401 Ja-Stimmen: Ursula von der Leyen vom Europaparlament als Kommissionspräsidentin wiedergewählt.

Nach dem Votum des Europaparlaments für eine zweite Amtszeit von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich von der Leyen bei den Abgeordneten für das Vertrauen bedankt. Sie sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, das sei ein emotionaler Moment für sie. Mit Blick auf die 401 Ja-Stimmen sprach von der Leyen von einem starken Signal des Vertrauens, einer Anerkennung der gemeinsamen harten Arbeit in den vergangenen fünf Jahren und einer guten Grundlage für die kommenden fünf Jahre.

Rede zu den Prioritäten für das Europa von morgen.

Am Vormittag hatte Ursula von der Leyen den Abgeordneten des Europäischen Parlaments ihre Prioritäten für ein Europa skizziert, das seine Zukunft selbst in die Hand nimmt und den Wandel mitgestaltet. Oberste Priorität sei für sie Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit, dafür müsse Europa „einen Gang hochschalten“. Parallel dazu hat die Kommission von der Leyens politische Leitlinien für die Jahre 2024 bis 2029 online gestellt, einen Plan für europäische Stärke und Einheit.

Weichenstellung für die nächsten Jahre und Jahrzehnte

In ihrer Rede

vor den Abgeordneten des Europäischen Parlaments sagte Ursula von der Leyen: „Trotz der enormen Leistungen, die wir erbracht und Probleme, die wir überwunden haben, steht Europa nun erneut vor einer entscheidenden Weichenstellung. Eine Entscheidung, die unsere Agenda für fünf Jahre prägen und unseren Platz in der Welt für die nächsten fünfzig Jahre bestimmen wird. Diese Wahl läuft darauf hinaus, ob wir uns von den Ereignissen und der Welt um uns herum bestimmen lassen wollen. Oder ob wir uns zusammentun und unsere Zukunft in die eigenen Hände nehmen.“ Von der Leyen betonte, sie sei bereit dazu, mit allen demokratischen Kräften im Europaparlament Demagogen und Extremisten entgegenzutreten und sie werde nicht zulassen, dass „sich die extreme Polarisierung unserer Gesellschaften durchsetzt“. 

Ein starkes und verlässliches Europa 

Die Kommissionspräsidentin umriss ihre Zukunftsvision für das Europa von morgen in ihrer Rede so: „Eine Vorstellung von einem stärkeren Europa, das Wohlstand schafft, die Menschen schützt und die Demokratie verteidigt. Ein stärkeres Europa, das soziale Fairness fördert und die Menschen unterstützt. Ein stärkeres Europa, das das, was vereinbart wurde, auf verlässliche Art und Weise umsetzt. Und das mit Pragmatik, Technologieneutralität und Innovationsfreude an den Zielen des Europäischen Green Deal festhält.“

Auszüge der Rede – konkrete Beispiele:

