Die Frage, wie die Aufarbeitung der deutschen NS-Vergangenheit zu bewerten ist, steht mit erneuter Brisanz im Raum. Zum einen häufen sich Anzeichen eines Voranschreitens des Rechtsradikalismus in der deutschen Gesellschaft: der Lübcke-Mord, die kürzlich aufgedeckten Fälle von NS-Sympathisanten in der Bundeswehr, der antisemitische Terroranschlag in Halle. Zum anderen ist es immer wieder dazu gekommen, dass führende AfD-Politiker in aggressiver Weise eine Umkehr der deutschen Erinnerungskultur gefordert haben. Der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland bezeichnete die Nazi-Zeit bekanntlich als einen «Vogelschiss».
Der Schriftsteller Lukas Bärfuss hat Anfang November in Darmstadt den Georg-Büchner-Preis entgegengenommen – und eine heftige Debatte ausgelöst. Seine Rede gipfelt in der polemischen Feststellung: «Die Nazis und ihr Gedankengut sind überhaupt nie weggewesen.» In Deutschland wurde Bärfuss’ kompromissloses Plädoyer für die Pflicht zur Erinnerung positiv aufgenommen, in der Schweizer Presse, insbesondere in der «Neuen Zürcher Zeitung», wurde seine Sichtweise hingegen scharf zurückgewiesen. Der renommierte Literaturkritiker Manfred Papst replizierte in der «NZZ am Sonntag»: «Doch er (Bärfuss) blendet aus, dass in Deutschland gerade das Vergessen nicht das Problem ist. Kein Land hat seine Geschichte akribischer und zerknirschter aufgearbeitet.»
Was stimmt nun? Hat man im Nachkriegsdeutschland die Täter geschont und die Schuld verdrängt? Oder gibt es mit dem Vergessen in Deutschland gar kein Problem? Wie bewertet die Wissenschaft die deutsche Vergangenheitsbewältigung?
Die Republik hat diese Fragen Raphael Gross, dem Direktor des Deutschen Historischen Museums, gestellt. Gross stammt ursprünglich aus Zürich, war Professor und Leiter des Simon-Dubnow-Instituts an der Universität Leipzig und zählt zu den führenden Kennern der deutsch-jüdischen Geschichte.
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Foto: Raphael Gross
Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin