Nach Terroranschlag in Hanau fordert Zentralrat der Muslime: Muslime müssen sich selber schützen – GdP lehnt Polizei- und Überwachungsstaat ab.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat heute diesen „fürchterlichen und hasserfüllten rechtsextremistischen Terroranschlag“ von Hanau „aufs Schärfste“ verurteilt.
„In diesen Stunden sind unsere Gebete, Gedanken und Trauer
bei den Opfern und Hinterbliebenen. Dies ist ein schrecklicher Tag für unser
Land, für uns Muslime. Möge Gott unser Land vor dem Übel und den Übeltätern
schützen“, heißt es in einer soeben abgegebenen Presseerklärung des ZMD.
„Der Terrorist von Hanau mag vielleicht ein Einzeltäter gewesen sein, aber
seine mörderische, rassistische Ideologie ist beileibe kein Einzelfall und
steht nicht alleine da, wie auch die erschreckenden Wahlergebnisse zeigen und
wie Faschisten in rechtsradikalen Parteien in unserem Land beinah täglich
beweisen. Mölln, Solingen, Rostock-Hoyerswerda, Marwa El-Sherbini, die
NSU-Mordserie, Lübcke, Halle, ganz zu schweigen von Christchurch, Oslo,
Pittsburgh u.a. etc. haben im internationalen Kontext eine lange Blutspur auch
in Deutschland hinterlassen.“
Der ZMD-Vorsitzende Aiman A. Mazyek betonte
zudem heute in Berlin:
„Diejenigen, die Muslimfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus
weiterhin nicht klar benennen oder gar verharmlosen, machen sich mitschuldig an
der blutigen Gewalt gegen Minderheiten und fördern den Faschismus in unserem
Land. Leider fühlen sich rechtsradikale Terroristen durch die jahrzehntelange
Untätigkeit der Politik und Sicherheitsbehörden hinsichtlich des Schutzes der
deutschen Muslime und Minderheiten in Folge der diffamierenden
Berichterstattungen in den Medien über den Islam und Migranten ermutigt,
derartige mörderische Taten zu verüben.“
Wie viele im Lande frage sich der ZMD: „Wie viel
unschuldig Getötete, wie viel gewaltsame Angriffe, wie viel Brandanschläge, wie
viele Bombendrohungen, wie viele Mordaufrufe gegen Migranten und muslimische
Repräsentanten muss es eigentlich noch geben, bevor Polizei und
Sicherheitsbehörden wirksam Muslime, Moscheen, Migranten und ihre Einrichtungen
schützen? Alleine in den letzten Tagen hat es wieder ein halbes Dutzend
Bombendrohungen gegen Moscheen gegeben und es wurde eine rechtsradikale
Terrorgruppe ausgehoben.“
Mazyek fordert die Innenbehörden, die Innenminister und Innenministerkonferenz „erneut
und eindringlich“ auf, „unsere Gotteshäuser sichtbar und qualitativ zu schützen“.
Dies gelte ebenso auch für muslimische Repräsentanten. „Nur auf diese Weise
kann das Vertrauen in den deutschen Staat wieder hergestellt werden“, so Mazyek.
Abschließend stellte er klar: „Nach dem gestrigen Terror rufe ich die
Muslime in Deutschland auf erhöht wachsam zu sein und zudem zusätzlich eigene
Schutzmaßnahmen für sich, ihre Familien und Gotteshäuser und Einrichtungen zu
ergreifen“.
Zum morgigen Freitagsgebet wollen die Muslime „in den Gotteshäusern in
unserem Land für die Opfer beten und Bittgebete für die Sicherheit in unserem
Land aussprechen“.
Sie wollen sich aber auch „die bohrende Frage stellen, ob der Politik und den Sicherheitsbehörden der Schutz seiner deutschen Muslime wichtig ist“.
Bundesanwaltschaft übernimmt Ermittlungen
Die Bundesanwaltschaft hat heute die Ermittlungen wegen des Anschlagsgeschehens vom 19. Februar 2020 in Hanau übernommen und wird um 15.00 Uhr eine Erklärung vor Medienvertretern abgeben und über den aktuellen Stand der Ermittlungen informieren.
Polizei- und Überwachungsstaat abgelehnt
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnt indes vor vorschnellen Schlussfolgerungen oder nicht durchdachten Forderungen zu Gesetzesverschärfungen.
„Den Ermittlern muss jetzt die nötige Zeit und Ruhe zugestanden werden, die Hintergründe der schrecklichen Tat aufzuklären. Erst dann ist der Punkt gekommen, über mögliche zielführende Konsequenzen zu debattieren“, betonte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jörg Radek heute in Frankfurt (Main).
Fakt sei, dass in einer offenen und freiheitlichen Gesellschaft solche menschenverachtenden Straftaten nicht auszuschließen seien. Selbst vor diesem Hintergrund lehne eine demokratische Gesellschaft wie hierzulande jedoch einen sogenannten Polizei- und Überwachungsstaat zu Recht ab, stellte Radek fest.
Vielmehr komme es darauf an, dass die Sicherheitsbehörden effektiv vernetzt seien, und über genügend erfahrenes Personal verfügten.
Nicht vergessen werden dürfe, welchen großen Anforderungen sich polizeiliche Einsatzkräfte angesichts solcher brutalen Taten stellen müssten, erklärte der stellvertretende hessische GdP-Landesvorsitzende Jens Mohrherr. „Unsere Beamtinnen und Beamten sind auch nur Menschen, und Einsatzbilder bleiben mit Sicherheit bei vielen in den Kleidern hängen.“ Potenzielle und tatsächliche psychische Belastungen der Kolleginnen und Kollegen müssten noch stärker in den Fokus gerückt werden.
Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin
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