Rot-Rot-Grün in Berlin beschließt Versammlungsfreiheitsgesetz.

Mit dem heute im Berliner Abgeordnetenhaus beschlossenen Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz löst Rot-Rot-Grün das geltende Bundesversammlungsgesetz aus dem Jahr 1978 ab.

Das Gesetz könne als deutschlandweites Vorbild für ein demokratieförderndes und grundrechtsbezogenes Versammlungsrecht dienen, heißt es. Die Koalition habe vor der Aufgabe gestanden, die Freiheitsrechte zu stärken und gleichzeitig den besonderen Herausforderungen Berlins als Hauptstadt und Metropole gerecht zu werden, in der es jährlich mehr als 5000 weitestgehend friedliche Demonstrationen gibt. Gerade in der Bundeshauptstadt sei ein freiheitliches Versammlungsrecht von besonderer Bedeutung, weil auf Bundesebene keine Volksinitiativen und Volksentscheide zulässig sind. Den Bürger*innen verbleibe neben den Wahlen also nur das Versammlungsrecht, um sich Gehör zu verschaffen.

Das Gesetz soll eine Balance zwischen einer grundrechtsfreundlichen Ausgestaltung des Versammlungsrechts und den notwendigen Sicherheits-Maßnahmen herstellen. Dabei soll die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichtsbarkeit etwa zu verhältnismäßigen Beschränkungen und Auflagen, zum Recht auf Gegendemonstration in Hör- und Sichtweite oder zu Versammlungen auf in Privateigentum stehenden Verkehrs- und Kommunikationsflächen berücksichtigt werden. 

Dies sind die wesentlichen Inhalte des Gesetzes:

  • Der Schutz des Versammlungsgrundrechtes gilt künftig bereits bei Versammlungen von zwei Personen (§ 2).
  • Das Recht auf ungehinderten Zugang zu Versammlungen, auf freie Berichterstattung durch die Medien sowie auf Gegendemonstrationen wird gesetzlich geregelt. Letztere sollen in Hör- und Sichtweite genehmigt werden, soweit es die örtlichen Gegebenheiten hergeben (§ 3).
  • Bundesweit einmalig wird das in Berlin seit Jahren erfolgreich praktizierte Deeskalationsgebot für die Polizei gesetzlich verankert und um die Pflicht zu einem Konfliktmanagement erweitert. Das historisch überkommenen Schutzgut der „öffentlichen Ordnung“ wird abgeschafft (§ 3).
  • Es gibt künftiges ein gesetzliches Kooperationsgebot für die Behörden. (§ 4).
  • Keine Pflicht zu Bestimmung einer Versammlungsleitung mehr (gemäß Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (§ 6)).
  • Das gefährliche Gegenstände-Verbot und Uniformverbot wird nur noch nach vorheriger behördlicher Anordnung und nur für die in der Anordnung bezeichneten Gegenstände vollzogen (§ 9).
  • Wenn Polizeikräfte auf Versammlungen anwesend sind, haben sie sich zu erkennen zu geben (§ 11).
  • Ort, Zeit, Thema und Streckenverlauf von Versammlungen werden unverzüglich auf dem Open Data Portal des Landes veröffentlicht (§12).
  • Keine behördlichen Erlaubnisse für Versammlungen mehr erforderlich, die sich auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsflächen beziehen (§ 13).
  • Versammlungen sind auf privaten Verkehrsflächen von beherrschten Unternehmen und in der Regel auch auf Privatstraßen, Privatplätzen, Bahnhöfen oder Shoppingmalls zuzulassen (Umsetzung der Fraport-Entscheidung und der Bierdosenflashmob-Entscheidung des BVerfG).
  • Bundesweit wird erstmalig gemäß Art. 30 der Verfassung von Berlin die Verbotsmöglichkeit von volksverhetzenden Versammlungen geregelt, wenn dort gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Aufstachelung zu Hass oder Gewalttaten stattfindet, sowie von Versammlungen, die die NS-Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlichen oder deren führende Repräsentanten. Rechtsgrundlage auch für erleichterte Auflagen an bestimmten Orten und Tagen, soweit diese im genannten Kontext stehen. Dies gilt auch für international betriebene Kampagnen, die diese Merkmale aufweisen (§ 14).
  • Umwandlung der Bannmeile um das Abgeordnetenhaus in einen befriedeten Bezirk: Diese gilt in einem deutlich eingeschränkten Bereich von der Stresemann- bis zur Wilhelmstraße. Anders als bisher muss ein Demonstrationsverbot oder eine Beschränkung aktiv durch den Präsidenten des Abgeordnetenhauses ausgesprochen werden (Anordnungsvorbehalt, § 15).
  • Nur noch offenes Filmen zur Gefahrenabwehr durch die Polizei bei kurzer Speicherfrist erlaubt. Verdeckte Aufnahmen von Zivilbeamten sind unzulässig (§ 18).
  • Herabstufung einiger Straftaten auf Ordnungswidrigkeiten.
  • Im Rahmen des Vermummungsverbotes wird nur noch auf das „Verwenden“ zu den verbotenen Zwecken statt auf das „mit sich führen“ abgestellt. Außerdem muss die Behörde zur Durchsetzung des Verbotes erst Anordnungen treffen, (sog. Verwaltungsakzessorietät, § 19, §§ 26,27).
  • Es werden präzise Eingriffsbefugnisse bei Gefahr der Störung durch Aufstachelung, Verächtlichmachung, Gewaltaufforderung u.ä. unterhalb des Schutzguts „öffentliche Sicherheit“ geschaffen (§ 14).
  • Neu ist die Strafbewehrung auch bei „Androhung von Straftaten“ („hate speech“, § 29).

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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