Kernbrennstoffsteuergesetz mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig.

Außerhalb der durch das Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzordnung haben Bund und Länder kein Steuererfindungsrecht. Da sich die Kernbrennstoffsteuer nicht dem Typus der Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 GG zuordnen lässt, fehlte dem Bundesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass des Kernbrennstoffsteuergesetzes (KernbrStG). Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und das Kernbrennstoffsteuergesetz rückwirkend für nichtig erklärt. Die Richter Huber und Müller haben ein gemeinsames Sondervotum zu dem Beschluss abgegeben. Beide stimmen der Senatsmehrheit zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zu.

http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-042.html

 

Herbe Schlappe darf nicht das letzte Wort sein

Zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Kernbrennstoffsteuer (Brennelementesteuer), erklären Sylvia Kotting-Uhl, Sprecherin für Atompolitik und Lisa Paus, Sprecherin für Steuerpolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Das Urteil ist bitter. Es ist die sechs Milliarden teure Quittung für Merkels Geisterfahrt in der Atompolitik. Cash gegen Laufzeitverlängerung war ein schmutziger Deal – und verfassungswidrig. 2010 verlängern und 2011 zurück zum rot-grünen Atomkonsens – da waren die Konzernklagen nach dem Atomausstieg von 2011 vorprogrammiert.

Der zweite große Fehler war, dass die Regierung in diesem Winter mit den Konzernen über den öffentlich-rechtlichen Vertrag zum Atomfonds schlecht verhandelt hat. Sie hätte darauf bestehen müssen, dass alle Klagen der AKW-Betreiber zurückgezogen werden. Genau das hatten wir gefordert. Hier haben Wirtschaftsministerium und Kanzleramt gemeinsam versagt.

Es ist gut, dass mit dem Gesetz nach Empfehlung der Atomfinanz-Kommission (KFK) die Konzernmilliarden für Zwischen- und Endlagerung in einem öffentlich-rechtlichen Fonds abgesichert wurden. Darauf haben die Konzerne keinen Zugriff – und auch nicht der Bundesfinanzminister.

Dass sich der Wortbruch der Atomkonzerne beim ersten Atomausstiegskonsens nun auch noch auf Kosten der Steuerzahler lohnen soll, ist inakzeptabel. Hier darf das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.“

 

Schäuble muss umgehend neues Gesetz zur Besteuerung der Atomwirtschaft vorlegen

Die Atomwirtschaft muss auch nach dem Kippen der Kernbrennstoffsteuer einen angemessenen Finanzierungsbeitrag leisten. Der Bundesfinanzminister muss jetzt umgehend ein neues Gesetz zur Besteuerung der Atomkonzerne vorlegen, welches die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt, verlangt Carsten Schneider, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion

Schneider weiter:

„Die Atomwirtschaft muss einen angemessenen Finanzierungsbeitrag leisten. Dies gilt auch nach dem heute veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, mit dem die Kernbrennstoffsteuer gekippt wurde. Nach Auffassung des Gerichts war die Kernbrennstoffsteuer rechtswidrig und durfte vom Bund nicht erhoben werden. Das entsprechende Gesetz wurde rückwirkend für nichtig erklärt. Die zwischen 2011 und 2016 erhobenen Steuereinnahmen von insgesamt 6,3 Milliarden Euro müssen zurückgezahlt werden. Das Finanzgericht Hamburg, welches das Gesetz zur verfassungsrechtlichen Überprüfung vorgelegt hat, muss nun über die Vorgaben für die Rückerstattung entscheiden.

