Ex-JVA-Leiter und Buchautor Thomas Galli las im bayerischen Landtag aus seinen Büchern.

Eingeladen hatte die rechtspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen und Vizepräsidentin des bayerischen Landtages, Ulrike Gote, zu der Lesung mit dem Ex-JVA-Leiter, Rechtsanwalt und Buchautor Thomas Galli am 9. Oktober.

Galli schildert in seinen Büchern bekanntlich in seinen Geschichten den Alltag im Strafvollzug. Galli ist nach wie vor davon überzeugt, dass das Gefängnis eine überholte Institution sei. Diese koste die Gesellschaft zwar sehr viel, habe aber keinen – oder nur einen sehr eingeschränkten – Nutzen.

Dennoch werde die Freiheitsstrafe sehr oft verhängt und vollstreckt. Gäbe es nicht andere Maßnahmen, die viel besser sein könnten? Welchen Nutzen hat ein Opfer von Straftaten davon, dass dem Täter auch geschadet wird? Ist es wirklich sinnvoll, die Vergeltung in den Vordergrund derart aufwändiger staatlicher Maßnahmen zu stellen? Was passiert überhaupt hinter Gittern mit den Inhaftierten und was mit den MitarbeiterInnen des Vollzugssystems?

Das war das am Montag im bayerischen Landtag das große Thema, zu dem die bayerischen Grünen eine Diskussion in Gang bringen wollten und in Gang brachten. Thomas Galli las dann bei vollem Saal aus seinen Büchern „Die Schwere der Schuld – Ein Gefängnisdirektor erzählt“ (2016) und „Die Gefährlichkeit des Täters“ (2017) jeweils eine Geschichte vor. Anschließend diskutierte Ulrike Gote mit ihm darüber.

Schon einen Tag später, am 10. Oktober, monierten die  rechtspolitische Sprecherin der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag, Petra Guttenberger, sowie der  innenpolitische Sprecher, Florian Herrmann, ebenfalls CSU-Fraktion im bayerischen Landtag, massiv die Veranstaltung der Bündnisgrünen: Opferschutz müsse vor Täterschutz stehen – Veranstaltung der Landtagsgrünen sei Schlag ins Gesicht für Opfer von Kriminalität, wurde in einer geradezu populistischen Presseerklärung die Veranstaltung der Grünen angegriffen.

„Körperverletzung, Einbruch und bewaffneter Raubüberfall sind keine Kavaliersdelikte!“, wollte Florian Herrmann zudem klargestellt wissen. Was niemand jemals derart behauptet hatte. Weder Galli noch die Bündnisgrünen. Galli forderte auch keinen Freispruch für solche Täter, sondern lediglich einen anderen Umgang mit ihnen im Strafvollzug und keinen Verwahrvollzug, wie er etwa in Bayern praktiziert wird.

Ulrike Gote wurde vorgeworfen, sie biete „dem umstrittenen Autor und ehemaligen JVA-Leiter Dr. Thomas Galli bei einer Lesung im Bayerischen Landtag ein Forum für seine kruden Thesen zum Strafvollzug“. Dieser plädiere dafür, 90 Prozent aller Häftlinge in Deutschland in den offenen Vollzug zu entlassen. Dabei spreche Galli von der Missachtung der Würde der Täter und ignoriere damit das Befinden der Opfer, die oft lebenslang mit den körperlichen und seelischen Folgen der Straftaten zu kämpfen haben würden. „Den Grünen ist das Wohl der Opfer und das generelle Sicherheitsbedürfnis der Menschen anscheinend vollkommen egal“, sagte Herrmann. „Für uns als CSU ist es klar, dass Opferschutz stets vor Täterschutz steht. Im Rechtsstaat bestimmt das Maß der Schuld die Schwere der Strafe. Wer wiederholt Straftaten begeht oder schwere Delikte begangen hat, der muss auch mit der empfindlichen Strafe des Freiheitsentzuges rechnen. Freiheitsstrafen generell in Frage zu stellen, verbietet sich deshalb“, so Herrmann rechtsbelehrend.

„Freiheitsstrafen haben eine präventive Wirkung, indem sie von Straftaten abschrecken“, ergänzte Petra Guttenberger, die rechtspolitische Sprecherin der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag. Außerdem solle mit einer Strafe begangenes Unrecht gesühnt und die rechtstreuen Bürgerinnen und Bürger vor weiteren Straftaten geschützt werden. Bei mittlerer und schwerer Kriminalität oder bei Wiederholungstätern könne dies nur durch eine Freiheitsstrafe erreicht werden. „Durch Therapien, Ausbildungsangebote und den strukturierten Alltag in den Justizvollzugsanstalten wird oftmals auch die Resozialisierung der Täter erst möglich“, sagte Guttenberger weiter. Sehr häufig hätten Kriminelle keinerlei berufliche Qualifikation und fehlende Schulabschlüsse vorzuweisen und seien einen geregelten Tagesablauf nicht gewohnt. Bei geringfügigen Erstdelikten seien im deutschen Rechtssystem ohnehin Geld- und Bewährungsstrafen vorgesehen.

