EU-Kommission ebnet Weg für schnelles Internet und ein modernes Urheberrecht.

Anlässlich der Rede von Präsident Juncker zur Lage der Union 2016 schlug die EU-Kommission gestern eine ehrgeizige Überarbeitung der EU-Vorschriften für den Telekommunikationsbereich sowie weitere neue Initiativen vor, mit denen die wachsenden Anforderungen an die Netzanbindung in Europa erfüllt und Europas Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden sollen. Diese Vorschläge schafften Anreize für Investitionen in Netze mit sehr hoher Kapazität und sollen schneller dafür sorgen, dass die Europäerinnen und Europäer öffentliche Wi-Fi-Zugänge nutzen können. „Europa will beim Ausbau der 5G-Technik vorangehen. Es ist an der Zeit, zu einer Gigabit-Gesellschaft überzugehen und dafür zu sorgen, dass alle Europäerinnen und Europäer, unabhängig davon, ob sie auf dem Land oder in der Stadt leben, eine hochwertige Internetanbindung bekommen“, sagte EU-Kommissar Günther Oettinger. Ferner legte die Kommission gestern Vorschläge zur Modernisierung des Urheberrechts vor, um die kulturelle Vielfalt in Europa und die Verfügbarkeit von Inhalten über das Internet zu fördern und klarere Regeln für alle Internet-Akteure festzulegen.

Bei der Arbeit, zu Hause oder unterwegs – die europäischen Bürgerinnen und Bürger erwarten eine schnelle und zuverlässige Internetanbindung. Für Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Fertigung oder Verkehr wird die Förderung von Investitionen in Netze mit sehr hoher Kapazität immer wichtiger. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden und Europa den Weg in die digitale Zukunft zu ebnen, stelte die Kommission gestern drei strategische Konnektivitäts-Ziele auf, die bis 2025 erreicht werden sollen:

• 1. Alle Bereiche mit besonderer sozioökonomischer Bedeutung wie Schulen, Hochschulen, Forschungszentren, Verkehrsknotenpunkte, Anbieter öffentlicher Dienste (etwa Krankenhäuser und Verwaltungen) sowie Unternehmen, die sich in hohem Maße auf Digitaltechnik stützen, sollten eine äußerst leistungsstarke Gigabit-Internetanbindung haben (mit Sende- und Empfangsgeschwindigkeiten von 1 Gigabit pro Sekunde).
• 2. Alle europäischen Privathaushalte sollten, unabhängig davon, ob sie sich auf dem Land oder in der Stadt befinden, einen Internetanschluss mit einer Empfangsgeschwindigkeit von mindestens 100 Mbit/s haben, die auf Gbit/s-Geschwindigkeit aufgerüstet werden kann.
• 3. Alle Stadtgebiete sowie alle wichtigen Straßen- und Bahnverbindungen sollten durchgängig mit einer 5G-Anbindung, d. h. mit drahtlosen Kommunikationssystemen der 5. Generation, versorgt werden. Als Zwischenziel sollte bis 2020 mindestens eine Großstadt in jedem Mitgliedstaat auf gewerblicher Grundlage mit 5G-Technik ausgerüstet werden.

Diese Ziele lassen sich nur mit einem erheblichen Investitionsaufwand realisieren. Daher schlug die Kommission einen neuen europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation vor, der zukunftsweisende und vereinfachte Regeln enthält, die es für alle Unternehmen attraktiver machten, überall in der EU – lokal wie auch grenzübergreifend – in neue Spitzeninfrastrukturen zu investieren. Dank dieser durch den neuen Rechtsrahmen mobilisierten Investitionen könnte in den nächsten zehn Jahren (bis 2025) unser BIP um zusätzliche 910 Mrd. Euro steigen, und es könnten 1,3 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen, heißt es.

Neben dem Kodex legte die Kommission auch einen Aktionsplan vor, mit dem die 5G-Technik ab 2018 unionsweit ausgebaut werden soll. Damit sollen zwei Millionen Arbeitsplätze in der EU geschaffen werden. Eine weitere wichtige Initiative des gestern vorgelegten Konnektivitätspakets ist die Initiative „WiFi4EU“, die europäische Kommunen darin unterstützen soll, allen Bürgerinnen und Bürgern kostenfreie Wi-Fi-Zugangspunkte anzubieten.

WiFi4EU

Mit der neuen Initiative sollen alle interessierten lokalen Behörden die Möglichkeit erhalten, ihren Bürgerinnen und Bürgern beispielsweise in öffentlichen Gebäuden und in deren Umfeld sowie in Gesundheitszentren, Parks oder Anlagen freie Wi-Fi-Zugänge anzubieten. Mit einer Erstausstattung von 120 Mio. Euro hätte dieses neue Gutscheinsystem das Potenzial, an Tausenden von öffentlichen Plätzen Internetanbindungen in der Größenordnung von 40 bis 50 Millionen Wi-Fi-Verbindungen pro Tag zu ermöglichen. Die Mittel für die Einrichtung lokaler drahtloser Zugangspunkte sollten nach Annahme des Systems durch das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten rasch zur Verfügung stehen. Bis 2020 sollten mindestens 6000 bis 8000 Kommunen von diesem neuen Projekt profitieren. Wie in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehen, wären Behörden, die ihren Bürgerinnen und Bürgern diesen Dienst anbieten, für die von den Nutzern übertragenen Inhalte nicht verantwortlich.

