Austritt Großbritanniens: EU werde geeint ihre Interessen schützen.

Austritt Großbritanniens: EU werde geeint ihre Interessen schützen.

Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag: Schmutzige Scheidung.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat am heutigen Mittwoch den offiziellen EU-Austrittsantrag der  britischen Premierministerin Theresa May erhalten. Der Europäische Rat gab danach eine gemeinsame Erklärung ab. Wir bedauern, dass das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen wird. Aber wir sind bereit für den Prozess, der nun folgt, heißt es darin. In diesen Verhandlungen wolle die EU einig sein und ihre Interessen bewahren. Kommissionspräsident Juncker wird heute bei einem Bürgerdialog in Malta Stellung nehmen. Morgen wird Juncker beim Kongress der Europäischen Volkspartei in Malta eine Rede zur Zukunft der Europäischen Union mit 27 Mitgliedstaaten halten.

Unsere oberste Priorität ist es, die Unsicherheit abzubauen, die die Entscheidung des Vereinigten Königreiches unseren Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Mitgliedstaaten bereitet, heißt es weiter in der Erklärung des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs. Ratspräsident Tusk sagte vor Journalisten in Brüssel, es sei kein glücklicher Tag, weder für Europa noch für knapp die Hälfte der britischen Wähler, die gegen den Brexit gestimmt hatten. In den Verhandlungen gehe es nun um Schadensbegrenzung für beide Seiten, so Tusk.

Mit dem heutigen Tag und dem Austrittsantrag gemäß Artikel 50 des Vertrages von Lissabon beginnt eine Frist von zwei Jahren zum Austritt Großbritanniens.

Kommissionspräsident Juncker ist heute und morgen in Malta beim Kongress der Europäischen Volkspartei (EVP). Zusammen mit Maltas Premier Joseph Muscat und EU-Kommissar Vella nimmt Juncker heute ab 17:30 Uhr an einem Bürgerdialog teil, der live auf EbS und auf Facebook verfolgt werden kann.

Im Zusammenhang mit dem Weißbuch der Kommission zur Zukunft der EU hält Juncker morgen gegen 12:45 Uhr eine Rede auf dem EVP-Kongress zur weiteren Entwicklung der Europäischen Union mit 27 Mitgliedstaaten in den kommenden drei Jahren. Die Rede wird ebenfalls live auf EbS übertragen.

Weitere Informationen:

VIDEO: Presseerklärung von Donald Tusk

Erklärung des Europäischen Rates

Website der Taskforce für die Austrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich

Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union – Fragen und Antworten

 

Schmutzige Scheidung

Zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union (EU) hat heute mit Großbritannien ein Mitgliedstaat sein Austrittsgesuch aus der Gemeinschaft eingereicht. Dazu erklärte der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch:

„Was wir von heute an erleben werden, ist die größte Pokerrunde, die es in den letzten Jahren gegeben hat. 27 uneinige Zocker werden nun mit Großbritannien hinter verschlossenen Türen um Milliarden feilschen. Die Bürger oder eine Demokratisierung und soziale Ausrichtung der EU werden dabei – wie so oft – keine Rolle spielen. Am Ende sind die Gewinner dieses Pokerspiels um die Aufteilung von Pfründen die, die eh schon viel haben: die Supereichen und Milliardäre dies- und jenseits des Kanals. An die Ursachen des zunehmenden Auseinanderdriftens der EU wagt sich niemand heran. Dabei ist ein Neustart gerade jetzt dringend notwendig.

Diese Scheidung ist mit schmutzigen Argumenten arrangiert worden und wird weiterhin schmutzig werden. Die Übergriffe auf Migranten in Großbritannien haben seit dem Brexit-Votum zugenommen. Wirtschaftlich und auch gesellschaftlich wird der Brexit unabsehbare negative Folgen auch für die Menschen in Deutschland haben. Das ist auch Ergebnis der Politik von Kanzlerin Merkel.

Europa ist heute von Demokratie, Bürgernähe und Wohlstand, von sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit, von einem gemeinsamen Ziel weiter entfernt als vor der Kanzlerschaft Angela Merkels. Das wird sich auch in den Austrittsverhandlungen kaum ändern. Dabei sollte gerade jetzt intensiv über die Zukunft der EU gesprochen werden. Das vermeiden die Staats- und Regierungschefs jedoch tunlichst.

Das Brexit-Votum und der schmutzige Wahlkampf haben tiefe Gräben hinterlassen. Ich teile die Hoffnung nicht, dass diese in den Verhandlungen überwunden werden können, weder in der EU noch auf der Insel. Das zeigen die Bestrebungen von Schottland und Nordirland, sich ihrerseits von London loszusagen, um europäische Bindungen nicht zu verlieren. Der Brexit-Wahlkampf war einer voller Schmutz, Lügen und Ressentiments, der vor allem den Rechtspopulisten genutzt hat.

