalten der ARD sich grundsätzlich zur Information über gegenwärtige Geschehnisse in Form künstlerisch gestalteter Dokumentarspiele für berechtigt hielten. Bei solchen Dokumentarspielen entstandene Interessenkonflikte seien im Einzelfall geregelt worden.

c) Der Deutsche Presserat und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger haben hervorgehoben, daß die Presse bis heute über aufsehenerregende Kriminalfälle der Gegenwart und der Vergangenheit unter Namensnennung und Bildveröffentlichung der Täter berichtet habe. Bei der im Einzelfall erforderlichen Güterabwägung verbiete die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG, die Entscheidung davon abhängig zu machen, ob ein Pressebericht von einem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit getragen werde oder ob er nur der Sensationslust und Neugierde oder der Unterhaltung eines Massenpublikums diene. Vorrangige Interessen des Beschwerdeführers, aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit entlassen zu werden, seien nicht zu erkennen.

d) Nach Auffassung des Deutschen Journalisten-Verbandes hat bei einem jahrelangen Abstand von der Straftat und nach erfolgter Sühne das Informationsinteresse der Öffentlichkeit keinen Bestand mehr. Aber auch das erklärte Ziel einer Meinungsbildung – hier etwa die zudem anfechtbare psychologische Deutung der Tat aus der homosexuellen Veranlagung des Täterkreises – widerspreche der Resozialisierung als dem Hauptziel des modernen Strafvollzugs und rechtfertige zumal bei einem Tatbeitrag von untergeordneter Bedeutung nicht einen so folgenschweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, wie ihn das in Rede stehende Dokumentarspiel bedeute.

e) Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger hat ausgeführt, in welchem Umfang über eine Person der Zeitgeschichte berichtet werden dürfe, müsse unter Berücksichtigung der spezifischen Mittel und Wirkungen des jeweiligen Mediums beurteilt werden. Die Wirkung von Fernsehsendungen auf den Zuschauer sei sehr viel stärker als bei Wort-Bild-Darstellungen in der Presse. Hinsichtlich der Art und Weise der Darstellung mache es einen Unterschied, ob lediglich ein Ereignis bildlich wiedergegeben oder ein Lebensbild gezeichnet werde. Insgesamt sollten Ereignisse wie das Geschehen in Lebach der Berichterstattung offenstehen, auch wenn seitdem Jahre vergangen seien. Solche Verbrechen würfen Fragen auf, die in einer offenen Gesellschaft diskutiert werden müßten. Eine Erörterung darüber erschwere auch nicht generell die Resozialisierung der Täter.
IV.

1. Das Bundesverfassungsgericht hat durch einstweilige Anordnung vom 13. März 1973 dem ZDF untersagt, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde das Dokumentarspiel auszustrahlen, soweit darin die Person des Beschwerdeführers namentlich erwähnt oder dargestellt wird.

2. Das Bundesverfassungsgericht hat das Dokumentarspiel in Augenschein genommen. Es hat weiter in der mündlichen Verhandlung die Sachverständigen Regierungsdirektorin Dr. Einsele, Frankfurt, Professor Dr. Lüscher, Konstanz, und Diplompsychologe Possehl, Diez/Lahn, darüber gehört, wie Fernsehsendungen über abgeurteilte schwere Straftaten nach Art des Dokumentarspiels vom Standpunkt des Strafvollzuges und der Sozialpsychologie zu beurteilen sind, namentlich welche Wirkungen von solchen Sendungen im Hinblick auf die Resozialisierung der dargestellten verurteilten Täter und speziell des Beschwerdeführers zu erwarten sind.

a) Die Sachverständige Dr. Einsele hat aus der Sicht des Strafvollzuges ausgeführt:

Die Zielsetzung des Strafvollzugs habe sich in den vergangenen Jahrzehnten auf den rationalen Zweck, die Gesellschaft durch Resozialisierung oder Sozialisation vor dem Rückfalltäter zu schützen, konzentriert. Wirklich vollendet werden könne die Sozialisation erst, wenn die Wiedereingliederung des Straffälligen in die normale, freie Gesellschaft gelinge. Dies erfordere nicht nur innere Einsicht und die bei dem heutigen meist labilen Täterkreis notwendige Stärkung des Selbstvertrauens; der Entlassene bedürfe auch entscheidend der Selbstbestätigung durch die Umwelt. Werde ein Täter kurz vor seiner wahrscheinlichen Entlassung noch einmal mit vollem Namen und mit seinem Bild im Zusammenhang mit einer aufsehenerregenden Straftat der Öffentlichkeit vorgestellt, so müsse das in einer inneren und dann mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in einer äußeren Katastrophe enden. Alle Ängste, die vielleicht während des Vollzuges von ihm genommen worden seien, brächen wieder auf. Angst sei aber der größte Feind für ein sozial unauffälliges Leben, besonders bei der hier gegebenen kleinbürgerlichen Mentalität des Täters und bei einer Umwelt, in der Bestraften gegenüber aggressive Enge erfahrungsgemäß stark ausgeprägt sei. 3
Der Abschreckungseffekt, den das Dokumentarspiel erzielen wolle, sei nach den Erfahrungen im Strafvollzug bei dem in Betracht kommenden Täterkreis nur sehr gering zu veranschlagen. Viel ernster zu nehmen sei die Gefahr, daß der nicht akzeptierte oder mit Haß aufgenommene Täter aus einer tiefen Verunsicherung heraus sich selbst aufgebe und erneut zum Außenseiter und also potentiellen Straftäter werde. Zu bedenken sei auch, daß das Dokumentarspiel den Beschwerdeführer zur Zeit der Tat zeige und völlig unberücksichtigt lasse, was in der Zwischenzeit mit ihm geschehen sei. Vor der Umwelt stehe er nach dem Film im vollen Lichte seines damaligen Seins, als einer von den Dreien, die an der furchtbaren Tat beteiligt gewesen seien. Beim Beschwerdeführer komme zur Darstellung der Tat noch die seiner Homosexualität hinzu. Die Abwehr gegen dieses Sexualverhalten sei in der Öffentlichkeit noch sehr stark.

b) Der Sachverständige Professor Dr. Lüscher hat vom Standpunkt der Sozialpsychologie und der Kommunikationswissenschaft aus besonders auf folgendes hingewiesen:

Die Wirkungsforschung habe die Erkenntnis erbracht, daß durch Massenkommunikation in erster Linie bereits vorhandene Einstellungen verstärkt würden. In Bereichen, in denen noch keine feste Meinung gebildet worden sei, komme vor allem die Glaubwürdigkeit des Kommunikators ins Spiel. Diese Glaubwürdigkeit besitze das Fernsehen im Vergleich zu anderen Medien in hohem Maße. Außerdem werde bei unentschiedenen Personen eine Meinung eher akzeptiert, wenn sie als diejenige der Mehrheit dargestellt werde. Eine Art allgemeinen Abschreckungseffekt erziele das Dokumentarspiel vermutlich nicht, denn die Tatsache, daß generell Einstellungen schwer veränderbar seien, treffe für den potentiell Kriminellen genauso zu wie für den Normalbürger. Akzeptiere man die Bestätigungsthese, so sei es von großer Wichtigkeit zu wissen, was bestätigt werde. Über vorhandene Einstellungen zu den hier dargestellten Vorgängen, zu Kriminalität, Homosexualität, Resozialisation hätten sich die Programmschaffenden im Falle eines Kriminal-Dokumentarspiels durch sozialwissenschaftliche Untersuchungen systematisch und gründlich zu orientieren, um mögliche Wirkungen der Sendung abschätzen und so gegebenenfalls auch Vorkehrungen treffen zu können, die sozial nicht wünschbaren Wirkungen entgegenträten. Daß dieser Sorgfaltspflicht hier genügt worden sei, könne er nach den ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht feststellen.

Nach ihrem Inhalt hebe die Sendung die Homosexualität als Erklärung im Vergleich zu anderen Möglichkeiten (z.B. Kleinstadtmilieu) einseitig hervor. Das sei deswegen von großer Bedeutung, weil hinsichtlich dieses Elements der Beschwerdeführer ein gleichwertiger Träger der dramatischen Handlung sei. Die Gefahr, daß er deswegen von vielen Zuschauern in bezug auf die Tat als letztlich gleichwertiger Täter gesehen werde, lasse sich nicht von der Hand weisen. Sofern die homosexuellen Beziehungen als psychosoziale Erklärung der Tat verstanden und akzeptiert würden, könne die erstrebte Differenzierung zwischen den Beteiligten kaum erreicht werden.