5G-Aktionsplan

Darüber hinaus legte die Kommission gestern einen 5G-Aktionsplan vor: Der gewerbliche Start der 5G-Technik in der EU soll 2020 nach einem gemeinsamen Zeitplan erfolgen. Geplant ist, dass die 5G-Frequenzbänder gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der Branche festgelegt und zugeteilt werden. Bis 2018 sollen europaweit 5G-Testläufe durchgeführt und gemeinsame, weltweite 5G-Standards gefördert werden. Außerdem sollen alle EU-Mitgliedstaaten bis 2018 nationale 5G-Ausbaupläne verabschieden.

Die Kommission und im Telekommunikationssektor tätige Investoren sondieren zudem die Möglichkeit, Start-ups, die 5G-Lösungen für innovative Anwendungen und Dienste für unterschiedlichste Branchen entwickeln, Risikokapital zur Verfügung zu stellen. Dies würde in Form einer eigenen Fazilität für Risikokapitalfinanzierung erfolgen, um sie bei der Vermarktung neuer Dienste zu unterstützen, etwa im Bereich des automatisierten Fahrens, der Warenlieferung mit Hilfe von Drohnen oder der virtuellen Realität für die professionelle Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen.

Ein modernes Urheberrecht

Durch die digitalen Technologien soll sich die Art und Weise, in der Musik, Filme, Fernseh- und Hörfunksendungen, Bücher und Presseerzeugnisse hergestellt, vertrieben und genutzt werden, ändern. Neue Online-Dienste wie Musikstreaming, Plattformen für Videoabruf (Video on Demand) und Nachrichtenaggregatoren, die inzwischen sehr beliebt sind, und von den Verbrauchern zunehmend erwartet werden, auch über Grenzen hinweg (mobilen) Zugang zu kulturellen Inhalten zu haben. In der neuen digitalen Landschaft würden Möglichkeiten für europäische Kulturschaffende entstehen, sofern die Vorschriften für Rechtssicherheit und Klarheit für alle Akteure sorgen. Als zentrale Elemente ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt hat die Kommission gestern Vorschläge verabschiedet, mit denen sie Folgendes anstrebt:

• mehr Auswahl und einen leichteren Zugang zu Inhalten, im Internet und über Grenzen hinweg
• ein besseres Urheberrecht im Hinblick auf Bildung, Forschung, das Kulturerbe und die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen
• einen gerechteren und tragfähigeren Markt für Urheber, die Kultur- und Kreativwirtschaft und die Presse.

Wenn die Rundfunkveranstalter die überwiegende Mehrheit ihrer Inhalte (Nachrichten, kulturelle oder politische Sendungen, Dokumentationen und Unterhaltungssendungen) auch in anderen Mitgliedstaaten zeigen könnten, verfügten die Verbraucher über mehr Wahlmöglichkeiten.

Studierende und Lehrkräfte wollen digitale Materialien und Technologien für Unterricht und Lernen einsetzen, doch fast ein Viertel der Lehrkräfte haben beim Einsatz digitaler Mittel zu Lehrzwecken Woche für Woche mit urheberrechtlichen Beschränkungen zu tun. Die Europäische Kommission schlug gestern eine neue Ausnahmeregelung für die Verwendung von Materialien in digitaler Form zur Veranschaulichung im Unterricht in Bildungseinrichtungen und in Online-Kursen vor, die grenzüberschreitend gelten soll.

Die Urheberrechtsrichtlinie diene der Stärkung der Stellung der Rechteinhaber bei Verhandlungen, auch über die Vergütung der Online-Nutzung ihrer Inhalte auf Videoplattformen wie YouTube oder Dailymotion. Solche Plattformen sollen verpflichtet werden, wirksame Mittel wie Technologien zur automatischen Erkennung von Liedern oder audiovisuellen Werken einzusetzen, die ihnen von Rechteinhabern genannt wurden und deren Nutzung von diesen genehmigt wurde oder die diese entfernt haben möchten.

Zeitungen, Zeitschriften und andere Presseerzeugnisse hätten bereits vom Übergang von gedruckten zu digitalen Medien und zu Internet-Diensten wie sozialen Medien und Nachrichtenaggregatoren profitiert. Das Publikum hat sich dadurch vergrößert, es sind jedoch auch Auswirkungen auf die Einnahmen aus der Werbung festzustellen und die Lizenzierung und die Durchsetzung der Rechte an diesen Veröffentlichungen würde immer schwieriger. Die Kommission schlug die Einführung eines neuen Schutzrechts für Verleger vor, das dem im EU-Recht bereits existierenden Recht für Filmproduzenten, Tonträgerhersteller und andere Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft (z. B. Rundfunkveranstalter) entspricht.

Durch das neue Recht würde die wichtige Rolle der Presseverleger bei Investitionen in hochwertige journalistische Inhalte und ihr genereller Beitrag zur Schaffung solcher Inhalte anerkannt, die für den Zugang der Bürger zu Wissen in unseren demokratischen Gesellschaften entscheidend sind. Die Verleger würden nun zum ersten Mal rechtlich als Rechteinhaber anerkannt und so besser in der Lage sein, über die Verwendung ihrer Inhalte mit Online-Diensten zu verhandeln.

EU/tp

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