Ich erinnere daran, dass der Brexit bereits ein furchtbares Opfer zu beklagen hat, die ermordete Abgeordnete Jo Cox.“

Bei Brexit-Verhandlungen an die gemeinsame Zukunft denken

Nationale Parlamente frühzeitig einbinden

Großbritannien hat am heutigen Mittwoch formal seine Absicht mitgeteilt, aus der Europäischen Union auszutreten. Dazu erklären der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagesfraktion, Hans-Peter Friedrich, und der europapolitische Sprecher Michael Stübgen:

Hans-Peter Friedrich: „Der EU-Austritt der Briten beschert uns schwierige Verhandlungen auf vielen Politikfeldern. Dabei müssen sich beide Verhandlungspartner bewusst bleiben, dass sie auch nach dem britischen EU-Austritt gemeinsame Interessen haben werden. Wir können auch künftig vielen Herausforderungen nur zusammen begegnen. Das gilt für die drängenden Fragen der inneren und äußeren Sicherheit, aber auch für die weitere Gestaltung unserer bislang sehr erfolgreichen wirtschaftlichen Beziehungen.

Wir erwarten transparente Verhandlungen, bei denen nicht nur das Europäische Parlament seinen, sondern auch die nationalen Parlamente ihren Beitrag leisten, der ihnen als Vertreter der Bürger Europas zukommt.“

Michael Stübgen: „Der Brexit ist ein dramatischer Vorgang, mit dem wir umgehen müssen. Das Referendum ging verloren, weil die EU in Großbritannien jahrelang schlecht geredet wurde. Jetzt müssen der Rückzug der Briten geordnet und das künftige Verhältnis beider Seiten austariert werden. Europa kann aber auch begeistern, wenn es sich auf seine Stärken und Werte besinnt. Sichtbare Zeichen hierfür sind die Kundgebungen der in Deutschland gestarteten Bürgerinitiative ‚Pulse of Europe‘.

Die EU hat einen Prozess zur Gestaltung der Zukunft Europas gestartet, der bis zur Europawahl 2019 andauern soll. Dieser bietet die Gelegenheit zur Reflexion, warum es besser ist, in der EU zu bleiben, als außen vor zu stehen. Damit wird der Zusammenhalt der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten gestärkt. Zugleich arbeiten wir daran, dass der Brexit ein historisch einzigartiger Vorgang bleibt.“

 

Errungenschaften der EU dürfen nicht aufs Spiel gesetzt werden

Zur offiziellen Einreichung der Austrittserklärung Großbritanniens aus der EU erklären Frithjof Schmidt, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Manuel Sarrazin, Sprecher für Europapolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Die EU braucht jetzt eine klare Verhandlungsposition gegenüber Großbritannien. Die vier Grundfreiheiten der EU sind nicht teilbar. Ein Rosinenpicken darf es für Großbritannien nicht geben, das würde den Zusammenhalt der restlichen EU-27 massiv gefährden. Deutschland ist in einer Schlüsselrolle, die Bundesregierung muss die Geschlossenheit der Europäischen Union, die Integrität des Binnenmarkts und die Einheitlichkeit des Europarechts in den Verhandlungen wahren. Wer jetzt Extrawürste für das Vereinigte Königreich verteilt, setzt viele Errungenschaften der Europäischen Einigung aufs Spiel.

Schon der Eiertanz um den Termin der Austrittserklärung zeigt, dass die Regierung May keine schlüssige Strategie für die Austrittsverhandlungen mit der Europäischen Union hat. Das macht die Situation allerdings nicht einfacher, sondern schwieriger für die EU, weil die Briten in den Verhandlungen zu einem gewissen Grad unberechenbar bleiben.

Wir brauchen das klare Bekenntnis der Bundesregierung zu einem starken und geschlossenen Europa der EU-27. Es ist dabei absolut kontraproduktiv, dass der deutsche Finanzminister gerade jetzt in Interviews Gedankenspiele betreibt, die weit über die Erklärungen der Staats- und Regierungschefs zu verschiedenen Geschwindigkeiten hinausgehen. Schäubles Vorstellungen von Kerneuropa laufen auf eine Spaltung der EU-27 hinaus und befeuern das Misstrauen in wichtigen Teilen Europas in die Bundesregierung. Das ist sehr schädlich.“

Brexit-Verhandlungen: Einheit von Europa bewahren

Heute hat die britische Premierministerin Theresa May die Europäische Union über den Austritt Großbritanniens unterrichtet. Nun beginnen die zweijährigen Verhandlungen mit der EU-Kommission.