Das Dokumentarspiel solle nach den Intentionen der Produzenten in erster Linie der Erklärung des Geschehens dienen. Dies entspreche den augenblicklichen Erwartungen des Publikums, das im jetzigen Zeitpunkt an einer Gesamtinterpretation der Tat und der damit zusammenhängenden sozialen Probleme interessiert sei. Weite Teile des Publikums würden das Dokumentarspiel als objektive und abschließende Bewertung des Falles beurteilen und die angebotenen Erklärungen sowohl auf die betroffenen einzelnen Personen wie auch auf analoge Fälle beziehen und in ihre generelle Einstellung aufnehmen. Unter diesen Umständen sei zu bedenken, ob dann nicht die realistische Darstellung der Fakten und deren Authentizität in erster Linie die Funktion habe, die Glaubwürdigkeit der vorgetragenen Interpretation zu untermauern.

Hinsichtlich der Namensnennung in derartigen Sendungen sei zu unterscheiden: Je mehr die Sendung den Charakter eines Spieles habe, desto weniger sei die Namensnennung nötig. Je mehr sich die Sendung auf eine dokumentarische Darstellung beschränke, also Berichterstattung sei, desto stärker müßten individuelle Momente einbezogen werden.

c) Der Sachverständige Possehl, der als Anstaltspsychologe in der Strafanstalt tätig ist, in der der Beschwerdeführer seine Strafe verbüßt, und den Beschwerdeführer eingehend exploriert hat, ist der Ansicht, daß eine Ausstrahlung des Dokumentarspiels die Lebensangst des Beschwerdeführers, seine Neigung zu sozialer Selbstisolierung und seine Minderwertigkeitsgefühle verstärken würde. Die Sendung würde den heterosexuellen Beschwerdeführer eindeutiger als bisher mit der Homosexualität assoziieren, obwohl diese wahrscheinlich beim gesamten Tatkomplex nur eine akzidentelle Rolle gespielt habe, ihn aber auch mit der Tat in besonderem Maße identifizieren. Die Folge wäre, daß ihn die soziale Umwelt stärker als ohne die Ausstrahlung der Sendung ablehnen würde und sein Anschluß an Frauen in Frage gestellt werde. Damit werde ein Rückfall in irgendeine, nicht vorhersehbare Form der Kriminalität wahrscheinlich. Eine Ausstrahlung des Fernsehspiels sei daher als in hohem Maße rückfallfördernd anzusehen. Dagegen sei die Prognose einer Resozialisierung für den Beschwerdeführer recht günstig, wenn die Belastungen von außen gering blieben.
B.

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Gerichtsentscheidungen, die in einem zivilgerichtlichen Verfahren ergangen sind und auf der Anwendung von Vorschriften des Privatrechts beruhen. In solchen Fällen ist es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Auslegung und Anwendung der betreffenden Rechtsvorschriften als solche sowie die hierauf bezogene Feststellung und Würdigung des Tatbestandes zu prüfen. Dagegen unterliegt es seiner Prüfung, ob die Ausstrahlungswirkung der in den Grundrechten enthaltenen Wertentscheidungen auf das Zivilrecht hinreichend beachtet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat daher zu prüfen, ob die angefochtenen Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Reichweite und Wirkkraft eines der geltend gemachten Grundrechte beruhen oder ob das Entscheidungsergebnis selbst ein solches Grundrecht verletzt (vgl. BVerfGE 7, 198 [206 f.] – Lüth -; 21, 209 [216]; 30, 173 [187 f.] – Mephisto -; 32, 311 [316]). Die angefochtene Entscheidung ist auch dann zu beanstanden, wenn das Gericht bei Anwendung der typischen Kriterien, die sich aus der Ausstrahlung der Grundrechte für die Beurteilung von Fällen der vorliegenden Art ergeben, nicht zu dem gefundenen Ergebnis hätte gelangen können. Hierbei ist nicht ausgeschlossen, daß das Bundesverfassungsgericht eigene Feststellungen, z.B. die Anhörung von Sachverständigen, für geboten erachtet, um sich eine tragfähige Grundlage für die verfassungsrechtliche Beurteilung zu schaffen.
II.

Im vorliegenden Fall ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, daß mehrere Grundrechte auf die Anwendung des einfachen Rechts einwirken, und zwar in entgegengesetzter Richtung: Es handelt sich um eine Spannungslage zwischen dem in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Schutz der Persönlichkeit und der Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. 43
1. Auf der einen Seite berührt eine Fernsehsendung der hier vorliegenden Art über die Entstehung, Ausführung und Verfolgung einer Straftat unter Namensnennung, Abbildung und Darstellung des Straftäters zwangsläufig den Schutzbereich seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Hierzu gehört auch das Recht, in diesem Bereich „für sich zu sein“, „sich selber zu gehören“ (Adolf Arndt, NJW 1967, S. 1845 [1846]), ein Eindringen oder einen Einblick durch andere auszuschließen (vgl. BVerfGE 27, 1 [6]; 33, 367 [376] – Sozialarbeiter -; Beschluß vom 31. Januar 1973 – 2 BvR 454/71 – Tonband -, Umdruck B II 1 und 2 [im folgenden zitiert als 2 BvR 454/71]). Dies umfaßt das Recht am eigenen Bild und gesprochenen Wort (vgl. 2 BvR 454/71 a.a.O.), erst recht aber das Verfügungsrecht über Darstellungen der Person. Jedermann darf grundsätzlich selbst und allein bestimmen, ob und wieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht freilich nicht der gesamte Bereich des privaten Lebens unter dem absoluten Schutz der genannten Grundrechte (vgl. BVerfGE 6, 389 [433]; 27, 1 [7]; 27, 344 [351]; 32, 373 [379]; 33, 367 [376 f.]; 2 BvR 454/71 B II 1). Wenn der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen tritt, durch sein Sein oder Verhalten auf andere einwirkt und dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens berührt, können sich Einschränkungen seines ausschließlichen Bestimmungsrechts über seinen Privatbereich ergeben, soweit dieser nicht zum unantastbaren innersten Lebensbereich gehört. Ein solcher Sozialbezug kann bei entsprechender Intensität namentlich Maßnahmen der öffentlichen Gewalt zum Schutz von Interessen der Allgemeinheit zulassen – vgl. etwa die Veröffentlichung von Bildern verdächtiger Personen im Interesse der Strafverfolgung (§ 24 KUG). Jedoch rechtfertigt weder das staatliche Interesse an der Aufklärung von Straftaten noch ein anderes öffentliches Interesse von vornherein den Zugriff auf den Persönlichkeitsbereich (vgl. BVerfGE 32, 373 [381]; 2 BvR 454/71 B II 5). Vielmehr gebietet der hohe Rang des Rechts auf freie Entfaltung und Achtung der Persönlichkeit, der sich aus der engen Beziehung zum höchsten Wert der Verfassung, der Menschenwürde, ergibt, daß dem aus einem solchen Interesse erforderlich erscheinenden Eingriff ständig das Schutzgebot des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG als Korrektiv entgegengehalten wird. Dementsprechend ist durch Güterabwägung im konkreten Fall zu ermitteln, ob das verfolgte öffentliche Interesse generell und nach der Gestaltung des Einzelfalls den Vorrang verdient, ob der beabsichtigte Eingriff in die Privatsphäre nach Art und Reichweite durch dieses Interesse gefordert wird und im angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (vgl. BVerfGE 27, 344 [353 f.]; 32, 373 [381]; 2 BvR 454/71 B II 5).

Diese in der Rechtsprechung zu Maßnahmen öffentlicher Gewalt entwickelten Grundsätze müssen entsprechend beachtet werden, wenn es sich um die gerichtliche Entscheidung über kollidierende Interessen nach Vorschriften des Privatrechts handelt. Damit wird die Berücksichtigung der Sonderstellung, die den Medien des Hörfunks und Fernsehens kraft ihrer öffentlich-rechtlichen Organisation und öffentlichen Aufgabe zukommt, nicht ausgeschlossen.

2. Insoweit fällt hier, wie das Oberlandesgericht zutreffend hervorgehoben hat, maßgebend ins Gewicht, daß die streitige Sendung einer Funktion dienen soll, deren freie Wahrnehmung ihrerseits in der Verfassung unmittelbar durch eine Grundrechtsnorm geschützt ist. Die Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Rundfunkfreiheit) ist ebenso wie die Pressefreiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]; 10, 118 [121]; 12, 205 [259 ff.] – Deutschland-Fernsehen -; 20, 56 [97 f.]; 20, 162 [174 ff.] – Spiegel -; 27, 71 [81 f.] – Zeitungen aus der DDR -).

