Der AfD-Vize beleidigt Jerome Boateng. Kommentar von Jan Rübel.

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Der AfD-Vize beleidigt Jerome Boateng rassistisch und spielt das Unschuldslamm. Vielleicht ist diese Dreistigkeit eine Masche. Vielleicht aber hatte Gauland nur das falsche Jackett an.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Mit jedem Wort macht er es gerade schlimmer. Alexander Gauland inszeniert sich gern als seriösen Mahner. Am Wochenende warnte er mal wieder, tja, wovor denn nun? Der AfD-Vize macht es einem nicht einfach zuzuhören. Also der Reihe nach.
Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ hatte ihn mit der Aussage zitiert: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Der in Berlin geborene Jerome Boateng ist der Sohn einer deutschen Mutter und eines ghanaischen Vaters – und Stammverteidiger in Deutschlands Nationalelf.
Als dann ein Sturm sich erhob und recht viele von diesen Leuten, von denen Gauland immerzu spricht, sich als Nachbarn von Boateng bewarben, ruderte der Mann, der sich gern als alter Weiser vom Berg sieht, zurück: Er habe sich nicht über Boateng als Person geäußert. „Ich habe nie, wie die ‘FAS’ insinuiert, Herrn Boateng beleidigt. Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten.“
Dumm nur, dass die Kollegen von der FAS das Gespräch aufgezeichnet hatten.
Das dämmerte auch dem Tweedjackenintellektuellen und er ging vor die Kamera. In der ARD erklärte Gauland schließlich, Boatengs Name könne gefallen sein, möglicherweise seitens der Journalisten – „denn ich kenne mich im Fußball gar nicht aus“. Er habe deutlich machen wollen, „dass es viele Menschen gibt, die halt Fremde in ihrer Nachbarschaft nicht für ideal halten“.
Was lernen wir daraus – abgesehen davon, dass Gauland sich nicht für Fußball interessiert?
Die gute Nachbarschaft scheint ihm am Herzen zu liegen. Und daher, das wird Gauland in aller Kühle seines Verstandes bewusst formuliert haben, wollte er wohl vier Dinge klarstellen.

Erstens: Menschen, die so in etwa wie Boateng heißen, also Botting, Botenmann oder Tengelmann – die werden nur gemocht, wenn sie eine tolle Leistung erbringen. Sie müssen gewissermaßen in Vorleistung gehen, denn mit ihrem Namen scheint, so meint offenbar Gauland, etwas nicht in Ordnung zu sein. Also ein Spitzensportler, den nimmt Gauland gern. Aber nur für die Mattscheibe, und wenn er dort Ruhm und Ehre fürs Land erbringt (was Gauland und uns vielen anderen noch nicht gelungen ist), aber zu nah auf die Pelle rücken soll er nicht. Heißt: Nach Potsdam, wo Gauland wohnt, könne so einer wie Boateng vielleicht zum Shoppen, aber dann bittschön zurück ins Ghetto nach München oder Berlin-Charlottenburg, wo so einer wie Boateng aufwuchs.

Zweitens: Halt, Gauland ist missverstanden worden. Er redete ja nicht von sich, sondern von „den Leuten“. Er berichtete sozusagen über die. Da stellt sich die Frage: Warum tat er das? Wollte er warnen? Ist er darüber besorgt, dass Menschen „Fremde“ nicht in ihrer Nachbarschaft haben wollen – und warum gilt man als Fremder, wenn man Boateng heißt? Als Antwort fällt mir nur ein, dass Gauland nicht mehr genau weiß, wer die Leute sind – und wer er ist. Als Rechtspopulist hat man es ja schwer. Da ist man ständig eine Art Inkarnation eines Volksgeistes, ein Sprachrohr des Volkswillens, denn ständig redet das Volk zu einem. Nur flüstern „die Leute“ ihm nicht ein: ‚Kauf mehr Himbeersaft‘, sondern sie bringen ihm bei, welche Namen gehen und welche nicht. Ständig weiß das Volk, was es will. Ein stressiger Job für eine Flüstertüte wie Gauland.

Drittens: Gauland will uns für dumm verkaufen. Zum einen, weil er meint im Namen von Leuten zu sprechen, die nicht gefragt worden sind, ob jemand in ihrem Namen sprechen soll. „Die Leute“ – sind das auch jene, die sich ehrenamtlich in Erstunterkünften für nach Deutschland Geflohene engagieren? Die Omis vom Kegelclub in Georgsfeld? Die Ortsgruppe des CVJM Herne? Und zum anderen, weil er meint Jerome Boateng, den deutschen Fußballnationalspieler, damit nicht beleidigt zu haben. Er nennt ihn beim Namen, meint ihn aber nicht persönlich. Das klingt nach Persönlichkeitsspaltung oder nach gewollter Bösartigkeit eines Trickbetrügers.
So „einer wie Gauland“ denkt womöglich, dass er immer diesen Volksgeist, den er spürt, bedienen muss. Ihn füttern muss wie einen Hund. So wird „einer wie Gauland“ sich überlegt haben, welchen Kracher er im Interview mit einer überregionalen Wochenzeitung loslassen kann, sozusagen als Wochenendböller. Dass er sich dann zurückzieht und sich missverstanden gibt („Lügenpresse“), ist ein gewohntes Manöver.

Am Ende nur eine Bitte: Könnten „die Leute“ dem Gauland nicht mal flüstern, dass seine dicken braunen und allzu oft karierten Tweed-Jacketts ihm nicht gerade stehen? Besonders im Sommer muss das echt beschweren und anstrengen, von der Farbirrung ganz zu schweigen. Für diesen Stoff ist nämlich Gaulands Erscheinung zu bleich und blass. Mit leichterem Leinen redet er vielleicht dann weniger Hass.

Mit freundlicher Genehmigung von Jan Rübel

Jan Rübel erhielt mehrfach Auszeichnungen:

2011 Theodor-Wolff-Preis
2013 Journalistenpreis Weltbevölkerung, Erster Preis
2014 nominiert Alternativer Medienpreis
2014 ERM-Medienpreis, Dritter Preis
2015 Karl-Kübel-Medienpreis
2016 nominiert Alternativer Medienpreis

Foto/Bildquelle: Jan Rübel

http://daserste.ndr.de/extra3/sendungen/Oliver-Kalkofes-Laudatio-fuer-Alexander-Gauland,extra12578.html

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