Durchsuchung zur Durchführung einer Abschiebung um 4.30 Uhr in der Regel unzulässig.

Die Ausländerbehörde der Stadt Duisburg ist nicht berechtigt, eine Wohnung um 4.30 Uhr morgens zu durchsuchen, um einen Ausländer zum Zweck seiner Abschiebung aufzufinden. Das hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom 16. November 2020, der den Beteiligten heute zugestellt wurde, entschieden.

Den auf die zuletzt neu eingefügten Vorschriften des § 58 Abs. 6 bis 8 des Aufenthaltsgesetzes gestützten Durchsuchungsantrag hat die Kammer schon deshalb abgelehnt, weil er nicht alle für die Entscheidung notwendigen Angaben enthalten habe. Insbesondere müsse für die zu ergreifenden Personen dargelegt sein, warum diese vollziehbar ausreisepflichtig seien und keine zwingenden Duldungsgründe vorlägen. Die Durchsuchung einer Wohnung sei auch nicht schon dann erforderlich, wenn eine dem Ausländer gesetzte Ausreisefrist abgelaufen sei. Erforderlich seien darüber hinausgehende Umstände, etwa die Erklärung, nicht freiwillig ausreisen zu wollen.

Auch dürfe die Wohnung im vorliegenden Fall nicht wie beantragt um 4:30 Uhr morgens durchsucht werden. Denn das Aufenthaltsgesetz lasse solche Vollstreckungsmaßnahmen zur Nachtzeit nur ausnahmsweise zu. Weil nach den heutigen Lebensgewohnheiten zumindest die Zeit zwischen 21:00 und 6:00 Uhr ganzjährig als Nachtzeit anzusehen sei, sei es auch von Verfassung wegen geboten, dass sich der Schutz vor nächtlichen Wohnungsdurchsuchungen im Regelfall ganzjährig auch auf die Zeit von 4:00 bis 6:00 Uhr morgens erstrecke. Soweit in § 104 Abs. 3 der Strafprozessordnung (StPO) zur Bestimmung der Nachtzeit noch zwischen Sommer- und Wintermonaten differenzierend in der Sommerzeit (1.4. – 30.9.) die Nachtzeit auf den Zeitraum von 21:00 bis 4:00 Uhr bestimmt, sei diese Vorschrift nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 2019 (2 BvR 675/14) nicht mehr anzuwenden. Die seit dem 1. Oktober 1879 unveränderte Regelung der Nachtzeit in der StPO gehe auf die zu diesem Zeitpunkt noch überwiegend agrarischen Lebensverhältnisse der Gesellschaft zurück. Sie sei insoweit nicht mehr zeitgemäß, als sie nicht berücksichtige, dass die Tageszeit heute für den weit überwiegenden Teil der Bevölkerung auch zwischen April und September nicht schon um 4:00 Uhr morgens beginne.

Die beantragte Durchsuchung der Wohnung zur Nachtzeit sei hier auch nicht ausnahmsweise zulässig, weil keine Tatsachen vorlägen, aus denen zu schließen sei, dass die Abschiebung anderenfalls vereitelt würde. Insbesondere könne sich die Behörde insoweit nicht auf den frühen Start des Abschiebeflugs berufen. Bloße Organisationserwägungen rechtfertigten nach Auffassung der Kammer kein nächtliches Betreten oder gar Durchsuchen von Wohnungen. Die Ausländerbehörde müsse umgekehrt Planungen der Abschiebewege und -mittel an den rechtlichen Vorgaben ausrichten.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet. Aktenzeichen: 7 I 32/20

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