Hörfunk und Fernsehen gehören in gleicher Weise wie die Presse zu den unentbehrlichen Massenkommunikationsmitteln, denen sowohl für die Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen wie für deren Kontrolle als auch für die Integration der Gemeinschaft in allen Lebensbereichen eine maßgebende Wirkung zukommt. Sie verschaffen dem Bürger die erforderliche umfassende Information über das Zeitgeschehen und über Entwicklungen im Staatswesen und im gesellschaftlichen Leben. Sie ermöglichen die öffentliche Diskussion und halten sie in Gang, indem sie Kenntnis von den verschiedenen Meinungen vermitteln, dem Einzelnen und den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen Gelegenheit geben, meinungsbildend zu wirken, und sie stellen selbst einen entscheidenden Faktor in dem permanenten Prozeß der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung dar (vgl. BVerfGE 12, 113 [125]; 12, 205 [260]). Trotz der engeren Fassung des Wortlauts („Berichterstattung“) unterscheidet sich die Rundfunkfreiheit wesensmäßig nicht von der Pressefreiheit; sie gilt in gleicher Weise für rein berichtende Sendungen wie für Sendungen anderer Art. Information und Meinung können ebensowohl durch ein Fernsehspiel oder eine Musiksendung vermittelt werden wie durch Nachrichten oder politische Kommentare; jedes Rundfunkprogramm hat schon durch die getroffene Auswahl und die Gestaltung der Sendung eine bestimmte meinungsbildende Wirkung (vgl. BVerfGE 12, 205 [260]; 31, 314 [326]). Ebensowenig läßt die Rundfunkfreiheit von vornherein eine Unterscheidung der Sendungen nach dem jeweils verfolgten Interesse oder der Qualität der Darbietung zu; eine Beschränkung auf „seriöse“, einem anerkennenswerten privaten oder öffentlichen Interesse dienende Produktion liefe am Ende auf eine Bewertung und Lenkung durch staatliche Stellen hinaus, die dem Wesen dieses Grundrechts gerade widersprechen würde (vgl. BVerfGE 25, 296 [307]; Beschluß vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65 – immaterielle Schäden – [im folgenden zitiert als 1 BvR 112/65], Umdruck C I 4 mit weiteren Nachweisen). Demgemäß kann eine Rundfunk- oder Fernsehanstalt sich grundsätzlich für jede Sendung zunächst auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen, gleichgültig, ob es sich um politische Sendungen, kritische Auseinandersetzungen mit anderen die Allgemeinheit interessierenden Fragen oder um Hörspiele, kabarettistische Programme oder andere Unterhaltungssendungen handelt. Das Eingreifen der Verfassungsgarantie ist also nicht abhängig von dem jeweiligen Nachweis eines „berechtigten“ oder „legitimen“ Interesses an der betreffenden Sendung (vgl. Adolf Arndt, a.a.O.). Entsprechend deckt die Rundfunkfreiheit nicht allein die Auswahl des dargebotenen Stoffes, sondern auch die Entscheidung über die Art und Weise der Darstellung einschließlich der Bestimmung darüber, welche der verschiedenen Formen von Sendungen hierfür gewählt wird.

Erst wenn die Wahrnehmung der Rundfunkfreiheit mit anderen Rechtsgütern in Konflikt gerät, kann es auf das mit der konkreten Sendung verfolgte Interesse, die Art und Weise der Gestaltung und die erzielte oder voraussehbare Wirkung ankommen. Die Verfassung hat den möglichen Konflikt zwischen der Rundfunkfreiheit und dadurch betroffenen Interessen von einzelnen Bürgern, von Gruppen oder der Gemeinschaft durch Verweisung auf die allgemeine Rechtsordnung geregelt; nach Art. 5 Abs. 2 GG unterliegt die Veranstaltung von Rundfunksendungen den Einschränkungen, die sich aus den allgemeinen Gesetzen ergeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die damit gebotene Rücksicht auf andere Rechtsgüter jedoch die Rundfunkfreiheit nicht relativieren; vielmehr sind die die Rundfunkfreiheit beschränkenden Gesetze ihrerseits im Blick auf die Verfassungsgarantie auszulegen und gegebenenfalls selbst wieder einzuschränken, um der Rundfunkfreiheit angemessene Verwirklichung zu sichern (vgl. BVerfGE 20, 162 [176 f.]; 7, 198 [208 ff.]). Dies erfordert im Einzelfall eine generelle und konkrete Abwägung der sich gegenüberstehenden Rechtsgüter.
III.

1. Zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG gehören auch die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegenden Vorschriften der §§ 22, 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 (RGBl. S. 7), die gemäß § 141 Nr. 5 des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273) weitergelten. Diese Rechtsvorschriften, die sich nach ihrem Wortlaut und ursprünglichen Sinn nur auf das Recht am eigenen Bild bezogen, sind seit langem in Rechtsprechung und Schrifttum dahin ausgelegt worden, daß sie sowohl für die Abbildung mit und ohne Namensnennung wie für die Darstellung einer Person durch einen Schauspieler auf der Bühne, im Film oder im Fernsehen gelten (vgl. u. a. KG, JW 1928, S. 363; BGHZ 26, 52 [67] – Sherlock Holmes -; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl. 1967, S. 298; Rehm, Das Recht am eigenen Bild, Juristische Blätter [Wien] 1962, S. 1 ff., 65 ff. [67 f.]). Das Gesamtverständnis der Vorschriften hat sich seit Inkrafttreten des Grundgesetzes dahin gewandelt, daß das Recht am eigenen Bild als ein Ausschnitt, eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen wird, das aus Art. 1 und 2 GG entwickelt worden ist (vgl. hierzu 1 BvR 112/65, Umdruck A 3, C I 2 und 3; BGHZ 20, 345 [347] – Paul Dahlke -; BGH, NJW 1962, S. 1004 [1005] – Doppelmörder – und 1971, S. 885 [886] – Petite Jacqueline -).

Diese Vorschriften sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; ihre relativ flexible Gestaltung bietet ausreichenden Raum für eine der Verfassung entsprechende Anwendung. Wie die Praxis zeigt, ist es möglich, bei der durch § 23 KUG gebotenen Interessenabwägung der Ausstrahlungswirkung der einschlägigen Grundrechte hinreichend Rechnung zu tragen. Dabei kommt es verfassungsrechtlich nicht darauf an, bei welchem Tatbestandselement des § 23 KUG die Abwägung vorgenommen wird (vgl. Neumann-Duesberg, JZ 1973, S. 262 mit weiteren Nachweisen; v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, 1968, Einf. 113).

2. In Konfliktsfällen der vorliegenden Art gilt daher einerseits der allgemeine Grundsatz, daß die Anwendung der §§ 22, 23 KUG auf Fernsehsendungen die Rundfunkfreiheit nicht übermäßig einengen darf. Andererseits besteht gegenüber sonstigen allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG hier die Besonderheit, daß die Beschränkung der Rundfunkfreiheit ihrerseits dem Schutz eines hohen Verfassungswertes dient; das im Rahmen des § 23 KUG zu berücksichtigende, gegen die Abbildung oder Darstellung gerichtete Interesse der betroffenen Person erfährt eine unmittelbare Verstärkung durch die Verfassungsgarantie des Persönlichkeitsschutzes.

Die Lösung dieses Konflikts hat davon auszugehen, daß nach dem Willen der Verfassung beide Verfassungswerte essentielle Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Ordnung des Grundgesetzes bilden, so daß keiner von ihnen einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen kann. Das Menschenbild des Grundgesetzes und die ihm entsprechende Gestaltung der staatlichen Gemeinschaft verlangen ebensowohl die Anerkennung der Eigenständigkeit der individuellen Persönlichkeit wie die Sicherung eines freiheitlichen Lebensklimas, die in der Gegenwart ohne freie Kommunikation nicht denkbar ist. Beide Verfassungswerte müssen daher im Konfliktsfall nach Möglichkeit zum Ausgleich gebracht werden; läßt sich dies nicht erreichen, so ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat. Hierbei sind beide Verfassungswerte in ihrer Beziehung zur Menschenwürde als dem Mittelpunkt des Wertsystems der Verfassung zu sehen. Danach können von der Rundfunkfreiheit zwar restriktive Wirkungen auf die aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleiteten Ansprüche ausgehen; jedoch darf die durch eine öffentliche Darstellung bewirkte Einbuße an „Personalität“ nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Veröffentlichung für die freie Kommunikation stehen (vgl. Adolf Arndt, a.a.O.). Weiter ergibt sich aus diesem Richtwert, daß die erforderliche Abwägung auf der einen Seite die Intensität des Eingriffes in den Persönlichkeitsbereich durch eine Sendung der fraglichen Art berücksichtigen muß; auf der anderen Seite ist das konkrete Interesse, dessen Befriedigung die Sendung dient und zu dienen geeignet ist, zu bewerten und zu prüfen, ob und wieweit dieses Interesse auch ohne eine Beeinträchtigung – oder eine so weitgehende Beeinträchtigung – des Persönlichkeitsschutzes befriedigt werden kann.
IV.

