Die Menschen fühlten sich gering geschätzt, zu wenig beachtet.

Die Vorsitzende der Partei DIE LINKE, Susanne Hennig-Wellsow, erklärt zum Tag der Deutschen Einheit:

„Seit dem 3. Oktober 1990 ist viel Gutes passiert, und das erkennen die Menschen im Osten auch an. Es bleiben aber große Lücken, von gleichwertigen Lebensverhältnissen, wie sie die Verfassung aufgibt, kann überhaupt nicht die Rede sein.

Geringere Löhne, Rentenlücke, kaum Ostdeutsche in Spitzenpositionen – das sind ja nicht bloß statistische Daten, das macht auch was mit Menschen: sie fühlen sich gering geschätzt, zu wenig beachtet.

In den vergangenen drei Jahrzehnten hat keine Bundesregierung dies wirklich ernst genommen. Statt dessen wurden Beauftragte ernannt, Kommissionen eingesetzt und in Wahlkämpfen Ostpolitik ins Schaufenster stellt.

Das muss anders werden. Ostdeutschland ernst nehmen, heißt, Ostdeutsche einzubeziehen, sie über sich selbst mitentscheiden zu lassen, ihre Expertise, ihren Eigensinn als selbstverständlichen Teil dieser Republik zu betrachten, und nicht als immer noch nicht richtig dazugehörende Bewohnerinnen und Bewohner der »neuen Bundesländer«.

Dass in den Sondierungsteams der Parteien, die jetzt eine Bundesregierung anbahnen wollen, kaum Ostdeutsche sind, zeigt mal wieder, wie wenig ernst es andere Parteien mit dem Thema meinen.

Sondierungen loten die zentralen Linien einer möglichen Regierung aus – und wenn dann trotz der Dringlichkeit, im Osten zum wirtschaftlichen und sozialen Sprung anzusetzen, infrastrukturelle und demografische Herausforderungen anzupacken, kaum jemand aus dem Osten mit am Tisch setzt, dann ist vorgezeichnet, dass der Osten abermals in einer Bundesregierung zur Nebensache wird.

Das können wir uns nicht länger leisten. Mehr noch: Die Ostdeutschen können sich das nicht länger leisten.

Neben der Schließung der Lohnlücke und der Besetzung von Führungspositionen mit Ostdeutschen muss die drängende Frage beantwortet werden, wie in einer der demographisch ältesten Region Europas Wirtschaft, öffentliche Daseinsvorsorge und Infrastruktur langfristig gesichert werden können. Die bisher unternommenen Anstrengungen reichen dafür bei weitem nicht aus. Deshalb müssen diese Dinge jetzt mit Priorität und Nachdruck ganz oben auf die Tagesordnung.

Statt aber weiter auf eine »Angleichung« zu setzen, die im Grunde nur das Einholen des westdeutschen Status quo zum Ziel hat, sollten solidarische und ökologische Alternativen ins Zentrum rücken. Für selbstbewussten Eigensinn Ost statt falschen Nachbau West. Für eine Politik, der es nicht allein darum geht, noch bestehende Unterschiede wegzubügeln. Sondern die das gewachsene und gelebte Andere weiterentwickelt, gerechter und noch lebenswerter macht.“

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