Gesetzliche Rentenversicherung für Strafgefangene nicht auf der Tagesordnung.

Die heutige Herbsttagung der Justizministerinnen und Justizminister in der brandenburgischen Landesvertretung in Berlin endet erneut ohne Hoffnung für arbeitende Gefangene – gesetzliche Rentenversicherung für sie in weiter Ferne.

Große Übereinstimmung hat es dagegen bei dem Thema der Entschädigung von Homosexuellen gegeben, die nach dem zwischenzeitlich annullierten Paragraphen 175 des Strafgesetzbuches verurteilt worden sind. In der der eigentlichen Justizministerkonferenz sich anschließenden Pressekonferenz brachte Bundesjustizminister Heiko Maas seine Freude darüber zum Ausdruck, dass dieses Thema „so sachlich“ in der Justizministerkonferenz diskutiert worden sei. Maas machte deutlich, dass die seinerzeit verurteilten Menschen weder etwas „verbrochen, nichts gestohlen oder betrogen, auch niemandem ein Leid zugefügt haben, sondern nur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verurteilt worden sind“. Dies bezeichnete er als einen Verstoß gegen die Menschenwürde, weshalb diese Urteile aufzuheben und die Betreffenden finanziell zu entschädigen sind. Darüber habe große Übereinstimmung bestanden.

Der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann betonte, dass diesen Menschen zudem ihre bürgerliche Existenz genommen wurde und sie jahrzehntelang sozial geächtet waren. Er fügte hinzu, dass auch er froh darüber sei, „dass wir hier eine Regelung hinbekommen haben“.

Dann ging Heilmann auch auf das Problem der Kinderehen ein: „Alle 7 Sekunden wird international ein Mädchen unter 15 Jahren verheiratet.“ 700 Millionen Frauen unter 18 Jahren seien in der Welt verheiratet. Mit dem Bundesjustizminister sei man sich jetzt jedoch einig geworden, dass Ehen von unter 16Jährigen nicht anerkannt würden. Und zwar automatisch nicht. Er sprach aber auch von so genannten Härtefallregelungen, bei denen berücksichtigt werden müsse, dass eine Frau mit 17 Jahren verheiratet worden sei, in der zwischenzeitlich 20 Jahre bestehenden Ehe aber 3 Kinder vorhanden sind. Hier wolle niemand eine automatische Annullierung der Ehe, über eine Härtefallregelung soll hier eine Lösung erreicht werden.

Auf Initiative Brandenburgs wurde das besondere Schutzbedürfnis von Kindern und die Bedeutung der Kinderrechte und ihrer normativen Verankerung im Grundgesetz erörtert.

Hier war man der Ansicht, dass Kinderrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden sollten, um die Rechtsstellung und das besondere Schutzbedürfnis von Kindern deutlich zum Ausdruck zu bringen.

Unter Bezugnahme auf den Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz vom 22./23. Mai 2014 in Mainz begrüßten die Justizministerinnen und Justizminister die Initiative der Jugend- und Familienministerkonferenz zur Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der Justizressorts, die die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz prüfen soll. Sie sprachen sich dafür aus, dass die Arbeitsgruppe alsbald ihre Prüfung beginnt und noch im Jahre 2017 eine gemeinsame Empfehlung für die Fachministerkonferenzen formuliert.