1. Aus diesen allgemeinen Grundsätzen ergeben sich für die Beurteilung von Fernsehsendungen der vorliegenden Art folgende verfassungsrechtlich bedeutsame Kriterien:

a) Eine öffentliche Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters wird stets seinen Persönlichkeitsbereich erheblich beeinträchtigen, weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekanntmacht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert. Etwas anderes mag gelten, wenn die Berichterstattung gerade in der Absicht erfolgt, Verständnis für den Täter zu erwecken, etwa um eine Wiederaufnahme des Verfahrens, einen Gnadenakt oder eine sonstige Hilfe zu erreichen. Abgesehen davon, daß unter solchen Umständen der Täter meist mit der Berichterstattung einverstanden sein wird, liegt ein solcher Ausnahmefall hier nicht vor (vgl. dazu unten V 2).

b) Läßt man die Möglichkeit einer zusätzlichen Beeinträchtigung durch die jeweilige Art und Weise der Darstellung (Polemik, Verfälschung) außer Betracht, so bedeutet auch eine um Objektivität und Sachlichkeit bemühte Berichterstattung durch das Fernsehen in der Regel einen weitaus stärkeren Eingriff in die private Sphäre als eine Wort- oder Schriftberichterstattung in Hörfunk oder Presse. Dies folgt zunächst aus der stärkeren Intensität des optischen Eindrucks und der Kombination von Bild und Ton, vor allem aber aus der ungleich größeren Reichweite, die dem Fernsehen auch im Verhältnis zu Film und Theater eine Sonderstellung einräumt. Es besteht daher besonderer Anlaß, „auf eine Wahrung der vom Recht gesetzten Schranken zu achten und einem Mißbrauch des leichter verletzbar gewordenen Persönlichkeitsrechts vorzubeugen. Das Recht darf sich in diesem Punkt der technischen Entwicklung nicht beugen“ (BGH, NJW 1966, S. 2353 [2354] – Vor unserer eigenen Tür -).

Daher ist freilich nach der Art der Sendung zu differenzieren. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Produktion, die zu der vom ZDF entwickelten Gattung der Dokumentarspiele gehört. Nach Angaben des früheren Leiters der Hauptabteilung Dokumentarspiel im ZDF, Dr. Wolfgang Bruhn, hat sich diese Sendeform, bei der ein im ganzen authentischer Vorgang in ebenso authentischer Form nachgespielt wird, sehr schnell zur beliebtesten Programmform entwickelt und in der Gunst des Publikums sowohl den Spielfilm wie die Showunterhaltung übertroffen (vgl. Fernsehen in Deutschland, 1967, S. 157 ff. [157, 160]). Nach einer Statistik des ZDF wiesen Dokumentarspiele im Jahre 1969 die höchste Sehbeteiligung aller Abendsendungen des ZDF (38%) auf; im Programm der ARD hatten im selben Zeitraum nur zwei Sparten eine höhere prozentuale Sehbeteiligung (Tagesschau 52 %, Unterhaltung 39 % – vgl. Setzen, Fernsehen: Objektivität oder Manipulation?, 1971, S. 142). Im Einzelfall spielen selbstverständlich auch die Sendezeit und das gleichzeitige Programm der ARD eine Rolle. Nach den vom ZDF vorgelegten Unterlagen über die Ergebnisse der Infratest/Infratam-Fernsehforschung für die Freitagabendprogramme des ZDF im Jahre 1972 lag die durchschnittliche Einschaltquote bei Sendungen über Kriminalstoffe („Kommissar“ und „Aktenzeichen XY – ungelöst“) über 65 %. Dies besagt, daß solche Sendungen in etwa 11,7 Millionen Haushaltungen, bei Zugrundelegung einer Durchschnittszahl von nur zwei Personen je Haushalt also von rd. 23,4 Millionen Personen gesehen werden. Nach Ansicht des Sachverständigen Professor Lüscher wäre für eine Sendung des streitigen Dokumentarspiels, die das ganze Abendprogramm füllt, bei sorgfältiger und zurückhaltender Schätzung mit einer Einschaltziffer von mindestens 30 % bis zu 80 % zu rechnen, wobei diese eher an der oberen Grenze liegen würde.

c) Besteht schon aus den genannten Gründen ein besonderes Schutzbedürfnis gegenüber Persönlichkeitsverletzungen durch Fernsehsendungen mit solcher Reichweite, so kommt hinzu, daß die Sendeform des Dokumentarspiels unter dem hier relevanten Gesichtspunkt spezifische Gefahren mit sich bringt. Sie verbindet eingängig dargebotene Information mit spannender Unterhaltung; ohne Verfremdung oder Verhüllung wird ein tatsächliches Geschehen in seiner Entwicklung und in seinem Ablauf nachgespielt, die daran beteiligten Personen werden möglichst wirklichkeitsgetreu gezeigt oder dargestellt. So sind beispielsweise in der streitigen Sendung fast alle Orts- und Personennamen unverändert geblieben; die wirklichen Akteure der dargestellten Ereignisse spielen zum Teil selbst mit – etwa zahlreiche Randfiguren -, zum Teil werden sie nur deswegen durch Schauspieler dargestellt, weil ihnen die schauspielerischen Fähigkeiten zum eigenen Auftreten fehlen oder weil, wie beim Beschwerdeführer und den Haupttätern, ihre Mitwirkung aus anderen Gründen von vornherein ausschied. Bei gelungener Besetzung der Hauptfiguren ergibt sich aus einem solchen Spiel „eine faszinative Wirkung beim Zuschauer, die beträchtlich mehr verstandesmäßiges wie auch gefühlsmäßiges und damit engagiertes Bewußtsein hervorruft, als dies die beste Dokumentation oder ein sogenanntes Feature erreichen könnte. Der Zuschauer hat … die totale Illusion, bei einem solchen historischen Vorgang dabeizusein bzw. dabeigewesen zu sein. Er hat … (die) Möglichkeit der Identifikation mit dem Part des ‚Guten‘ … und fühlt sich daneben und gleichzeitig gut unterhalten“ (Bruhn, a.a.O., S. 160).

Ein solches intensives Nacherleben unter Betonung der emotionalen Komponente wird bei Darstellung einer schweren Straftat normalerweise beim Zuschauer stärkere und auch nachhaltigere Reaktionen gegen die dargestellten Straftäter hervorrufen als eine reine Wort-Bild-Berichterstattung. Hinzu kommt, daß das Dokumentarspiel auch bei noch so enger Anlehnung an die Wirklichkeit nicht ohne dichterisches Beiwerk auskommen kann (vgl. KG, UFITA 54 [1969] S. 291 [295 f.] – Der Fall Angelika -), etwa soweit zur Darstellung der Entstehung einer Straftat oder zur Charakteristik der Täter Szenen aus ihrem persönlichen Leben gezeigt, Gespräche rekonstruiert werden oder psychologische Vorgänge zum Ausdruck gebracht werden sollen, ohne daß der Zuschauer insoweit zwischen Dichtung und Wahrheit unterscheiden kann. Noch wesentlicher ist es, daß die dramaturgisch notwendige Konzentration einschließlich der Zeit- und Ablaufsraffungen zu einer persönlichen Darstellung der Straftäter führt, die ganz auf die Straftat und deren Interpretation durch Drehbuchautor und Regisseur bezogen ist. Der Zuschauer, der wegen der durch die Sendung insgesamt vermittelten „Illusion des Authentischen“ glaubt, den Straftäter in seiner wirklichen Persönlichkeit vollständig zu erfassen, erhält tatsächlich nur ein gewissermaßen auf die negative Dimension verkürztes Persönlichkeitsbild, in dem positive oder neutrale Charakterzüge und Verhaltensweisen, überhaupt eine feinere Nuancierung fehlen.

d) Eine derart mögliche oder wahrscheinliche negative Qualifizierung des dargestellten Straftäters kann noch durch andere Faktoren bestätigt oder verstärkt werden. Wie der Sachverständige Professor Lüscher ausgeführt hat, steht der Zuschauer in der Bundesrepublik dem Fernsehen im Durchschnitt weniger kritisch gegenüber als anderen Massenmedien; nach Meinungsumfragen genießen Fernsehsendungen mit Abstand die größte Glaubwürdigkeit. Soweit dabei im einzelnen Differenzierungen geboten sind, kann bei einem Dokumentarspiel sowohl wegen der erwähnten emotionalen Komponente wie wegen des Unterhaltungscharakters nicht ein besonders kritisch eingestelltes Publikum vorausgesetzt werden; dies gilt erst recht bei einer Sendung am Freitagabend. Zuschauer, die nicht schon eine fixierte Auffassung zu dem dargestellten Ereignis und der vorgestellten einzelnen Person haben, werden dazu neigen, die realistische Darstellung des Dokumentarspiels mit der Wirklichkeit zu verwechseln und die Interpretation des Geschehens durch die Sendung als richtige, objektive Bewertung zu übernehmen.

