Bundesverwaltungsgericht hebt Entscheidung des OVG Münster zum Islamischen Religionsunterricht auf.

Die Kläger sind islamische Dachverbände in der Rechtsform des eingetragenen Vereins. Ihre Mitglieder sind Moscheegemeinden sowie islamische Verbände und Vereine. Ihre Klagen mit dem Ziel, das Land Nordrhein-Westfalen zu verpflichten, an den öffentlichen Schulen islamischen Religionsunterricht einzurichten, sind in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sind die Kläger keine Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes, weil sie keine Lehrautorität in religiösen Fragen wahrnähmen. Lehrmeinungen des Gelehrtenrats des Klägers zu 1 hätten nur empfehlenden Charakter. Beide Kläger äußerten sich nicht in zentralen Konfliktfragen des Islam in Deutschland wie dem Verhältnis von Grundgesetz und Scharia, der Stellung der Frauen und der religiösen Toleranz.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerden hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache erneut an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil das Oberverwaltungsgericht die verwaltungsprozessrechtliche Bindung an die tragenden rechtlichen Erwägungen des ersten in dieser Sache ergangenen Revisionsurteils des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2005 nicht hinreichend beachtet hat (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2005 – 6 C 2.04 – BVerwGE 123, 49).

Religionsgemeinschaften haben nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes einen Anspruch darauf, dass der Schulträger nach ihren Glaubensgrundsätzen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen einrichtet. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem ersten Revisionsurteil entschieden, dass Dachverbände wie die Kläger Religionsgemeinschaften sind, wenn sie unter anderem über Kompetenz und Autorität in Fragen der religiösen Lehre verfügen. Dies betrifft die Glaubensinhalte des religiösen Bekenntnisses, die sich daraus ergebenden Verhaltensanforderungen für die religiös Verantwortlichen und die Gläubigen sowie die Ausübung des Kults. Lehrautorität setzt voraus, dass sie mit einer gewissen Kontinuität ausgeübt wird, und die Lehrmeinungen Gewicht haben, sodass sich die religiös Verantwortlichen und Gläubigen daran orientieren. Ein verbindliches Lehramt ist nicht erforderlich; dessen Einrichtung hängt vom Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft ab. Auch einer Religionsgemeinschaft steht der Anspruch nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes nur zu, wenn sie Gewähr bietet, die Verfassungsordnung des Grundgesetzes, insbesondere die Grundrechte und die freiheitliche Verfassung des Staatskirchenrechts, zu respektieren.

Das Oberverwaltungsgericht hat diese bindenden Maßgaben nicht beachtet, weil es die Eigenschaft als Religionsgemeinschaft von einem verbindlichen Lehramt in religiösen Fragen und der Abgabe von Stellungnahmen in Fragen des Verhältnisses von Staat und Religion abhängig gemacht hat. Der zweite Gesichtspunkt betrifft die Respektierung der Verfassungsordnung durch eine bestehende Religionsgemeinschaft. Das Oberverwaltungsgericht wird die Tätigkeit der Kläger in Fragen der religiösen Lehre und deren Bedeutung für religiös Verantwortliche und Gläubige weiter aufzuklären haben. Stellt es fest, dass die Kläger über Lehrautorität verfügen und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Religionsgemeinschaft erfüllt sind, wird es der Frage der Respektierung der Verfassungsordnung nachzugehen haben.

BVerwG 6 B 94.18 – Beschluss vom 20. Dezember 2018

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek,  begrüßt Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.

Aiman Mazyek: „Die Entscheidung zeigt die Mängel des Urteils des OVG auf und natürlich begrüßen wir die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Allerdings ist es Aufgabe der Politik, zu gestalten und Entscheidungen zu treffen. Unser Antrag auf Erteilung des islamischen Religionsunterrichts in NRW ist schon 1994 gestellt worden und seit 1994 kämpfen wir für einen islamischen Religionsunterricht, der gemäß den Vorgaben unserer Verfassung von uns als Religionsgemeinschaft unter staatlicher Aufsicht verantwortet und in deutscher Sprache sowie von an deutschen Universitäten ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern gelehrt wird. Nochmals: Das fordern wir seit 1994, also lange bevor dies politisch gedacht wurde.“ Zum Beschluss des BVerwG sagte der Beauftragte für Recht des ZMD, Rechtsanwalt Said Barkan: „Das nun aufgehobene Urteil des OVG Münster aus dem letzen Jahr wurde in Fachkreisen nicht zu Unrecht – bisweilen heftig – kritisiert.

Diese Kritik wird nun durch die Aufhebung durch das  Bundesverwaltungsgericht bestätigt, da das OVG Münster die Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Eigenschaft für die Anerkennung als Religionsgemeinschaft in Bezug auch auf den ZMD überspannt hat.“

Das in NRW vereinbarte Beirats-Modell für den islamischen Religionsunterricht läuft 2019 aus. Das Beirats-Modell ist seinerzeit als befristetes Modell von den im KRM vertretenen Religionsgemeinschaften unter Zurückstellung der  festgehaltenen verfassungsrechtlichen Bedenken mitgetragen worden, um einen Start zu ermöglichen und um vor allem den muslimischen Kindern das Angebot eines deutschsprachigen islamischen Religionsunterrichts nicht vorzuenthalten.

Samir Bouissa, Landesvorsitzendes des ZMD NRW, appelliert an die Landesregierung in NRW: „Es ist Zeit, dass die Politik die Entscheidung für einen verfassungskonformen islamischen Religionsunterricht trifft und diese nicht Gerichten überantwortet. Das sind Sie den muslimischen Kindern, Eltern und Lehrerinnen und Lehrern in NRW schuldig.“

Aiman Mazyek zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betreffend islamischen Religionsunterrichts.

Eine Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*