  • Mit Blick auf Wohlstand und Wachstum in der EU betonte von der Leyen: „Wir brauchen weniger Berichtspflichten, weniger Bürokratie und mehr Vertrauen, bessere Umsetzung und schnellere Genehmigungen.“
  • Beim europäischen Grünen Deal gehe es jetzt um die Umsetzung und um Investitionen vor Ort: „Aus diesem Grund werde ich in den ersten 100 Tagen einen neuen Clean Industrial Deal vorschlagen. Er wird Investitionen in Infrastruktur und Industrie kanalisieren, insbesondere für energieintensive Sektoren. Dies wird dazu beitragen, Leitmärkte zu schaffen, von sauberem Stahl bis hin zu sauberen Technologien.“ Klimaschutz und eine gesunde Wirtschaft unter einen Hut zu bringen sei nicht nur eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch der Generationengerechtigkeit. 
  • Von der Leyen bezeichnete die kommenden Jahre als Zeit der Investitionen: „Von der Landwirtschaft bis zur Industrie. Von der Digitalisierung bis zu neuen strategischen Technologien. Aber auch mehr Investitionen in Menschen und ihre Qualifikationen.“ Dazu gehöre die Vollendung der Kapitalmarktunion und das Mobilisieren auch privater Investitionen.
  • Bezogen auf den EU-Haushalt sagte von der Leyen: „Wir brauchen mehr Investitionskapazitäten. Unser neuer Haushalt muss noch stärker werden. Er muss mehr auf die Politik ausgerichtet, für die Mitgliedstaaten einfacher und wirkungsvoller sein, so dass wir seine volle Kraft nutzen können, um mehr private und öffentliche Mittel zu mobilisieren.“ Auch werde sie einen neuen Europäischen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit vorschlagen, der die Innovation vorantreiben und so den Clean Industrial Deal unterstützen soll.
  • Auch in Sicherheit und Verteidigung muss die EU nach Überzeugung der Kommissionspräsidentin mehr investieren. Russland setze in der Ukraine auf einen Zermürbungskrieg und darauf, dass Europa und der Westen weich werden. Von der Leyen verwies auf den jüngsten russischen Angriff auf ein ukrainisches Kinderkrankenhaus und betonte, die Antwort auf diese Botschaft aus dem Kreml müsse klar ausfallen: „Niemand wünscht sich mehr Frieden als die Menschen in der Ukraine. Einen gerechten und dauerhaften Frieden. Für ein freies und unabhängiges Land. Europa wird der Ukraine zur Seite stehen, so lange es nötig ist.“ Von der Leyen sieht die Zeit gekommen für eine echte Europäische Verteidigungsunion. „Wir müssen mehr investieren. Wir müssen gemeinsam investieren. Und wir müssen gemeinsame europäische Projekte entwickeln. Zum Beispiel ein umfassendes Luftverteidigungssystem – ein European Air Shield. Nicht nur, um unseren Luftraum zu schützen. Sondern auch als starkes Symbol für die Einheit Europas im Bereich der Verteidigung.“
  • Angesichts zunehmender Cyber- und hybrider Bedrohungen schlägt von der Leyen vor, Europol schlagkräftiger zu machen, das Personal zu verdoppeln und sein Mandat zu stärken.
  • Auch Frontex müsse gestärkt werden, um die Außengrenzen zu sichern. „Für mehr Effizienz bei uneingeschränkter Achtung der Grundrechte werde ich vorschlagen, die Zahl der europäischen Grenz- und Küstenwache auf 30.000 zu verdreifachen.“
  • Das Migrations- und Asylpaket bezeichnete von der Leyen als großen Schritt nach vorn: „Jetzt müssen wir uns gemeinsam auf die Umsetzung konzentrieren und die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, das Abkommen vor Ort Wirklichkeit werden zu lassen. Und es wird noch mehr zu tun geben. Wir brauchen ein gemeinsames Konzept für die Rückführung, um sie effektiver und menschenwürdiger zu gestalten. Und wir müssen unsere umfassenden Partnerschaften ausbauen, insbesondere in unserer südlichen Nachbarschaft.“ Von der Leyen will einen Kommissar/eine Kommissarin für diese Region benennen.
  • Bezogen auf eine EU-Erweiterung sagte von der Leyen: „Unsere Nachbarschaft ist unsere Zukunft. Die Aufnahme von Ländern in unsere Union ist eine moralische, historische und politische Verantwortung. Sie ist auch eine wichtige geostrategische Verantwortung für Europa.“ Eine größere Union sei auch eine kräftigere Union, mit einer gestärkten Stimme in der Welt. Der Beitrittsprozess werde immer leistungsorientiert sein: „Wir werden die Beitrittskandidaten unterstützen, indem wir auf Investitionen und Reformen hinarbeiten und sie, wo immer wir können, in unseren rechtlichen Rahmen einbinden.“ 