Schließlich tritt beim Fernsehen verstärkt das auch bei anderen Kommunikationsmitteln zu beobachtende Problem der „selektiven Wahrnehmung“ auf. Damit ist die Tendenz des Zuschauers gemeint, aus dem Kommunikationsangebot unbewußt nur die den eigenen Auffassungen oder Voreingenommenheiten entsprechenden Aussagen auszuwählen und wahrzunehmen. Wie der Sachverständige Professor Lüscher näher dargelegt hat, tragen die Massenmedien insoweit erheblich dazu bei, vorhandene – bewußte oder unbewußte – allgemeine Einstellungen zu verfestigen (vgl. auch Noelle-Neumann, Wirkung der Massenmedien, Das Fischer Lexikon Bd. 9, Publizistik, 1971, S. 318 ff.; Schwarzkopf in: Fernsehen in Deutschland, 1967, S. 114 f.). Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies, daß die Darstellung von kriminellen oder homosexuellen Personen in einem Dokumentarspiel die überwiegend vorhandene allgemeine Ablehnung solcher sozialen Außenseiter verstärken und auch dadurch zu einer ungünstigen Gesamtbeurteilung der dargestellten Einzelperson führen kann.

Zusammenfassend ergibt sich, daß eine Fernsehberichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters, besonders in der Form des Dokumentarspiels, regelmäßig einen schweren Eingriff in seine Persönlichkeitssphäre bedeuten wird.

2. Auf der anderen Seite sprechen erhebliche Erwägungen für eine auch die Person des Täters einbeziehende vollständige Information der Öffentlichkeit über vorgefallene Straftaten und die zu ihrer Entstehung führenden Vorgänge. Auch Straftaten gehören zunächst zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien überhaupt ist. Weiter begründen die Verletzung der allgemeinen Rechtsordnung, die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft, die Sympathie mit den Opfern und ihren Angehörigen, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, ein durchaus anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird um so stärker sein, je mehr die Straftat sich durch die Besonderheit des Angriffsobjekts, die Art der Begehung oder die Schwere der Folgen über die gewöhnliche Kriminalität heraushebt. Bei schweren Gewaltverbrechen nach Art der hier dargestellten Straftat gibt es daher neben allgemeiner Neugier und Sensationslust ernstzunehmende Gründe für das Interesse an Information darüber, wer die Täter waren, welche Motive sie hatten, was geschehen ist, um sie zu ermitteln und zu bestrafen und um gleichartige Delikte zu verhüten. Dabei wird zunächst der Wunsch nach Kenntnis der reinen Tatsachen im Vordergrund stehen, während mit zunehmendem zeitlichem Abstand das Interesse an einer tiefer greifenden Interpretation der Tat, ihrer Hintergründe und gesellschaftsbedingten Voraussetzungen Bedeutung gewinnt. Nicht zuletzt fällt das legitime demokratische Bedürfnis nach Kontrolle der für die Sicherheit und Ordnung zuständigen Staatsorgane und Behörden, der Strafverfolgungsbehörden und der Strafgerichte maßgebend ins Gewicht. Schließlich bedarf es keiner näheren Darlegung, daß Fernsehsendungen gerade wegen ihrer Reichweite speziell geeignet sind, den dargelegten Informationsansprüchen zu genügen.

3. Wägt man das umschriebene Informationsinteresse an einer entsprechenden Berichterstattung im Fernsehen generell gegen den damit zwangsläufig verbundenen Einbruch in den Persönlichkeitsbereich des Täters ab, so verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im allgemeinen den Vorrang. Wer den Rechtsfrieden bricht, durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen oder Rechtsgüter der Gemeinschaft angreift oder verletzt, muß sich nicht nur den hierfür in der Rechtsordnung verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen. Er muß grundsätzlich auch dulden, daß das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden Gemeinschaft auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird. Im übrigen wirkt die hiermit gewährleistete Kontrolle der Strafverfolgung und des strafgerichtlichen Verfahrens auch zugunsten des Täters.

Freilich gilt dieser Vorrang des Informationsinteresses nicht schrankenlos. Die zentrale verfassungsrechtliche Bedeutung des Persönlichkeitsrechts verlangt neben der Rücksicht auf den unantastbaren innersten Lebensbereich (vgl. BVerfGE 32, 373 [379] mit weiteren Nachweisen) die strikte Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit: Der Einbruch in die persönliche Sphäre darf nicht weiter gehen, als eine angemessene Befriedigung des Informationsinteresses dies erfordert, und die für den Täter entstehenden Nachteile müssen im rechten Verhältnis zur Schwere der Tat oder ihrer sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen. Danach ist eine Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifikation der Täter keineswegs immer zulässig. Dies wird in Fällen sog. kleiner Kriminalität oder bei Jugendlichen von den Kommunikationsorganen in der Praxis überwiegend beachtet (vgl. auch die Empfehlung des Deutschen Presserates vom 16. Februar 1967 zur Abbildung und Namensnennung Jugendlicher, Tätigkeitsbericht 1971, S. 89).

Auch die bis zur rechtskräftigen Verurteilung zugunsten des Angeschuldigten geltende Vermutung seiner Unschuld (vgl. Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – BGBl. 1952 II S. 686) gebietet eine entsprechende Zurückhaltung, mindestens eine angemessene Berücksichtigung der zu seiner Verteidigung vorgetragenen Tatsachen und Argumente. Es versteht sich auch von selbst, daß das Zurücktreten des Persönlichkeitsrechts nur für eine sachbezogene Berichterstattung und seriöse Tatinterpretation gilt, nicht aber für eine auf Sensationen ausgehende, bewußt einseitige oder verfälschende Darstellung; insoweit kann auf die in Schrifttum und Rechtsprechung zu § 23 KUG für die Art und Weise der Darstellung entwickelten Grundsätze verwiesen werden (vgl. v. Gamm, a.a.O., Einf. 115, 120 mit weiteren Nachweisen).

Auf der anderen Seite rechtfertigt die aktuelle Berichterstattung über eine schwere Straftat nicht allein die Namensnennung und Abbildung des Täters, sie schließt grundsätzlich auch sein persönliches Leben ein, soweit es in unmittelbarer Beziehung zur Tat steht, Aufschlüsse über die Motive oder andere Tatvoraussetzungen gibt und für die Bewertung der Schuld des Täters aus der Sicht des modernen Strafrechts als wesentlich erscheint. Wo danach konkret die Grenze für das grundsätzlich vorgehende Informationsinteresse an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, läßt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles entscheiden. Hier erwächst den für die Veranstaltung von Fernsehsendungen zuständigen Gremien und Personen im Hinblick auf die eingangs geschilderte mögliche „Prangerwirkung“ disqualifizierender Darstellungen eine besondere Verantwortung, der sie unter Berücksichtigung der sozialen Machtposition, die den Fernsehanstalten kraft ihrer Monopolstellung und ihres technischen und finanziellen Potentials im Verhältnis zum betroffenen Einzelnen zukommt, entsprechen müssen.

4. Die Ausstrahlungswirkung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit läßt es jedoch nicht zu, daß die Kommunikationsmedien sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus zeitlich unbeschränkt mit der Person eines Straftäters und seiner Privatsphäre befassen. Vielmehr gewinnt nach Befriedigung des aktuellen Informationsinteresses grundsätzlich sein Recht darauf, „allein gelassen zu werden“, zunehmende Bedeutung und setzt dem Wunsch der Massenmedien und einem Bedürfnis des Publikums, seinen individuellen Lebensbereich zum Gegenstand der Erörterung oder gar der Unterhaltung zu machen, Grenzen. Auch der Täter, der durch eine schwere Straftat in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten ist und die allgemeine Mißachtung erweckt hat, bleibt dennoch ein Glied dieser Gemeinschaft mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz seiner Individualität. Hat die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Strafverfolgung und strafgerichtlichen Verurteilung die im Interesse des öffentlichen Wohls gebotene gerechte Reaktion der Gemeinschaft erfahren und ist die Öffentlichkeit hierüber hinreichend informiert worden, so lassen sich darüber hinausgehende fortgesetzte oder wiederholte Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich des Täters in der Regel nicht rechtfertigen; sie würden namentlich bei Fernsehsendungen mit entsprechender Reichweite über den Täter eine erneute soziale Sanktion verhängen.

