Kein Schadensersatz für Hubschrauber-Unglück in Berlin.

Eine Bundespolizeibeamtin hat in erster Instanz erfolglos versucht, Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 EUR vor Gericht durchzusetzen, nachdem sie im Rahmen einer Großübung der Bundespolizei im Bereich des Berliner Olympiastadions durch den Absturz eines Hubschraubers schwer verletzt worden war. Das Landgericht Berlin hat durch ein am 7. Juli 2017 verkündetes Urteil die Klage in erster Instanz abgewiesen.

28 O 456.16 Urteil vom 07.07.2017 anonymisiert

Der Klage lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Am 21. März 2013 veranstaltete die Bundespolizei im Bereich des Berliner Olympiastadions eine Übung, bei der Einsatzkräfte in drei Hubschraubern auf das Maifeld des Stadions eingeflogen werden sollten. An jenem Vormittag herrschte winterliches Wetter und am vorgesehenen Landeort befand sich Schnee. Die Hubschrauber sollten nebeneinander landen. Aufgrund der Schneeverhältnisse wurden auf Wunsch eines der drei Piloten, einem Bundespolizeibeamten einer Fliegerstaffel und späteren Beklagten zu 2), zusätzlich Einweiser im Bereich des vorgesehenen Landeplatzes eingesetzt.

Die Klägerin war im Bundespolizeipräsidium, Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, tätig und hatte an jenem Tag die Aufgabe, eine in einem der Hubschrauber mitfliegende Journalistin in Empfang zu nehmen. Daher befand sich die Klägerin unweit von dem Landeplatz.

Nachdem der erste Hubschrauber gelandet war, wirbelte der zweite Hubschrauber bei seiner Landung Schnee auf und geriet in die dadurch erzeugte Schneewolke, die zugleich auch den bereits gelandeten ersten Hubschrauber umhüllte. Der Beklagte zu 2), der den dritten Hubschrauber lenkte, befand sich zu diesem Zeitpunkt im Anflug und beobachtete – wie sich aus den nachträglich abgehörten Cockpitaufzeichnungen ergab – die Schneeaufwirbelungen. 89 Sekunden vor dem Unfall sagte er zum Flugtechniker, dass der Schnee wieder weg sei. Während des Landeanflugs, bei dem sich die Flughöhe verringerte, entstand eine weitere Schneewolke, die den Einweiser und die gelandeten Hubschrauber vollständig einhüllte. Kurz danach bekam der Hubschrauber mit dem Bugrad und dem rechten Hauptfahrwerk Bodenkontakt, rollte um die Längsachse nach rechts und verschwand in der Schneewolke. Dort kam es zu einem Zusammenstoß mit dem ersten gelandeten Hubschrauber, dessen Pilot dadurch verstarb. Durch die umherfliegenden Metallteile wurden mehrere Personen teilweise schwer verletzt, darunter die Klägerin, bei der u.a. der linke Unterschenkel amputiert wurde.

Nachfolgend wurde der Unfallhergang in mehreren Gutachten untersucht, und zwar durch die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) und zweifach durch einen weiteren Sachverständigen. Dieser war von der Staatsanwaltschaft Berlin beauftragt worden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten zu 2), das sie gegen ihn als Pilot des verunfallten Hubschraubers eingeleitet hatte.

Die Klägerin hat Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und den Beklagten zu 2) vor dem Landgericht Berlin erhoben und verlangt u.a., dass die Beklagten an sie 75.000,00 € Schmerzensgeld zahlen. Sie macht geltend, der Beklagte zu 2) hätte die Möglichkeit gehabt, die Landung abzubrechen, habe jedoch davon aufgrund einer besonderen mentalen Drucksituation abgesehen. Er habe erkennen können und müssen, dass sich die Schneewolke weiter entfalten würde. Indem er dennoch zum Landeanflug angesetzt habe, habe er billigend in Kauf genommen, dass eine Situation entstehen könne, in der ein Durchstarten nicht mehr möglich wäre.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte zu 2) hafte bereits deshalb nicht, weil er den Hubschrauber in seiner Eigenschaft als Bundesbeamter gelenkt und damit hoheitlich gehandelt habe. Die Klägerin als Geschädigte könne ihn nicht direkt in Anspruch nehmen.

Aber auch die Bundesrepublik Deutschland sei nicht verpflichtet, ein Schmerzensgeld zu zahlen. Nach dem Beamtenversorgungsgesetz käme dies nur in Betracht, wenn das Unfallereignis vorsätzlich herbeigeführt worden oder im allgemeinen Verkehr eingetreten wäre. Letzteres sei nicht der Fall, da es sich um einen Dienstunfall gehandelt habe. Die Klägerin habe im Rahmen ihres Dienstes an einer Einsatzübung teilgenommen.

Der Beklagte zu 2) habe den Unfall auch nicht vorsätzlich verursacht. Dies könne nur angenommen werden, wenn der Pilot als Amtsträger sich bewusst über eine Amtspflicht hinweggesetzt hätte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen habe sich dem Piloten nicht aufdrängen müssen, den Landeanflug nicht durchzuführen. Auch habe für ihn, nachdem er die Orientierung verloren habe, nicht mehr die Möglichkeit bestanden, den Landeanflug abzubrechen  und durchzustarten. Aufgrund des untersuchten Videos, das den Unfall zeigte, und den Aufzeichnungen im Cockpit lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen, dass ein früherer Abbruch des Landeanfluges Erfolg gehabt hätte.

Zudem sei der Beklagte zu 2) ein in Landungen im verschneiten Gebirge erfahrener Pilot, der sich auch mit so genannten „White Outs“, dem völligen Verlust des Raumgefühls, auskenne. Daher handele es sich nicht bereits dadurch um eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung, dass aufgrund der vorhandenen Schneeverhältnisse der Landeanflug durchgeführt worden sei. Auch ein unzulässiger Druck sei nicht zu erkennen gewesen, da der Druck bei einer Leistungsschau nicht größer sein könne als bei einer Landung in einem unübersichtlichen und unbekannten Gebirge.

Schließlich könne dem Beklagten zu 2) auch nicht vorgeworfen werden, den Landeplatz mit zu geringem Abstand zu den anderen Hubschraubern ausgewählt zu haben. Dies sei aus polizeitaktischen Gründen so festgelegt worden und der Beklagte zu 2) habe davon ausgehen dürfen, dass er im Rahmen der nicht offensichtlich fehlerhaften Vorgaben entsprechend handeln dürfe.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann gegen das Urteil Berufung beim Kammergericht innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Urteils einlegen.

Die schriftlichen Urteilsgründe des Landgerichts Berlin liegen vor und sind unter https://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/2017/ verfügbar.

Landgericht Berlin, Aktenzeichen 28 O 456/16, Urteil vom 7. Juli 2017

Eine Antwort

  1. Wer sich in Gefahr begibt und darin umkommt, hat keinen Anspruch auf Schadenersatz. So schön das Reichsgericht. Und dass die Klägerin sich in Gefahr begeben hat, als sie in der Nähe des Landeplatzes wartete, steht wohl außer Zweifel.

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