Es ist bedauerlich, dass sich die Kernbrennstoffsteuer aufgrund der von Schwarz-Gelb zu verantwortenden handwerklichen Fehler als rechtswidrig herausgestellt hat. Der Finanzminister muss jetzt umgehend ein neues Gesetz zur Besteuerung der Atomkonzerne bis zum Jahr 2022 vorlegen, welches die vom Bundesverfassungsgericht dargelegten Maßstäbe berücksichtigt.“

Milliarden-Regen für Konzerne, wachsende Risiken und Kosten für die Steuerzahler

„Das Urteil ist bitter. Jetzt rächt es sich, dass das Gesetz zur Neuordnung der Finanzierung der Atommüllentsorgung kurz vor Weihnachten 2016 mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Grünen im Bundestag beschlossen wurde, ohne die Konzerne auf die Rücknahme aller ihrer Klagen zu verpflichten. Das war unverantwortlich, und wir haben es als einzige Fraktion im Bundestag immer deutlich kritisiert und abgelehnt“, erklärt Hubertus Zdebel, für die Linksfraktion im Bundestag Sprecher für den Atomausstieg, mit Blick auf das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Brennelementesteuer, die von 2011 bis Ende 2016 in Kraft war. Die Konzerne bekommen nach diesem Urteil etwa 6,285 Milliarden Euro vom Bund zurückerstattet.

Zdebel weiter:

„Die Atomkonzerne haben Grund zur Freude. In Verbindung mit dem von Grünen, SPD und CDU/CSU gegen die Stimmen der Linksfraktion im Dezember 2016 verabschiedeten Gesetz zur Neuordnung der Atommüllentsorgung wurden die Atomkonzerne schon gegen eine eher geringe Einmalzahlung von der weiteren Verantwortung für die Atommüllkosten vollständig befreit. Die Atommülllagerung wurde komplett verstaatlicht. Die Kosten-Risiken wurden mit dem Gesetz ganz auf die Steuerzahler übertragen, und von den zu zahlenden maximal 24 Milliarden Euro bekommen die Atomkonzerne nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun auch noch mehr als ein Viertel zurückerstattet.

Für die Steuerzahler, die die Atommüllzeche letzten Endes zahlen werden, ist es also ein schlechter Tag. Bedenkt man, dass die Klage von Vattenfall wegen des Atomausstiegs vor dem Schiedsgericht in Washington nicht zurückgenommen wurde und noch nicht entschieden ist, kann es für die Steuerzahler noch schlimmer kommen.

Ich kann die Bundesregierung jetzt nur auffordern, nicht auch noch den von den Atomkonzernen zusätzlich zum Gesetz geforderten öffentlich-rechtlichen Vertrag mit ihnen zu unterschreiben und in Kraft treten zu lassen, wenn es dafür nicht schon zu spät ist. Der Bundestag muss jetzt die Möglichkeit haben, die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gründlich zu prüfen.“

Schäuble scheitert vor Verfassungsgericht

Die damalige CDU-Rechnung „Laufzeitverlängerung gegen Steuergeld“ geht nicht auf – Finanzminister Schäuble hat durch handwerkliche Fehler wichtige Spielräume für Investitionen und Entlastungen der Bürger verspielt, erklärte Johannes Kahrs, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Kahrs weiter:

„Das Bundesverfassungsgericht hat die im Jahr 2010 beschlossene Brennelementesteuer aufgrund der gesetzlichen Umsetzung für verfassungswidrig erklärt. Das bedeutet, dass handwerkliche Fehler von Schwarz-Gelb die Steuerzahler über sechs Milliarden Euro kosten. Zuständig für Steuerpolitik war bereits damals Finanzminister Schäuble. Durch eigene Fehler schränkt Schäuble damit die Möglichkeiten des Bundes ein, mehr zu investieren und gleichzeitig die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten.

Letztlich ist es der Zickzack-Kurs von Angela Merkel in der Atompolitik, der uns jetzt teuer zu stehen kommt. Sie hat damals einen unanständigen Deal mit der Atomindustrie gemacht: längere Laufzeiten für Atomkraftwerke gegen Steuergeld. Jetzt zeigt sich: Den Bürgern bleibt nicht einmal das Geld.

Ehrlich wäre es jetzt, dieses Scheitern auch durch einen Nachtragshaushalt sauber einzugestehen, statt das Problem im Haushaltsvollzug einfach unter den Teppich zu kehren.“

 

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