Streikmobilisierung auf Firmenparkplatz – Bundesarbeitsgericht stärkt Streikrecht.

DGB begrüßt Urteil des Bundesarbeitsgerichts.

Das Streikrecht umfasst die Befugnis einer streikführenden Gewerkschaft, die zur Arbeitsniederlegung aufgerufenen  Arbeitnehmer unmittelbar vor dem Betreten des Betriebes anzusprechen, um sie für die Teilnahme am Streik zu gewinnen. Eine solche Aktion kann – abhängig von den konkreten örtlichen Gegebenheiten – mangels anderer Mobilisierungsmöglichkeiten auch auf einem vom bestreikten Arbeitgeber vorgehaltenen Firmenparkplatz vor dem Betriebsgebäude zulässig sein.

Das hat heute das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Die Arbeitgeberin betreibt in einem außerörtlich gelegenen Gewerbegebiet ein Versand- und Logistikzentrum. Zu dem von ihr gepachteten Gelände gehören ein Betriebsgebäude, das über einen zentralen Eingang zugänglich ist, und ein ca. 28.000 qm großer Parkplatz, welcher zur Nutzung für die überwiegend mit dem Auto zur Arbeit kommenden Mitarbeiter bestimmt ist. Im September 2015 wurde die Arbeitgeberin an zwei Tagen bestreikt. Die streikführende Gewerkschaft baute an beiden Tagen auf dem Parkplatz vor dem Haupteingang Stehtische und Tonnen auf und postierte dort ihre Vertreter sowie streikende Arbeitnehmer. Diese verteilten Flyer und forderten die zur Arbeit erscheinenden Arbeitnehmer zur Teilnahme am Streik auf. Zu physischen Zugangsbehinderungen kam es nicht. Ähnliches wiederholte sich bei einem eintägigen Streik im März 2016.

Mit ihrer Klage hat die Arbeitgeberin die künftige Unterlassung solcher Aktionen verlangt. Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen; das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Arbeitgeberin blieb vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Im konkreten Fall ergibt die Abwägung widerstreitender grundrechtlicher Gewährleistungen auf Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite, dass die Arbeitgeberin eine kurzzeitige, situative Beeinträchtigung ihres Besitzes hinzunehmen hat. Angesichts der örtlichen Verhältnisse kann die Gewerkschaft nur auf dem Firmenparkplatz vor dem Haupteingang mit den zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmern kommunizieren und im Gespräch versuchen, auf Arbeitswillige einzuwirken.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. November 2018 – 1 AZR 189/17 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. März 2017 – 24 Sa 979/16 –

Hinweis: Der Senat hat in einem weiteren Verfahren mit ähnlich gelagertem Sachverhalt die dem Klageantrag stattgebende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die das Unterlassungsbegehren abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts wiederhergestellt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. November 2018 – 1 AZR 12/17 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31. August 2016 – 4 Sa 512/15 –

DGB begrüßt Urteil des Bundesarbeitsgerichts.
Zum heutigen Urteil des Bundesarbeitsgerichts, nach dem Streiks auf oder vor dem Firmengelände zulässig sind, sagte Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied, am Dienstag in Berlin:

„Heute ist ein guter Tag für die Beschäftigten und für ihr Grundrecht auf Streik. Mit dieser Entscheidung ist nicht nur für Amazon, sondern auch für andere Unternehmen die Lage geklärt: Das Hausrecht der Arbeitgeber reicht nicht so weit, dass damit das Streikrecht ausgehöhlt werden kann. Dass vor dem Werkstor gestreikt oder zum Streik aufgerufen wird, ist so alt und selbstverständlich wie das Streikrecht selbst – und wurde bislang von der großen Mehrheit der Unternehmen nicht in Frage gestellt.

Dass diese Klarstellung ausgerechnet durch die Klage von Amazon herbeigeführt wurde, ist nicht verwunderlich, aber besonders erfreulich. Denn das Unternehmen ist nicht nur Marktführer in Sachen Versandhandel, sondern nimmt auch eine Spitzenposition bei der anhaltenden Verletzung von individuellen und kollektiven Arbeitnehmerrechten ein. So fortschrittlich Amazon in technischen Fragen ist, so antiquiert bleibt dort das Verständnis von Arbeitsbeziehungen. Es ist längst überfällig, dass Amazon nicht nur das Grundrecht auf Streik akzeptiert, sondern endlich mit der Gewerkschaft in Verhandlungen über einen Tarifvertrag tritt. Die Arbeits- und Vergütungsbedingungen, unter denen Amazon-Beschäftigte seit Jahren arbeiten, sind inakzeptabel.“

 

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