Polen muss nationale Bestimmungen über Richterdisziplinierungen aussetzen.

Polen hat die Anwendung der nationalen Bestimmungen über die Zuständigkeiten der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts für Disziplinarsachen gegen Richter unverzüglich auszusetzen.

Das entschied heute der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Kommission rechtfertigt den Erlass einstweiliger Anordnungen.

Im Jahr 2017 erließ Polen eine neue Disziplinarordnung für die Richter des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) und der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Gemäß dieser Gesetzesreform wurde insbesondere eine neue Kammer, die Izba Dyscyplinarna (Disziplinarkammer), beim Sąd Najwyższy eingerichtet. Die Disziplinarkammer ist namentlich für Disziplinarsachen gegen Richter des Sąd Najwyższy und im zweiten Rechtszug für Disziplinarsachen gegen Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständig. Da die EU-Kommission der Auffassung war, dass Polen durch den Erlass der neuen Disziplinarordnung für Richter gegen seine unionsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen habe, hat sie am 25. Oktober 2019 Klage vor dem Gerichtshof erhoben. Die Kommission macht insbesondere geltend, dass die neue Disziplinarordnung die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Disziplinarkammer nicht gewährleiste. Diese sei ausschließlich mit Richtern besetzt, die von der Krajowa Rada Sądownictwa (Landesjustizrat, im Folgenden: KRS) ausgewählt worden seien. Deren 15 der  Richterschaft angehörenden Mitglieder wiederum seien vom Sejm (Abgeordnetenkammer) gewählt worden.

Hier weiterlesen:

https://curia.europa.eu/jcms/jcms/p1_2965362/de/

EuGH-Beschluss: Unabhängigkeit der polnischen Justiz gestärkt

Zum EuGH-Beschluss über eine einstweilige Verfügung zur polnischen Disziplinarkammer erklärt Manuel Sarrazin, Sprecher für Osteuropapolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Wir begrüßen den Beschluss des EuGH ausdrücklich. Die EU beweist erneut Handlungsfähigkeit in Fragen der Rechtsstaatlichkeit. Der Beschluss zur einstweiligen Verfügung über die polnische Disziplinarkammer ist eine wichtige Zwischenetappe. Die Richter stärken erneut das europäische Recht und die Kommission in ihrer Rolle als Hüterin der Verträge. Vor allem aber stärken sie die Unabhängigkeit der Justiz in Polen und damit in der gesamten EU.

Die in Polen regierende PiS muss spätestens jetzt anerkennen, dass ihre Justizreform in dieser Form in die Sackgasse führt. Sie muss einen Neustart unternehmen, der den europäischen Standards entspricht und verbriefte Unabhängigkeit der Justiz in der EU wahrt. Die Disziplinarkammer in ihrer jetzigen Ausgestaltung ist mit den europäischen Verträgen offensichtlich nicht vereinbar.“

Polnisches Gesetz zur Disziplinierung von Richtern ist EU-rechtswidrig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das polnische Gesetz zur Disziplinierung der Richter für nicht konform mit EU-Recht erklärt. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa müssen geschützt werden. In den nächsten EU-Finanzrahmen sollte ein Rechtsstaatsmechanismus verankert werden, fordert die SPD-Bundestagsfraktion.

Johannes Schraps, zuständiger Berichterstatter dazu:

„Wir begrüßen ausdrücklich die heutige Entscheidung des EuGH. Das polnische Disziplinierungsgesetz verstößt gegen die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit von Richtern und ist weder mit dem EU-Recht noch mit den Grundwerten der Europäischen Union zu vereinbaren.

Das Vorhaben der Regierungspartei PiS sieht vor, dass Richter künftig mit Geldstrafen, Herabstufung oder sogar Entlassung rechnen müssen, wenn sie Legalität oder Entscheidungen eines anderen Richters, eines Gerichts oder einer Kammer in Frage stellen. Die Tatsache, dass dieses Gesetz nun ausgesetzt werden muss, ist ein Erfolg der europäischen Demokratie.  

Dies ist bereits das zweite Urteil des EuGH binnen weniger Tage, das die Politik der polnischen Regierung betrifft und für rechtswidrig gegenüber dem gemeinsamen EU-Recht erklärt. Das Urteil des EuGH vom 2. April 2020 bestätigte, dass Polen, Ungarn und Tschechien gegen EU-Recht verstießen, als sie sich der Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union auf Beschluss der EU-Innenminister im Jahr 2015 widersetzten.

Auch die Entscheidung der Regierungsmehrheit im Sejm, die Präsidentschaftswahlen zu verschieben und als eine Briefwahl stattfinden zu lassen, ist weder im Zustandekommen noch in der vorgesehenen Art und Weise mit demokratischen Grundsätzen zu vereinbaren. All das zeigt uns erneut deutlich, dass wir Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa dringend schützen müssen. Die Verankerung eines Rechtsstaatsmechanismus im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum von 2021-2027 ist dabei ein entscheidender Schritt.“

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