5. a) Die zeitliche Grenze zwischen der grundsätzlich zulässigen aktuellen Berichterstattung und einer unzulässigen späteren Darstellung oder Erörterung läßt sich nicht allgemein, jedenfalls nicht mit einer nach Monaten und Jahren für alle Fälle fest umrissenen Frist fixieren. Das entscheidende Kriterium liegt darin, ob die betreffende Berichterstattung gegenüber der aktuellen Information eine erhebliche neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken geeignet ist. Demgemäß bildet der Erlaß des letztinstanzlichen Strafurteils oder der Zeitpunkt seiner Rechtskraft keine feste Grenze, zumal da das aktuelle Informationsinteresse auch die zusammenhängende Darstellung der Tat, ihrer Entstehungsursachen und Hintergründe einschließt, die unter Umständen den vollständigen Abschluß des Strafverfahrens und weitere Nachforschungen voraussetzt. Freilich sind auch solche Gesamtdarstellungen und -interpretationen alsbald nach dem Ende des Strafverfahrens oder jedenfalls in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit möglich, wie Presse, Hörfunk und Fernsehen oft bewiesen haben. Der Einwand des ZDF, daß aus organisatorischen und technischen Gründen für eine zuverlässige Darstellung und Interpretation eines Kriminalfalls in einem Dokumentarspiel eine Vorbereitungszeit von mindestens anderthalb bis zwei Jahren erforderlich sei, kann in diesem Zusammenhang nicht entscheidend sein. Nicht die frei gewählte Darstellungsform und ihre technischen, organisatorischen und ästhetischen Gesetzmäßigkeiten bestimmen das Maß des Persönlichkeitsschutzes; dieser kann vielmehr die Wahl der einen oder anderen Darstellungsform ausschließen, wenn bei ihr die Achtung der Persönlichkeit des Dargestellten nicht ausreichend gewährleistet werden kann.

b) Als maßgebender Orientierungspunkt für die nähere Bestimmung der zeitlichen Grenze kommt das Interesse an der Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft, an seiner Resozialisierung, in Betracht. Die Erkenntnis von der Bedeutung dieser Zielsetzung hat sich in den letzten Jahrzehnten im Strafrecht zunehmend durchgesetzt; nach allgemeiner Auffassung wird die Resozialisierung oder Sozialisation als das herausragende Ziel namentlich des Vollzuges von Freiheitsstrafen angesehen (vgl. auch BVerfGE 33, 1 [7 f.]). Dem Gefangenen sollen Fähigkeit und Willen zu verantwortlicher Lebensführung vermittelt werden, er soll es lernen, sich unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft ohne Rechtsbruch zu behaupten, ihre Chancen wahrzunehmen und ihre Risiken zu bestehen. Entsprechend umschreibt § 2 des kürzlich von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Strafvollzugsgesetzes die Aufgabe des Vollzugs von Freiheitsstrafen wie folgt: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Behandlungsziel)“ (BRDrucks. 71/73 S. 8; vgl. auch die Begründung, a.a.O., S. 39, 42 f.). Auch die Stellungnahme des Bundesrates sieht hierin das „vorrangige Ziel des Vollzugs“ (vgl. den Änderungsvorschlag zu § 2 Abs. 2 in BRDrucks. 71/73 [Beschluß] II S. 2 f.).

Ein so verstandener Strafvollzug kann jedoch nur die Grundlage für die Resozialisierung schaffen; das entscheidende Stadium beginnt mit der Entlassung. Nicht nur der Straffällige muß auf die Rückkehr in die freie menschliche Gesellschaft vorbereitet werden; diese muß ihrerseits bereit sein, ihn wieder aufzunehmen.

Verfassungsrechtlich entspricht diese Forderung dem Selbstverständnis einer Gemeinschaft, die die Menschenwürde in den Mittelpunkt ihrer Wertordnung stellt und dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet ist. Als Träger der aus der Menschenwürde folgenden und ihren Schutz gewährleistenden Grundrechte muß der verurteilte Straftäter die Chance erhalten, sich nach Verbüßung seiner Strafe wieder in die Gemeinschaft einzuordnen. Vom Täter aus gesehen erwächst dieses Interesse an der Resozialisierung aus seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG. Von der Gemeinschaft aus betrachtet verlangt das Sozialstaatsprinzip staatliche Vor- und Fürsorge für Gruppen der Gesellschaft, die auf Grund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind; dazu gehören auch die Gefangenen und Entlassenen. Nicht zuletzt dient die Resozialisierung dem Schutz der Gemeinschaft selbst: diese hat ein unmittelbares eigenes Interesse daran, daß der Täter nicht wieder rückfällig wird und erneut seine Mitbürger oder die Gemeinschaft schädigt.

c) Die Durchführung der Resozialisierung erfordert zunächst, durch eine entsprechende Einwirkung auf den Verurteilten die inneren Voraussetzungen für eine spätere straffreie Lebensführung zu schaffen. Wie die Sachverständigen Frau Dr. Einsele und Possehl geschildert haben, ist hierbei für die kriminaltherapeutische Behandlung davon auszugehen, daß es sich bei den zu Freiheitsstrafen Verurteilten vielfach um hochgradig labile, selbstunsichere oder sogar psychisch gestörte Personen handelt. Gerade deren Resozialisierung kann jedoch erst gelingen, wenn auch die äußeren Bedingungen dafür geschaffen werden, daß der Straffällige sich nach seiner Entlassung in die normale freie Gesellschaft eingliedert. Neben einer angemessenen Hilfe von seiten des Staates (vgl. §§ 6 Abs. 1 Satz 2, 67 des genannten Entwurfs und S. 39, 42, 73 der Begründung BRDrucks. 71/73) kommt es namentlich in diesem Stadium auf die Mitwirkung der Gesellschaft an. Dabei genügt es allein noch nicht, daß der Entlassene Unterkunft und Arbeit findet. Nach den Erfahrungen der Praxis scheitert die Resozialisierung selbst bei insoweit günstigen Vorbedingungen und gelungener kriminaltherapeutischer Behandlung in vielen Fällen an der Mißachtung und Ablehnung, mit denen die Umwelt den Entlassenen begegnet. Eine solche Isolierung kann gerade labilen Naturen den Mut zu neuem Anfang nehmen und sie auf den gleichen Weg zurückwerfen, der sie schon einmal in die Kriminalität führte.

d) Daß die Einstellung der Umwelt gegenüber den Entlassenen durch Fernsehberichterstattung über die Tat, namentlich in Form eines Dokumentarspiels ungünstig beeinflußt werden kann, bedarf nach den früheren Ausführungen (s. B IV 1) keiner weiteren Darlegung. Es kommt hinzu, daß die Notwendigkeit, dem Strafentlassenen von seiten der Gesellschaft bei der Wiedereingliederung zu helfen, in weiten Kreisen der Bevölkerung noch nicht hinreichend erkannt und akzeptiert worden ist. Die von der konkreten Fernsehsendung ausgehende nachteilige Wirkung wird insoweit durch die vorhandene allgemeine Abwehrhaltung gegenüber Strafentlassenen verstärkt. Zugleich kann eine solche Sendung auch beim Täter selbst die im Strafvollzug vielleicht mühsam erreichte innere Stabilisierung zerstören oder in Frage stellen: Die erneute bildhafte Konfrontation mit der Tat wirft ihn gewissermaßen auf den Stand zur Tatzeit zurück und gibt ihm die entmutigende Überzeugung, daß die Umwelt ihn trotz aller seiner Bemühungen noch immer als den Täter von damals ansieht. Von dieser Erkenntnis ausgehend, hat der Deutsche Presserat auf Anregung des Bundespräsidenten am 28. September 1971 empfohlen,

„im Interesse der schnellen und unbehinderten Resozialisierung von Strafgefangenen keine Namen oder nähere Hinweise zu veröffentlichen, die Rückschlüsse auf entlassene Häftlinge, ihre Familien oder den Entlassungsort zulassen“. (Tätigkeitsbericht 1971, S. 102).

e) Insgesamt ist somit eine wiederholte, nicht mehr durch das aktuelle Informationsinteresse gedeckte Fernsehberichterstattung über eine schwere Straftat jedenfalls dann unzulässig, wenn sie die Resozialisierung des Täters gefährdet. Die für die soziale Existenz des Täters lebenswichtige Chance, sich in die freie Gesellschaft wieder einzugliedern, und das Interesse der Gemeinschaft an seiner Resozialisierung gehen grundsätzlich dem Interesse an einer weiteren Erörterung der Tat vor. Ob und wieweit hier Ausnahmen denkbar sind, etwa bei einem überragenden historischen Interesse, bei wissenschaftlichen oder anderen Sendungen, die sich nur an einen begrenzten Zuschauerkreis wenden, bedarf keiner Prüfung, weil diese Voraussetzungen hier fehlen. Allgemein gilt: Je mehr eine Sendung das Typische einer Straftat zum Gegenstand hat, um so weniger wird sie einer Identifizierung der Täter bedürfen.