Zum leidigen Thema „‘Hate Speech‘“ im Internet effektiv unterbinden – Stärkung der Position der von Hasskriminalität betroffenen Nutzer“, das auf Initiative Hamburgs auf der Tagesordnung stand, nahmen die Justizministerinnen und Justizminister „mit Besorgnis“ die Zunahme von Fällen sogenannter „Hate Speech“ zur Kenntnis. Sie begrüßten, dass in einem ersten Schritt eine Task Force „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“ ins Leben gerufen wurde. Sie wiesen aber darauf hin, dass Nutzer, die die im Ausland ansässigen Internetunternehmen nach erfolgloser Rüge (gerichtlich) in Anspruch nehmen wollen, häufig vor erheblichen Problemen stehen. Im Anschluss an ihre Beschlüsse der 87. Konferenz vom 1. und 2. Juni 2016 (Frühjahrskonferenz in Nauen) baten die Justizministerinnen und Justizminister den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, geeignete Lösungsvorschläge zu entwickeln, die eine effektive Löschung von „Hate Speech“ im Internet bei gleichzeitiger Beweissicherung ermöglichten. Dazu sollte insbesondere sichergestellt werden, dass Schriftsätze und Klagen an Internetunternehmen mit Sitz im Ausland zeitnah zugestellt werden könnten, Anfragen von Ermittlungsbehörden, die an diesen oder einen anderen zu benennenden Ansprechpartner im Inland erfolgten, in angemessener Zeit inhaltlich beantwortet werden, die Betreiber betroffener Internetplattformen und -foren den Nutzern verlässliche und funktionierende Kommunikationswege für Begehren auf Löschung von „Hate Speech“ bereitstellten und die Begehren zügig und angemessen bearbeitet werden. Zur Durchsetzung dieser den Unternehmen auferlegten Pflichten soll ein Ordnungswidrigkeitentatbestand, orientiert etwa an der Regelung des § 130 OWiG, geprüftwerden. Um die Umsetzung von Begehren auf Löschung transparent zu machen, baten die Justizministerinnen und Justizminister den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz weiter, zeitnah Regelungsvorschläge zu prüfen, mit denen die sozialen Netzwerke, Videoportale und Medienplattformen verpflichtet werden, die Zahl der Beschwerden wegen „Hate Speech“ sowie die Zahl der erfolgten Löschungen regelmäßig zu veröffentlichen. Die Öffentlichkeit habe darüber hinaus einen Anspruch darauf, dass die Beschwerden im Rahmen eines transparenten Verfahrens bearbeitet würden. Dazu gehörte insbesondere auch, den Ablauf der von ihnen praktizierten Prüfverfahren, die insoweit eingesetzten personellen Ressourcen sowie die Kriterien der Entscheidungsfindung zu veröffentlichen. In Bekräftigung ihrer Beschlüsse auf der 87. Konferenz am 1. und 2. Juni 2016 in Nauen baten die Justizministerinnen und Justizminister den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz zudem zu beobachten, ob die Strafrahmen der Beleidigungstatbestände für über das Internet begangene Taten weiter ausdifferenziert werden sollten.

Beim Thema der Ausdehnung der Zuständigkeit der Staatsschutzkammern auf Staatsschutzverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende sowie auf Verfahren wegen Straftaten nach § 91 StGB (Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), das auf Initiative Bayerns behandelt wurde, haben sich die Justizministerinnen und Justizminister mit der gerichtlichen Zuständigkeit in Staatsschutzsachen, insbesondere bei gegen Jugendliche und Heranwachsende geführten Verfahren, befasst. Vor dem Hintergrund der Entwicklung des internationalen Terrorismus und der damit in Zukunft auch zu erwartenden Zunahme von Staatsschutzverfahren gegen diese Altersgruppe von Beschuldigten, wurde erörtert, ob die derzeitigen Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit eine ausreichend effektive Verfolgung und Verurteilung der im Katalog des § 74a Abs. 1 GVG genannten Straftaten im Falle einer Tatbegehung durch Jugendliche und Heranwachsende gewährleisteten.

Zur von Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen initiierten Effektivität strafrechtlicher Ermittlungen in getarnten Computernetzwerken, dem sog. Darknet, haben sich die Justizministerinnen und Justizminister mit den Möglichkeiten und Risiken des internetbasierten Handels und Informationsaustauschs in getarnten, nur eingeschränkt zugänglichen Netzwerken, dem sogenannten Darknet, befasst. Sie sähen mit Sorge, dass derartige Netzwerke Personen, die auf herkömmlichem Wege Zugang zu Waffen, Betäubungsmitteln, Falsifikaten oder kriminellen Dienstleistungen nicht ohne weiteres finden, es ermöglichen, niedrigschwellig Zugang zu einer kriminell nutzbaren, logistischen Infrastruktur zu erhalten.

Die Justizministerinnen und Justizminister halten es daher für erforderlich, das öffentliche Feilbieten von Gegenständen und Dienstleistungen zur Vorbereitung von Straftaten im Internet zu unterbinden. Hier baten sie die Bundesregierung zu prüfen, inwieweit dies durch Anpassungen des materiellen Strafrechts, namentlich des Waffengesetzes, besser als bisher erreicht werden könne.

Darüber hinaus halten es die Justizministerinnen und Justizminister für erforderlich, die Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden besser auf die digitale Herausforderung einzustellen. Sie begrüßten, dass die Arbeitsgruppe „Cloud Evidence“ des Cybercrime-Convention-Komitees dazu am 16. September 2016 konkrete Vorschläge vorgelegt und dass der Rat der Europäischen Union in den Ratsschlussfolgerungen „Improving Justice in Cyberspace“ (Ratsdok. 10007/16) vom 9. Juni 2016 insoweit die Europäische Kommission mit einem Handlungsmandat ausgestattet hat.

Sie baten die Bundesregierung, die weiteren Arbeiten sowohl auf Ebene des Europarates als auch auf Ebene der Europäischen Union voranzutreiben.

Zur Frage des Umgangs mit terroristischen Attentäterinnen und Attentätern im Justizvollzug, die auf Initiative Brandenburgs, Niedersachsens, Nordrhein-Westfalens und Sachsens zustande kam, stellten die Justizministerinnen und Justizminister fest, dass die Unterbringung mutmaßlicher oder verurteilter terroristischer Attentäterinnen und Attentäter den Justizvollzug weiterhin vor besondere Herausforderungen stelle.

