Zum geplanten § 114 StGB „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“.

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 20.02.2017.

Rechtsgebiete: StrafrechtMaterielles StrafrechtKriminologie

In meinem Beitrag vom 30. November hatte ich mich schon mit der laut Presseberichten geplanten (nach kurzer Zeit erneuten) Verschärfung  des § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) befasst. Ich hatte insbesondere kritisiert,  dass es für diese Verschärfung anlässlich sinkender Fallzahlen keinen empirischen Anlass gebe. Allerdings war im November noch nicht bekannt, wie denn der konkrete Gesetzesvorschlag aussehen solle und wie er begründet werden würde.

Seit einigen Tagen liegt der Gesetzentwurf der Regierung vor, am Freitag fand die erste Lesung im Bundestag statt.

Der Entwurf sieht vor, in § 114 StGB ein neues Delikt „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ zu schaffen und den tätlichen Angriff aus § 113 StGB zu streichen. Der bisherige § 114 StGB wird zum neuen § 115 StGB umformuliert, hier die geplante Neufassung:

  • 113 StGB Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

  1. der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt
  2. der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, oder
  3. die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

  • 114 StGB Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte

(1) Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) § 113 Absatz 2 gilt entsprechend.

(3) § 113 Absatz 3 und 4 gilt entsprechend, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.

  • 115 StGB Widerstand gegen oder tätlicher Angriff auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen

(1) Zum Schutz von Personen, die die Rechte und Pflichten eines Polizeibeamten haben oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind, ohne Amtsträger zu sein, gelten die §§ 113 und 114 entsprechend.

(2) Zum Schutz von Personen, die zur Unterstützung bei der Diensthandlung hinzugezogen sind, gelten die §§ 113 und 114 entsprechend.

(3) Nach § 113 wird auch bestraft, wer bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt behindert. Nach § 114 wird bestraft, wer die Hilfeleistenden in diesen Situationen tätlich angreift.“

Die Rede des Bundesjustizministers ist auf der Seite des BMJV veröffentlicht. Ich nehme sie zum Anlass meines Beitrags:

„Wir haben in den letzten Jahren festgestellt, dass tätliche Angriffe insbesondere gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte permanent zunehmen. Wir haben mittlerweile jedes Jahr über 60 000 Angriffe auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte.“

Quelle und weiterlesen: https://t.co/3I72SZYaT2

Henning Ernst Müller ist ein deutscher Rechtswissenschaftler und Kriminologe. Er hat den Lehrstuhl für Strafrecht, Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Universität Regensburg inne.

Eine Antwort

  1. Verwirrend, die ganze Sache.
    Wer oder was ist denn ein Amtsträger und wie oder woran erkenne ich solche?
    Und warum werden Soldaten der Bundeswehr explizit hervorgehoben, wo sie doch im Inneren gar nicht eingesetzt werden dürfen?
    Für mich als Laien stellt sich das als eine lex specialis dar, die wir schon einmal hatten, als sich die Gestapo mittels Armbinde als Amtsträger outeten und die Armee im Inneren Polizeigewalt hatte.
    Stellt sich die Frage: wohin geht die Reise?

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