Eine Gefährdung der Resozialisierung ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine den Täter identifizierende Sendung nach seiner Entlassung oder in zeitlicher Nähe zu der bevorstehenden Entlassung ausgestrahlt werden soll. Hierfür ist zu berücksichtigen, daß eine zeitige Freiheitsstrafe schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit unter den in § 26 Abs. 2 StGB geregelten Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden kann und nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit unter den in § 26 Abs. 1 StGB geregelten Voraussetzungen auszusetzen ist.
V.

Bei einer Prüfung nach den entwickelten verfassungsrechtlichen Kriterien können die angefochtenen Entscheidungen keinen Bestand haben.

1. Das Landgericht hat die Güterabwägung zwischen dem Interesse des Beschwerdeführers und dem Interesse des ZDF allein an den §§ 22, 23 KUG orientiert, ohne die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG und aus Art. 5 Abs. 1 GG zu erkennen.

Das Oberlandesgericht hat zwar erkannt, daß hier ein Konflikt zwischen der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG und dem Persönlichkeitsschutz nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 GG besteht, und hat bei der im Rahmen des § 23 KUG vorgenommenen Abwägung zwischen dem Recht am eigenen Bild und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit die Ausstrahlungswirkung dieser Grundrechtsnormen berücksichtigt. Bei der Lösung des aufgezeigten Konflikts hat es jedoch die aus den allgemeinen Verfassungsnormen für Fälle der vorliegenden Art abzuleitenden, freilich bisher verfassungsgerichtlich nicht näher bestimmten Kriterien nicht richtig angewandt, vor allem dem Resozialisierungsinteresse nicht den ihm aus verfassungsrechtlicher Sicht gebührenden Rang eingeräumt.

2. Eine Beurteilung, welche die Einwirkung der hier maßgebenden Grundrechte auf das einfache Recht hinreichend zur Geltung kommen läßt, führt zu dem Ergebnis, daß dem Antrag des Beschwerdeführers im Ausgangsverfahren stattzugeben ist.

Zwar ist für die Abwägung zwischen dem durch die Rundfunkfreiheit verstärkten Recht des ZDF auf Darstellung von Vorgängen der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auf der einen Seite, dem durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde verstärkten Interesse des Beschwerdeführers an der Verhinderung der Darstellung auf der anderen Seite mit den angefochtenen Entscheidungen davon auszugehen, daß die Besonderheit der dargestellten Straftat – der Angriff auf eine Einrichtung der Bundeswehr, die abscheuerregende Ausführung und die Zahl der Opfer, die ungewöhnliche, weithin unverständliche Motivation – ein starkes Interesse der Bevölkerung an näherer Unterrichtung und Aufklärung erregt hat. Es ist weiter zu berücksichtigen, daß das streitige Dokumentarspiel sich um eine möglichst wirklichkeitsgetreue Darstellung bemüht und auch die Schilderung der Beziehung zwischen den Tätern nicht anstößig ist.

Dennoch würde die Ausstrahlung des Spiels aus den oben (B IV 1)* erwähnten Gründen wegen der Reichweite der Sendung, der gewählten Form des Dokumentarspiels und der zu erwartenden Wirkung einen Eingriff von hoher Intensität in das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers bedeuten. Soweit das ZDF demgegenüber geltend gemacht hat, das Spiel solle neben anderen Zwecken auch dazu dienen, Verständnis für den Beschwerdeführer zu wecken, haben schon die Gerichte des Ausgangsverfahrens diesen Vortrag als unbeachtlich angesehen; denn das Spiel läßt nach Inhalt und Gestaltung keine derartige Tendenz erkennen. Die gewählte Interpretation der Tat unter dem Gesichtspunkt der homosexuellen Gruppenbildung hat, wie die Sachverständigen Professor Lüscher und Possehl ausgeführt haben, eher die gegenteilige Wirkung, insofern sie den Eindruck erweckt, die Tat sei im Grunde dem Beschwerdeführer nicht wesentlich weniger zuzurechnen als den Haupttätern, er habe sich nur aus Feigheit bei der Ausführung im Hintergrund gehalten, dafür aber die anderen durch aggressive Reden in ihrem Vorhaben bestärkt. Das entspricht nicht der Beurteilung des Schwurgerichts, das den Tatbeitrag des Beschwerdeführers wesentlich geringer bewertet hat als den der Haupttäter.

Dieser schwere Eingriff in den Persönlichkeitsbereich des Beschwerdeführers ist nicht durch das grundsätzlich vorrangige Interesse an der aktuellen Berichterstattung über die Straftat zu rechtfertigen. Diesem Interesse ist durch die ausgiebige Unterrichtung der Öffentlichkeit in allen Medien unmittelbar nach der Entdeckung der Tat, während der Fahndung und vor allem während des Strafprozesses Genüge getan. Im Verhältnis dazu wirkt die nicht mehr im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Strafverfahren stehende Darstellung in einem Dokumentarspiel als eine neue Beeinträchtigung des Persönlichkeitsschutzes des Beschwerdeführers, wobei es keinen Unterschied macht, ob man mit dem Oberlandesgericht den Zeitpunkt der Entscheidung im Ausgangsverfahren, den jetzigen Zeitpunkt oder den ursprünglich vorgesehenen Sendetermin im Juni 1972 als maßgebend ansieht.

Dieser neue Eingriff ist nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. Einsele, des Anstaltspsychologen Possehl, der von ihm mitgeteilten Ansicht der zuständigen Strafanstaltskonferenz sowie nach der Auskunft der Landesregierung von Rheinland-Pfalz geeignet, die Resozialisierung des Beschwerdeführers schwer zu gefährden; die Sendung würde in erster Linie die Einstellung der Umwelt gegenüber dem Beschwerdeführer, aber auch seine innere Stabilisierung nachteilig beeinflussen. Die für eine solche Einwirkung erforderliche zeitliche Nähe der erneuten Darstellung zu der bevorstehenden Entlassung wäre in jedem Fall gegeben, gleichgültig, welchen der genannten Zeitpunkte man zugrunde legt. Wenn das ZDF mit der Anregung, weitere Sachverständige zur persönlichkeitsdiagnostischen Beurteilung des Beschwerdeführers zu hören, offenbar das Gelingen einer Resozialisierung überhaupt, insbesondere die Resozialisierungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Zweifel ziehen will, so ist demgegenüber darauf hinzuweisen, daß es nicht Aufgabe des zivilgerichtlichen oder verfassungsgerichtlichen Verfahrens sein kann, die Beurteilung des in erster Linie kompetenten Strafgerichts und der für den Vollzug der verhängten Strafe zuständigen Behörden durch eigene Prognosen zu ersetzen. Zudem hängt das Gelingen einer Resozialisierung stets von dem niemals mit letzter Sicherheit vorauszusehenden Zusammenwirken verschiedener Faktoren ab. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung kommt es allein darauf an, daß die nach dem Urteil der zuständigen Stellen durchaus gegebene Chance des Beschwerdeführers, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern, erhalten bleibt.