  • Von der Leyen plädiert dafür, mit Blick auf eine EU-Erweiterung ambitionierter bei den Reformen zu sein: „Wir müssen die Erweiterung als Katalysator für Verbesserungen im Hinblick auf unsere Handlungsfähigkeit, unsere politischen Prozesse und unseren Haushalt nutzen.“ Sie wolle gemeinsam mit dem Europaparlament daran arbeiten.
  • Mit Blick auf den Nahen Osten und speziell den Gaza-Streifen bekräftigte von der Leyen: „Wir brauchen einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand. Wir brauchen eine Freilassung der israelischen Geiseln. Und wir müssen den Tag danach vorbereiten.“ Sie verwies auf die aufgestockte humanitäre Hilfe der EU (fast 200 Millionen Euro im laufenden Jahr) und die Arbeiten an einem größeren mehrjährigen Unterstützungspaket für eine effektive Palästinensische Behörde. Die Zweistaatenlösung sei der beste Weg, um die Sicherheit von Israelis und Palästinensern gleichermaßen zu gewährleisten.
  • Zur Zukunft der Landwirtschaft kündigte von der Leyen eine neue europäische Strategie für unsere Landwirtschaft und den Nahrungsmittelsektor an, um u.a. ein faires Einkommen für die Landwirtinnen und Landwirte zu sichern. Es gehe zusätzlich darum, die Landwirtschaft besser für die Auswirkungen der Erderwärmung zu rüsten. „Deshalb werde ich einen Plan für die Landwirtschaft vorlegen, um die nötige Anpassung an den Klimawandel zu bewältigen, und parallel eine Strategie zum nachhaltigen Umgang mit der kostbaren Ressource Wasser. Nicht nur unsere Ernährungssicherheit hängt davon ab, sondern auch unsere gesamte Wettbewerbsfähigkeit.“
  • Von der Leyen griff auch das Thema soziale Rechte auf und betonte, dass Europa hier historische Fortschritte gemacht hat – vom Mindestlohn bis zur ersten Kindergarantie. Europa stehe jetzt aber vor neuen Herausforderungen, von den Möglichkeiten und Risiken künstlicher Intelligenz über die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz bis hin zu neuen Armutsfaktoren. Die neue Kommission werde sich auch dem Thema bezahlbarem Wohnraum verstärkt widmen. „Normalerweise wird der Wohnungsbau nicht als europäisches Thema betrachtet. Manche mögen sagen, wir sollten uns nicht einmischen. Aber ich möchte, dass diese Kommission die Menschen dort unterstützt, wo es am dringendsten ist. Wenn es für die Europäer wichtig ist, ist es auch für Europa wichtig.“
  • Über die Kohäsionspolitik erfährt jede Region in der EU Unterstützung. Von der Leyen betonte: „Keiner wird zurückgelassen. Ich möchte, dass Europa der beste Ort ist, um aufzuwachsen und der beste Ort, um alt zu werden.“  Konkret sprach sie hier unter anderem das Bildungsprogramm Erasmus+ an sowie einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen, etwa vor Cybermobbing und dem süchtig machenden Design mancher Online-Plattformen. 
  • Von der Leyen machte sich stark für eine Roadmap für die Rechte der Frauen. Es sei viel erreicht worden, etwa mit der Richtlinie für Frauen in Führungspositionen und bei der Lohntransparenz. Aber es sei auch noch viel zu tun, zum Beispiel gegen den Anstieg von Gewalt gegen Frauen und dem Lohn- und Rentengefälle.
  • Von der Leyen kündigte einen Vorschlag für einen Schutzschild für die Europäische Demokratie an: „Die EU braucht ihre eigenen Strukturen zur Bekämpfung der Manipulation von Informationen und der Einflussnahme aus dem Ausland.“ Es gehe um mehr Kapazitäten, um die Möglichkeit, Sanktionen auszusprechen, um Unterstützung für unabhängigen Journalismus, Stärkung der Medienkompetenz und darum, dass sich Tech-Giganten an die Regeln halten.
  • Mit Blick auf alle Bereiche der Demokratie sagte von der Leyen, Rechtsstaatlichkeit und der Kampf gegen Korruption werde im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Dazu gehöre auch der klare Grundsatz im EU-Haushalt: „Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit ist ein Muss für EU-Mittel. In diesem Haushalt und in der Zukunft, mit dem Konditionalitäts-Mechanismus. Das ist nicht verhandelbar. Denn dies ist der Kern unseres europäischen Zusammenlebens.“

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