„Die Grünen müssen endlich die Augen aufmachen und verstehen, dass es Menschen gibt, die eine Gefahr für unsere Gesellschaft darstellen und ihre Interessen ohne Rücksicht auf Verluste verfolgen“, sagte Herrmann zur Debatte über Freiheitsstrafen. „Diese ideologische Blindheit legen die Grünen leider auch im Umgang mit Linksextremismus und dem radikalen Islam an den Tag. Dies zeigt auch, wie weit die Grünen vom Rechtsempfinden der Menschen entfernt sind.“

Angesichts der doch äußerst zweifelhaften Behauptung, dass „durch Therapien, Ausbildungsangebote und den strukturierten Alltag in den Justizvollzugsanstalten … oftmals auch die Resozialisierung der Täter erst möglich (werde)“, blieben die Sprecherin und der Sprecher der CSU-Fraktion allerdings eine Erklärung schuldig, wie sie sich dennoch die hohen Rückfallquoten trotz dieser Resozialisierungsmaßnahmen erklären.

Nach der Lesung mit Thomas Galli gab’s noch einen kleinen Umtrunk und Laugengebäck sowie weitere Diskussionen unter den Teilnehmern im Foyer.

Die TP Presseagentur hat auch Videos von der Veranstaltung angefertigt, die jedoch noch bearbeitet werden müssen. Wie auch beim Berliner Flughafen: Das kann leider noch etwas dauern. Bis auf weiteres werden die Video-Aufnahmen der bayerischen Grünen hier verwendet.

TP/dj

++ Beginn Live-Übertragung 19 Uhr ++ "Hat die Freiheitsstrafe Sinn?" Lesung des ehemaligen Gefängnisdirektors Dr. Thomas Galli auf Einladung unserer rechtspolitischen Sprecherin und Landtags-Vizepräsidentin Ulrike Gote im Bayerischen Landtag.

Publiée par Grüne Fraktion Bayern sur Lundi 9 octobre 2017

Fotos: Ulrike Grote und Thomas Galli

Fotoquelle und Collage: TP Presseagentur Berlin

5 Antworten

  1. Warum soll ein derartiger erfahrener Strafrechtler nicht in aller Öffentlichkeit über seine Thesen berichten – und gerade mit Abgeordneten gegebenenfalls kontrovers diskutieren⁉️ Weiter so, Herr Kollege Doktor Galli, sage gerade auch ich alles durch und durch “ lebenslang“ Liberaler, ohne dabei die Aufgaben Berechtigung der Justiz, des Strafvollzuges sowie des Schutzes der Opfer aus dem Auge zu verlieren ‼️RA & Fachanwalt für Strafrecht Helfried Roubicek, http://www.strafverteidiger-ostsee.de

    • Ob Gallis Analysen und Thesen „krude“ oder „weise“ sind, sei dahingestellt. Eines steht doch fest: Der Vergeltungsgedanke ist ein dem Menschen innewohnendes Bedürfnis, sicher im Einzelfall unterschiedlich stark ausgeprägt, aber geschlechter-, konfessions- und kulturübergreifend grundsätzlich überall vorhanden. Gewiss haben wir einen kulturellen Fortschritt dadurch erzielt, dass die sog. Leibes- und Lebensstrafen hierzulande der Vergangenheit angehören (und von meiner Seite auch keineswegs wieder herbeigewünscht werden).

      Der moderne Rechtsstaat hat mit der Institution der Freiheitsstrafe einen guten (im Sinne von gehbaren) Kompromiss gefunden, begangenes schwerwiegenes Unrecht zu ahnden bzw. dem Kompensationsbedürfnis der Geschädigten ansatzweise Rechnung zu tragen, ohne den schuldig gewordenen Bürger als Person gänzlich zu vernichten. Auch gegenüber der Gesellschaft wird durch den Strafausspruch und Strafvollzug signalisiert, dass schwerwiegendes Fehlverhalten moralisch auf entsprechend niedriger Stufe steht und erhebliche Konsequenzen mit sich bringt. Sicher kann man darüber streiten, ob beispielsweise nicht gezahlte Geldstrafen ausschließlich mit Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafen vollzogen werden müssen, da kann/sollte man Alternativen suchen. Bei schwerwiegenden Straftaten dagegen erachte ich das mit Strafcharakter ausgestaltete Gefängnis als alternativlos.

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