Polizeibewerber: Eine Grundsportlichkeit sollte vorausgesetzt werden.

Berlin.  Werden Polizeibewerberinnen und -bewerber hierzulande ausreichend auf ihre Sportlichkeit getestet? Zweifel daran äußert Sportwissenschaftler René Lingscheid in der Zeitschrift „DEUTSCHE POLIZEI“ (August-Ausgabe). Lingscheid, der schon Kampfpiloten der Deutschen Bundeswehr trainierte, hält daher einen Schritt für unausweichlich: Es sollten bei dem Einstellungstestverfahren unabhängige Mindestanforderungen für alle Bewerber gleich formuliert werden. Notwendig sei es zudem, standardisierte Testkomplexe mit den tatsächlichen Anforderungen des Polizeiberufs abzugleichen.

Viele Länder, darunter USA, Frankreich, Schweden und Großbritannien, betrieben Grundlagenforschung und bemühten sich, realitätsnah herauszufinden, wie genau der dienstliche Alltag aussehe. In Deutschland existierten keine vergleichbaren Arbeiten, erläuterte der Athletikexperte in der Mitgliederzeitschrift der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Lingscheid: „Jede sportliche Leistung sollte an einer Mindestanforderung gemessen werden. In vielen deutschen Ländern liegt die Messlatte mittlerweile deutlich tiefer. So reicht dem Land Nordrhein-Westfalen lediglich ein Nachweis über das Deutsche Sportabzeichen in Bronze, wohingegen der Bewerber in Bayern eine Vielzahl an Disziplinen bestehen muss.“

Fakt sei: Kein Land und auch der Bund überprüfe Bewerber auf Fähigkeiten, die sie oder er in seiner Dienstzeit möglicherweise erfüllen müsse. Jeder Test sei nur so gut, wie er dem Zweck dienlich sei. „Denn: Kann ich bei einer besonders hohen Anzahl an Liegestützen besonders gut einen Straftäter niederhalten? Wenn ich das Deutsche Sportabzeichen in Bronze vorweisen kann – läuft mir dann der Täter, der möglicherweise die Stufe Gold vorweisen kann, davon?“, bilanziert der Autor.

Lingscheid schlägt vor, mit einer groß angelegten Feldstudie die tatsächlichen Belastungen des Polizei-Alltages zu ermitteln und will damit eine neutrale Institution mit Fachexpertise und Erfahrung in der Sport und Trainingswissenschaft beauftragen. Zu untersuchen sind laut dem ausgebildeten Physiotherapeuten auch die Folgen der sitzenden Tätigkeit am Bildschirmarbeitsplatz, „die nachweislich in ihrer muskulären Unterforderung ähnlich belastend ist wie die körperliche Beanspruchung in einer Situation, in der sich der Körper nicht adäquat aufwärmen konnte“. „Man könnte meinen, dass der Polizist am Bildschirmarbeitsplatz als Spezialist in seinem Gebiet doch viel weniger sportlich sein muss – jedoch ist der Beamte in erster Linie Polizist und in zweiter Linie Spezialist. Eine Grundsportlichkeit sollte vorausgesetzt werden.“ Das bedinge alleine schon die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.

Fotoquelle: Ausriss aus DEUTSCHE POLIZEI August 2018: Screenshot: GdP

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