Hier baten sie den Strafvollzugsausschuss der Länder, den länderübergreifenden Austausch zum Umgang mit radikal-islamistischen Gefangenen fortzusetzen. Dazu sollten die vorliegenden Handlungsempfehlungen um Vorschläge zur Unterbringung von mutmaßlichen oder verurteilten terroristischen Attentäterinnen und Attentätern gegebenenfalls ergänzt werden.

Der Strafvollzugsausschuss der Länder soll dabei auch die Aspekte der Suizidprävention unter besonderer Berücksichtigung dieser Gefangenenklientel sowie der Kooperationen mit den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden beleuchten. Der Strafvollzugsausschuss soll der Justizministerkonferenz spätestens bis zur Herbsttagung 2017 seinen Bericht vorlegen.

Zum Thema „Notwendigkeit von Rückfalluntersuchungen – Fortsetzung der Legalbewährungsstudie des MPI und der Universität Göttingen“, das auf Initiative Berlins auf der Tagesordnung stand, stellten die Justizministerinnen und Justizminister fest, dass kontinuierliche wissenschaftliche Erkenntnisse zur Rückfälligkeit nach Verhängung und Verbüßung einer Strafe für eine rationale Kriminalpolitik unverzichtbar seien, insbesondere weil sie die Überprüfung der spezialpräventiven Wirkung von Kriminalstrafen ermöglichten. Hieraus würden zudem wichtige Erkenntnisse gewonnen über die Erreichung des Vollzugsziels – der Befähigung, ein Leben ohne Straftaten zu führen – und wesentliche Grundlage für Prognosen zum Rückfallrisiko.

Die Justizministerinnen und Justizminister baten hier den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, die Fortsetzung der bundesweiten Untersuchung zur Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen zu gewährleisten.

Die Versorgung Gefangener mit Personalausweisen wurde von Mecklenburg-Vorpommern initiiert. Die Justizministerinnen und Justizminister stellten dazu fest, dass die Ausstattung Gefangener mit gültigen Personaldokumenten der öffentlichen Sicherheit diene und eine wesentliche Voraussetzung für die Wiedereingliederung nach der Haftentlassung sei.

Die Justizministerinnen und Justizminister baten insofern den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, sich bei dem Bundesminister des Inneren für eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen dahingehend einzusetzen, dass Strafgefangene nicht mehr von der Ausweispflicht ausgenommen seien und die Möglichkeit einer Beantragung von Personaldokumenten in Einrichtungen des Justizvollzuges sichergestellt werde. Die Justizvollzugseinrichtungen unterstützten hier die technisch-organisatorische Umsetzung des Antragsverfahrens vor Ort innerhalb des Vollzuges.

Am Rande der Konferenz war zu vernehmen, dass die Rentenversicherung für Gefangene zwar „noch nicht vom Tisch“ sei, sich derzeit noch in der Prüfung der Finanz- und Arbeitsminister befinde, aber wahrscheinlich doch nicht umgesetzt werden würde.

Die 88. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister wird im nächsten Jahr in Rheinland-Pfalz stattfinden.

Dietmar Jochum, TP Presseagentur

Foto (v.l.n.r.): Till Steffen, Justizminister Hamburg (Bündnis 90/Die Grünen); Thomas Kutschaty, Justizminister Nordrhein-Westfalen (SPD); Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und Verbraucherschutz (SPD); Stefan Ludwig, Minister der Justiz, Europa und Verbraucherschutz Brandenburg (Die LINKE); Thomas Heilmann, Justizsenator und Senator für Verbraucherschutz Berlin (CDU).

Bildquelle: TP Presseagentur Berlin/dj

Dieser Beitrag wurde am 23. November 2016 aktualisiert.

 

3 Antworten

  1. Rentenversicherung schon seit fast 40 in Arbeit! Es passiert nichts – warum auch, sie ficken uns jetzt mit dem Mindestlohn, genau die gleiche Masche. „Die Mafia trägt schwarz…“.
    Es muß nun Aufstände geben, zumal die GG/BO den „Fritz-Bauer-Preis“ verliehen bekam, sind die Aussichten nicht schlecht den jetzigen Zuchthausvollzug abzuschaffen.
    DR. Michel Friedman Anwalt und Jude sagte mal: „Es gibt noch 20 Millionen Faschisten in der BRD, ohne die ehemalige Stasi nicht zu vergessen, die schon lange vor dem Mauerfall unser „Justizsysthem“ unterwandert haben und die größten „Tummelburgen“ findet man in den Regierungen, Ministerien und bei der Gerichtsbarkeit.“ Amen

    Jürgen Rößner (30 Jahre und 7 Monate Knast verbüßt) in die Altersarmut – Resozialisiert!

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