Das Tarifeinheitsgesetz sei weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar.

Mit Minderheitenvoten ergangen und Kritik von der Linksfraktion im Bundestag.

Mit heute verkündetem Urteil hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Regelungen des Tarifeinheitsgesetzes weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Auslegung und Handhabung des Gesetzes müsse allerdings der in Art. 9 Abs. 3 GG grundrechtlich geschützten Tarifautonomie Rechnung tragen; über im Einzelnen noch offene Fragen hätten die Fachgerichte zu entscheiden. Unvereinbar sei das Gesetz mit der Verfassung nur insoweit, als Vorkehrungen dagegen fehlten, dass die Belange der Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen bei der Verdrängung bestehender Tarifverträge einseitig vernachlässigt würden. Der Gesetzgeber müsse insofern Abhilfe schaffen. Bis zu einer Neuregelung dürfe ein Tarifvertrag im Fall einer Kollision im Betrieb nur verdrängt werden, wenn plausibel dargelegt ist, dass die Mehrheitsgewerkschaft die Belange der Angehörigen der Minderheitsgewerkschaft ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigt hat. Das Gesetz bleibe mit dieser Maßgabe ansonsten weiterhin anwendbar. Die Neuregelung sei bis zum 31. Dezember 2018 zu treffen.

Die Entscheidung ist teilweise mit Gegenstimmen ergangen; zwei Mitglieder des Senats haben ein Sondervotum abgegeben.

Text im Internet über folgende URL zu erreichen:

http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-057.html

Das Tarifeinheitsgesetz ist weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar.

Tarifeinheits-Urteil: Grenzen des Grundgesetzes überdehnt?

Kritik von der Linksfraktion im Bundestag

„Wir hätten uns gewünscht, dass Andrea Nahles‘ Tarifeinheitsgesetz komplett gekippt wird. Das ist leider nicht der Fall. Nichtsdestotrotz zeigt sich am Urteil des Bundesverfassungsgerichts, vor allem aber auch am Minderheitenvotum, dass die Bundesarbeitsministerin die Grenzen des Grundgesetzes deutlich überdehnt hat“, kommentierte Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz.

Ernst weiter:

„Wenngleich Teile des Gesetzes als mit der Verfassung nicht vereinbar bezeichnet werden, hat das Gericht sie leider nicht für nichtig erklärt. Stattdessen muss der Bundestag die entsprechenden Passagen bis Ende 2018 nachbessern. Eindeutig klar gestellt wurde allerdings, dass kleine Gewerkschaften auch dann für einen Tarifvertrag streiken dürfen, wenn dieser nicht zur Anwendung kommt. Damit ist zumindest das Ansinnen der Bundesregierung, kleinen Gewerkschaften das Streikrecht zu entziehen, unterbunden worden.

Nach diesem Urteil muss sich der Deutsche Bundestag erneut mit dem Tarifeinheitsgesetz beschäftigen. Ich erwarte, dass dabei auch das einleuchtende Votum der Minderheit der Karlsruher Richter Berücksichtigung findet. Auch durch dieses Votum fühlen wir uns in unserer Auffassung gestärkt. DIE LINKE wird weiter dafür kämpfen, ein effektives Streikrecht für alle Beschäftigten zu erhalten.“

Klaus Ernst, DIE LINKE: Streikrecht muss erhalten bleiben

Klaus Ernst war heute in Karlsruhe dabei, als das Bundesverfassungsgericht das Urteil über Andrea Nahles' #Tarifeinheitsgesetz gesprochen hat. Auch wenn er sich gewünscht hätte, dass das Gericht das Gesetz komplett gekippt hätte, ist er doch erleichtert, dass wenigstens das Streikrecht auch für kleinere Gewerkschaften geschützt wurde. Auch muss sich der Bundestag erneut mit dem Gesetz befassen und einzelne Passagen überarbeiten. "DIE LINKE wird weiter dafür kämpfen, ein effektives Streikrecht für alle Beschäftigten zu erhalten", stellt Klaus Ernst klar.

Publié par Fraktion DIE LINKE. im Bundestag sur mardi 11 juillet 2017

Zur Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsbeschwerden gegen das Tarifeinheitsgesetz erklärt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales:

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass der Grundsatz der Tarifeinheit verfassungsgemäß ist und mit dem Grundgesetz im Einklang steht. Regelungskern des Tarifeinheitsgesetzes ist die Stärkung der solidarischen Interessenvertretung durch Gewerkschaften. Das Tarifeinheitsgesetz stärkt die Tarifpartnerschaft und die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Die heutige Entscheidung bestätigt diesen Kurs. Zu Detailfragen des Gesetzes hat das Bundesverfassungsgericht verbindliche Auflagen und Vorgaben gemacht, die eine hinreichende Berücksichtigung der Berufsgruppen strukturell sicherstellen sollen. Diese werden die Anwendung des Tarifeinheitsgrundsatzes in der Praxis erleichtern. Im Übrigen gilt es nun, die Urteilsgründe gründlich und sorgsam zu analysieren.