Dazu erklärten Axel Schäfer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Norbert Spinrath, europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion:

„Wir bedauern den Ausgang des Referendums und den geplanten EU-Austritt Großbritanniens. Die Abstimmung hat auf beängstigende Weise gezeigt, dass Nationalisten und Rechtspopulisten mit ihren Lügen gegen Europa auch Erfolg haben konnten.

Bei den anstehenden Verhandlungen geht es primär um den Austrittsvertrag, nicht um die künftigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich. Für uns ist das oberste Ziel, den Zusammenhalt der Europäischen Union auch nach dem Brexit zu wahren. Dahinter müssen Sonderinteressen einzelner Mitgliedstaaten zurücktreten. Einen Dominoeffekt bei anderen Ländern gilt es zu verhindern. Besonders besorgen uns der künftige Status von EU-Bürgerinnen und Bürgern, die im Vereinigten Königreich leben und arbeiten, sowie die Lage der britischen Staatsangehörigen in der EU. Übergangslösungen für die künftigen Beziehungen sollten zeitlich eng begrenzt sein und nicht dem endgültigen Abkommen widersprechen. Zudem darf diese Übergangszeit durch das Vereinigte Königreich nicht für einen unfairen Wettbewerb etwa um Unternehmensinvestitionen genutzt werden.

Der Nationalismus, der das Trennende vor das Gemeinsame stellt, will in letzter Konsequenz die Zerstörung der EU. Der Brexit gilt hier als eine Warnung. Seit Wochen demonstrieren viele Menschen in Europa jeden Sonntag mutig und engagiert für den Zusammenhalt der EU. Denselben Mut zu Europa müssen jetzt auch die Vertreter der Mitgliedstaaten aufbringen. Für uns bleibt die EU eine historische Erfolgsgeschichte mit Vorbildcharakter für das friedliche Zusammenleben von Menschen durch den freiwilligen Zusammenschluss von Staaten.“

 

Faire Brexit-Verhandlungen statt Bestrafung

„Der Brexit wird Realität. Nun kommt es darauf an, zu einer Lösung zu gelangen, die alle Seiten akzeptieren können. Bestrafungsmentalität darf in den Brexit-Verhandlungen keinen Platz haben“, kommentierte der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko.

Hunko weiter:

„Nachdem sich die EU-Eliten und die Regierungen der Mitgliedstaaten hartnäckig geweigert haben, nach den Ursachen für die Entscheidung der Britinnen und Briten gegen die EU zu suchen, herrscht bei manchen nun der Wunsch vor, Großbritannien mit einem ,harten Brexit‘ zu bestrafen. Dies ist absolut kontraproduktiv und wird die Krise der EU nicht lösen. Im Gegenteil: Es wird die wirtschaftlichen und sozialen Kosten des Brexit auf beiden Seiten unnötig in die Höhe treiben und die Skepsis gegenüber der EU weiter erhöhen.

Ob in der EU oder nicht, Großbritannien bleibt Teil Europas. Entscheidend sind solidarische und kooperative Beziehungen. Im Mittelpunkt müssen immer die Interessen der Menschen stehen, nicht machtpolitische Muskelspiele.“

 

„Pulse of Europe“ – Offener Brief linker Europapolitiker

Mit einem offenen Brief haben sich vier Europapolitiker der Linken an die Initiatorinnen und Initiatoren der Demonstrationen unter dem Motto „Pulse of Europe“ gewandt. Der Brief wurde von den drei Bundestagsabgeordneten, Andrej Hunko, Diether Dehm und Alexander Ulrich sowie von Fabio De Masi unterzeichnet, der Mitglied des Europäischen Parlaments ist.

Sie erklärten:

„Wir teilen die Sorge um den Aufstieg rechter und faschistischer Kräfte und begrüßen, dass viele Menschen gegen diesen aktiv werden“, schreiben die Abgeordneten in dem Brief. Auch sie kämpften „gegen den wachsenden Rassismus und chauvinistischen Nationalismus“ in Europa.

Zugleich richten die Verfasser die Frage an „Pulse of Europe“, ob unkritische Pro-EU-Kundgebungen die richtige Antwort auf die aktuelle Krise sein können. Sie fragen: „Müsste die EU nicht gerade verändert werden, damit sie überleben kann?“

Schließlich fragen die Europapolitiker nach der Positionierung in Bezug auf Militarisierungstendenzen in der EU und notwendige Reformen, um diese sozialer zu gestalten. Ziel sei „ein anderes, friedliches und soziales Europa“.

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