Das Landgericht Stuttgart, 2. Große Strafkammer (Jugendkammer), verurteilte am 11. November 2025 einen zur Tatzeit 17-Jährigen, wegen Mordes und zweifachen versuchten Mordes u.a. zu der Jugendstrafe von 8 Jahren und 9 Monaten. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger hatten eine Verurteilung von 9 Jahren und 6 Monaten beantragt. Der Verteidiger plädierte auf 7 Jahre und 6 Monate. Wegen des Alters des Angeklagten war die Hauptverhandlung nicht-öffentlich.
Die Strafkammer sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte am 02. Oktober 2024 eine Bar in Göppingen betrat und sofort und unvermittelt 15 Schuss aus einer Maschinenpistole auf eine Gruppe von drei Männern abgab. Der mit dem Rücken sitzende Getötete wurde aus 78 Centimetern von einer Kugel in den Hinterkopf getroffen und starb hieran sofort. Die beiden weiteren gegenübersitzenden Geschädigten wurden in einer Entfernung von 2 bis 3 Metern von mehreren Schüssen getroffen, darunter auch jeweils in den Oberkörperbereich. Zwischen Betreten und Verlassen der Bar durch den Angeklagten vergingen weniger als 10 Sekunden. Da keiner der Geschädigten mit einem Angriff rechnete, sah die Strafkammer jeweils das Mordmerkmal der Heimtücke als erwiesen an.
Die Tat ist Teil einer seit mehreren Jahren andauernden Auseinandersetzung zweier multiethnischer Banden im Großraum Stuttgart. Die Schüsse galten einem Führungsmitglied und weiteren Mitgliedern der gegnerischen Gruppierung, die sich oft in dieser Bar aufhielten. Die Geschädigten hatten keinerlei Beziehungen zu dieser Gruppe und waren völlige Unbeteiligte. Der Getötete sah dem Führungsmitglied der rivalisierenden Gruppierung ähnlich, weshalb es zu einer Personenverwechslung kam. Die Geschädigten waren ebenso wie der Angeklagte syrische Staatsangehörige, die infolge des Bürgerkriegs nach Deutschland kamen.
Die Hauptverhandlung begann am 10. September 2025 und fand an 9 Verhandlungstagen statt. Der Angeklagte räumte die Schussabgabe grundsätzlich ein. Ferner wurden durch die Strafkammer u.a. zahlreiche Zeugen aus der Tatörtlichkeit und dem Tatortumfeld vernommen. Die Feststellungen zu den Schüssen wurden unter anderen mit Hilfe eines waffentechnischen Sachverständigen getroffen. Weitere Erkenntnisse konnten durch DNA und Schmauchspuren an der entsorgten Kleidung sowie durch eine 3D-Tatort-Vermessung gewonnen werden.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Hintergrund zu den Verfahren im Zusammenhang mit den rivalisierenden multiethnischen Banden:
Das Verfahren ist das siebzehnte endende Verfahren am Landgericht Stuttgart zu der Auseinandersetzung beider Banden. Es ist das einzige Verfahren mit einem tödlichen Ausgang. Mehrere Verfahren standen im Zusammenhang mit dem Wurf einer Handgranate auf eine Friedhofsgesellschaft in Esslingen-Altbach. Bei weiteren Verfahren blieben die Geschädigten infolge der Taten etwa dauerhaft querschnittsgelähmt oder im Wachkomma. Insgesamt fanden mittlerweile über 200 Hauptverhandlungstage hierzu statt.
Angewandte Vorschriften (Auszug):
§ 211 Strafgesetzbuch – Mord
(…) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
§ 18 Jugendgerichtsgesetz – Dauer der Jugendstrafe
„(…) Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. (…)“