Demgegenüber kann entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts der Schwere der Schuld des Täters kein entscheidender Einfluß zugemessen werden. Es widerspricht dem Resozialisierungsgedanken, die Bewertung des Interesses an der Wiedereingliederung eines – resozialisierungsfähigen – Straftäters von dem Ausmaß seiner Schuld an der Straftat abhängig zu machen. Ebensowenig kann entgegen der Auffassung des ZDF und des Oberlandesgerichts maßgebend sein, daß der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung in seine Heimatstadt zurückkehren will, wo Tat und Täter ohnehin, namentlich durch die frühere Berichterstattung, bekannt sind. Zum einen liegt es auf der Hand, daß das geplante Dokumentarspiel – wie auch das Oberlandesgericht erwähnt – gerade in diesem Bereich auf das besondere Interesse der Bevölkerung stoßen würde. Zum anderen macht es einen wesentlichen Unterschied, ob noch eine mehr oder weniger allgemeine Erinnerung an die inzwischen bereits vier Jahre zurückliegenden Vorgänge besteht oder ob durch eine bildhafte Darstellung der vorliegenden Art die schreckliche Tat erneut eindringlich vor Augen geführt wird und der frische Eindruck die entsprechenden verständlichen Reaktionen der Zuschauer hervorruft. Insoweit ist nicht allein die gewählte Sendeform des Dokumentarspiels, sondern darüber hinaus die Interpretation der Tat aus dem Gesichtspunkt der homosexuellen Gruppenbildung erheblich. Schon das Oberlandesgericht hat hervorgehoben, daß das Spiel den Aspekt der Homosexualität weit stärker betont, als dies im Urteil des Schwurgerichts zum Ausdruck kommt. Dies wird nicht allein durch entsprechende Andeutungen bei einzelnen Szenen bewirkt, vielmehr wird die Aufmerksamkeit des Zuschauers noch besonders durch den einleitenden Kommentar zu Beginn der Sendung und später durch wiederholte, die Handlung unterbrechende Hinweise gerade auf diesen Aspekt als behauptete Ursache der Isolierung der Täter gelenkt. Von dieser Art der Darstellung ist eine besondere Erschwerung der Resozialisierung zu befürchten. Dies folgt nicht nur aus den allgemeinen nachteiligen Wirkungen, die sich angesichts der bekannten Einstellung der Bevölkerung gegen Homosexuelle durch eine solche zusätzliche Kennzeichnung des Beschwerdeführers als Außenseiter der Gesellschaft ergeben würden. In der Situation des Beschwerdeführers kann die Verbindung mit einem weiblichen Lebenspartner einen entscheidenden Faktor für das Gelingen seiner Wiedereingliederung bilden. Nach der Beurteilung durch das Schwurgericht, das sich hierfür auf das Gutachten von Sachverständigen gestützt hat, und nach Ansicht des Sachverständigen Possehl ist nach der Veranlagung des Beschwerdeführers eine solche günstige Entwicklung durchaus möglich; sie könnte ihm aber endgültig versperrt werden, wenn er durch die Ausstrahlung des Dokumentarspiels als Homosexueller abgestempelt würde.

Ein überragendes Interesse der Meinungsbildung, das ausnahmsweise eine so schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich (vgl. dazu auch BVerfGE 7, 198 [211 f.] – Lüth -; 12, 113 [126 ff.] – Schmid-Spiegel -; 25, 256 [264] – Blinkfüer -; BGHZ 45, 296 [308] – Höllenfeuer -; BGH, NJW 1965, S. 1476 [1477] – Glanzlose Existenz -). Das vom ZDF nach seiner Erklärung verfolgte Ziel, die Bevölkerung über die Wirksamkeit der Strafverfolgung, über die von der Bundeswehr getroffenen Sicherungsmaßnahmen und andere aus der Tat gezogene Konsequenzen aufzuklären, kann auch ohne eine den Beschwerdeführer identifizierende Darstellung verfolgt werden. Ob solche Sendungen im allgemeinen und dieses Dokumentarspiel im besonderen überhaupt eine abschreckende Wirkung auf potentielle Täter haben können, läßt sich nach den übereinstimmenden Aussagen der Sachverständigen bezweifeln; selbst wenn dies zu bejahen wäre, könnte eine solche ungewisse Möglichkeit die sichere schwere Gefährdung der sozialen Existenz des Beschwerdeführers und die daraus auch für die Allgemeinheit erwachsenden Nachteile nicht aufwiegen. Das gleiche gilt für die vom ZDF weiter herangezogenen Ziele einer Stärkung der öffentlichen Moral und sozialen Verantwortung. Es bestand daher auch unter diesen Gesichtspunkten keine Veranlassung, weitere Beweise zu erheben.

Im Ergebnis muß somit bei einer an den Wertvorstellungen der Verfassung orientierten Auslegung des § 23 KUG dem Interesse des Beschwerdeführers, die Ausstrahlung des Dokumentarspiels zu verhindern, der Vorrang zukommen. Diesem Interesse würde nicht genügt, wenn entsprechend der Auffassung der Bundesregierung nur eine Ausstrahlung untersagt würde, soweit das Spiel den Beschwerdeführer im Bilde zeigt und seinen Namen nennt. Auch wenn dies entfiele, würde die verbleibende Darstellung den Beschwerdeführer hinreichend erkennbar machen, um die zu befürchtenden nachteiligen Folgen für seine Resozialisierung auszulösen; der Reiz, das Geheimnis zu entschlüsseln, könnte sogar in dem maßgebenden lokalen Bereich das Interesse der Zuschauer in besonderem Maß auf den Beschwerdeführer lenken.

Da nach den vorstehenden Ausführungen die Darstellung des Beschwerdeführers in dem streitigen Dokumentarspiel schon zu beanstanden ist, soweit sie den weiteren, eine Beschränkung nicht von vornherein ausschließenden Bereich privater Lebensgestaltung betrifft (vgl. oben B II 1), bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob einzelne Szenen, etwa über die Familienbeziehungen des Beschwerdeführers oder sein Verhältnis zu den Haupttätern, den unantastbaren innersten Lebensbereich berühren.

3. Es mag dahingestellt bleiben, ob dem in Rede stehenden Dokumentarspiel, das ein tatsächliches Geschehen wirklichkeitsgetreu nachvollziehen will, der Charakter eines Werkes der Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GG zuerkannt werden könnte. Auch bei Anwendung dieser Verfassungsnorm wäre zu beachten, daß die Freiheit der Kunst, obwohl die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG für sie nicht gelten, dem in Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Persönlichkeitsschutz nicht übergeordnet ist (vgl. BVerfGE 30, 173 [193 ff.] – Mephisto -).
VI.

Die angefochtenen Entscheidungen verletzen daher die Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG und sind nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Dabei würde es der Besonderheit des Falles nicht entsprechen, die Sache zu erneuter Entscheidung an eines der im zivilgerichtlichen Verfahren zuständigen Gerichte zurückzuverweisen. Denn bei Anwendung der verfassungsrechtlichen Kriterien unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht erhobenen Beweise besteht kein Spielraum mehr für die richterliche Entscheidung; vielmehr muß der Antrag des Beschwerdeführers in vollem Umfang Erfolg haben. Bei einer Zurückverweisung könnten die Gerichte des Ausgangsverfahrens somit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur wiederholen. Dies erscheint als wenig sinnvoll, zumal da das Interesse des Beschwerdeführers einen schnellen Abschluß des Ausgangsverfahrens verlangt, um die durch dieses Verfahren und das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ohnehin hervorgerufene Publizität in Grenzen zu halten; auch das ZDF ist an einer baldigen Entscheidung im Ausgangsverfahren interessiert. Im übrigen kann es verfassungsrechtlich keinen entscheidenden Unterschied machen, ob die zu beseitigende Verfassungsverletzung wie hier darin liegt, daß dem Begehren des Beschwerdeführers auf Erlaß eines gegen Dritte gerichteten Hoheitsaktes nicht stattgegeben wurde, oder darin, daß ein gegen den Beschwerdeführer selbst gerichteter Hoheitsakt erlassen worden ist. In Fällen der letzteren Art hat das Bundesverfassungsgericht nicht selten durch Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und etwaiger ihnen zugrunde liegender Verwaltungsakte abschließend in der Sache entschieden und das Verfahren nur wegen der Kostenentscheidung zurückverwiesen (vgl. BVerfGE 6, 386 [389]; 13, 331 [355]; 19, 101 [103 f.]; 21, 160 [163]). Entsprechend war auch hier zu verfahren und die beantragte einstweilige Verfügung vom Bundesverfassungsgericht selbst zu erlassen. Für das weitere Verfahren einschließlich der Vollstreckung steht diese einstweilige Verfügung einer vom Oberlandesgericht erlassenen einstweiligen Verfügung gleich. Die Sache wird daher lediglich zur Entscheidung über die Kosten des Ausgangsverfahrens an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beruht auf § 34 Abs. 4 BVerfGG. Erstattungspflichtig ist das Land Rheinland- Pfalz, dem die vom Beschwerdeführer erfolgreich gerügte Grundrechtsverletzung zuzurechnen ist.
Benda, Ritterspach, Dr. Haager, Rupp-v. Brünneck, Dr. Böhmer, Dr. Faller, Dr. Brox, Dr. Simon

Via www.servat.unibe.ch.
Tags: Identifizierende Berichterstattung, Programmfreiheit, Recht Am Eigenen Bild, Rundfunkfreiheit, Straftäter
Weitere Fundstellen: BVerfGE 35, 202.
Link zu dieser Entscheidung: http://tlmd.in/u/90
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