Dazu erklärt Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles:

„Ich begrüße die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und freue mich, dass der Grundsatz der Tarifeinheit im Einklang mit unserem Grundgesetz steht. Das Tarifeinheitsgesetz stärkt die solidarische Interessenvertretung durch die Gewerkschaften. Das ist ein guter Tag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land.“

Angriff auf das Existenzrecht der GDL abgewehrt –

Gesetzgeber muss nachbessern

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist erleichtert über das einschränkende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz (TEG). „Zumindest ist der Ansatz zur Existenzvernichtung von Berufsgewerkschaften gestoppt worden“, so der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky. „Die Einschränkung der Koalitionsfreiheit wird nicht zugelassen, das Arbeitskampfrecht von Berufsgewerkschaften wird nicht eingeschränkt“. Mit dieser Entscheidung haben die obersten Verfassungsrichter klar aufgezeigt, dass eine Zwangstarifeinheit nicht mit der Verfassung (Artikel 9 Absatz 3) vereinbar ist. Das Gesetz bleibt zwar bestehen, muss aber bis zum 31. Dezember 2018 nachgebessert werden.

GDL wird auch weiterhin die Weichen richtig stellen

Insoweit kann die GDL auch in Zukunft ihren Flächentarifvertrag für das gesamte Zugpersonal (BuRa-ZugTV) in allen Eisenbahnverkehrsunternehmen durchsetzen. „Die Frage, ob es in der Praxis jemals eine Einschränkung geben wird und unser Flächentarifvertrag untergeht, gehen wir aktiv an und sind zuversichtlich, dass uns die Fachgerichte auch nicht die Existenzgrundlage absprechen werden“, so Weselsky und weiter: „Wir können somit weiter für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen für das Zugpersonal sorgen und als 150 Jahre alte Gewerkschaft unseren Flächentarifvertrag, den BuRa-ZugTV, in allen Eisenbahnverkehrsunternehmen verankern und weiterentwickeln. Die Arbeitgeber sollten darum endlich ihre Wünsche beerdigen, nur noch mit schwach organisierten Großgewerkschaften Tarifverträge zu verhandeln.“

Der Organisationsgrad entscheidet über die Stärke von Gewerkschaften, nicht die Frage ob man ein Mitglied mehr im Betrieb hat oder nicht

Die GDL hatte massive Kritik an dem umstrittenen TEG geübt und deshalb in Karlsruhe geklagt. Hätte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz tatsächlich 1:1 durchgewunken, dann wäre das ein Angriff auf das Existenzrecht der GDL gewesen. „Deshalb setzen wir unsere Gewerkschafts- und Tarifpolitik konsequent fort, bauen den BuRa-ZugTV in allen Eisenbahnverkehrsunternehmen weiter aus, werten damit unsere Berufe auf und machen sie attraktiver für die Zukunft. Ein sicherer, zuverlässiger und pünktlicher Eisenbahnverkehr ist nur mit qualifizierten, motivierten und gut bezahlten Fachkräften möglich. Dazu braucht man spezielle Tarifverträge, welche nachweislich von den Berufsgewerkschaften etabliert werden“, so Weselsky.

Claus Weselsky zum Tarifeinheitsgesetz

"Wir sind enttäuscht, dass das Tarifeinheitsgesetz nicht in Bausch und Bogen abgelehnt worden ist" – Claus Weselsky (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) im Gespräch mit Stephan Kulle zum Tarifeinheitsgesetz. (vom 11.07.17)

Publié par PHOENIX sur mercredi 12 juillet 2017

Tarifeinheit: Streikrecht bleibe unangetastet

Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Tarifeinheit erklärte Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für ArbeitnehmerInnenrechte von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Der Spruch der Karlsruher Richter ist zwar zurückhaltend, aber im Detail sehr deutlich. Ganz wichtig ist die Klarstellung, dass das Tarifeinheitsgesetz in keiner Weise das Streikrecht berührt. Streiks bleiben möglich, unabhängig davon ob die Gewerkschaft die Mehrheit oder eine Minderheit der Beschäftigten vertritt. So entsteht kein Haftungsrisiko für die Gewerkschaften. Damit ist der Angriff auf das Streikrecht abgewehrt und das ist gut so.

Das Tarifeinheitsgesetz ist laut Karlsruher Richter weitgehend verfassungsgemäß, aber es verstößt dennoch im Falle einer Verdrängung eines Tarifvertrags gegen die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz. Die Bundesregierung hat damit ein einseitiges Gesetz vorgelegt, das die großen Gewerkschaften bevorteilt, aber die Berufsgewerkschaften nicht ausreichend schützt. Die Bundesregierung muss also wieder einmal gesetzlich nacharbeiten und das Gesetz zu Gunsten der Berufsgewerkschaften überarbeiten. Das begrüßen wir, denn die neuen Regelungen müssen künftig die Interessen der Berufsgewerkschaften weitaus stärker als geplant berücksichtigen.

Zukünftig werden die Gerichte dafür zuständig sein, dass das Tarifeinheitsgesetz auch tatsächlich verfassungsgemäß ausgelegt wird. Das ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung, denn sie hätte das selber gesetzlich regeln müssen. Jetzt drohen vielfältige Gerichtsverhandlungen und unterschiedliche Urteile. Alles zusammen wird die Lage unübersichtlich und chaotisch machen. Im besten Falle wird das Urteil aus Karlsruhe aufgrund der vielen Hürden dazu führen, dass das Tarifeinheitsgesetz einfach ins Leere läuft. Und das wäre ein echter Erfolg für die Koalitionsfreiheit.“

Tarifeinheitsgesetz: Prof. Stefan Greiner zum Urteil des Bunde…

Video: Prof. Stefan Greiner, Arbeitsrechtler Uni Bonn, spricht im Interview mit Joachim Pohl, Leiter ZDF-Rechtsredaktion, über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum #Tarifeinheitsgesetz.

Publié par PHOENIX sur mardi 11 juillet 2017

2 Antworten

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