Linksfraktion im Bundestag: Hoffnungsvolles Urteil des BGH.

Bundesgerichtshof mahnt sorgfältige Prüfung von Parteivorbringen und Beweisergebnissen in Fällen (möglicherweise) vorgetäuschten Vermieterbedarfs an (§ 573 Abs. 1 BGB*)

Urteil vom 29. März 2017 – VIII ZR 44/16

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung erneut damit befasst, welche Anforderungen an die tatrichterliche Würdigung des Parteivortrags und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu stellen sind, wenn der Mieter Schadensersatz wegen vorgetäuschten (Eigen-)Bedarfs begehrt, weil der Vermieter den in seiner Kündigung geltend gemachten Bedarf nach dem Auszug des Mieters nicht verwirklicht.

Sachverhalt:

Der Kläger hatte im Jahr 2008 vom Rechtsvorgänger des Beklagten eine 4-Zimmer-Wohnung in Koblenz gemietet; die monatliche Miete betrug zuletzt 523,09 € brutto. Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis im Jahr 2010 mit der – vom Kläger durchgängig bestrittenen – Begründung, die Wohnung werde für einen neuen Hausmeister benötigt.

Nach einer Räumungsklage des Beklagten schlossen die Parteien im Vorprozess am 14. Juni 2011 einen Vergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, die Wohnung bis spätestens Ende 2011 zu räumen. Im Anschluss an den am 31. Oktober 2011 erfolgten Auszug des Klägers zog allerdings nicht der angekündigte neue Hausmeister, sondern eine – nicht mit Hausmeisterdiensten betraute – Familie in die Wohnung ein.

Im vorliegenden Prozess begehrt der Kläger wegen des seiner Auffassung nach nur vorgetäuschten Bedarfs unter anderem Ersatz der Umzugskosten sowie der Mehrkosten, die ihm durch die höhere Miete für die neue Wohnung entstehen.

Prozessverlauf:

Die auf Zahlung von insgesamt 25.833,43 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Dabei hat die zunächst mit der Sache befasste Berufungskammer des Landgerichts darauf abgestellt, dass die Parteien mit dem Räumungsvergleich einen endgültigen Schlussstrich unter das Mietverhältnis hätten ziehen wollen, weshalb es dem Kläger verwehrt sei, im Nachhinein Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs geltend zu machen. Mit Urteil vom 10. Juni 2015 (VIII ZR 99/14, veröffentlicht in NJW 2015, 2324) hat der Senat dieses (erste) Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Auch die neue Kammer hat die Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen. Das Gericht sei aufgrund der Darlegungen des Beklagten und insbesondere der lebensnahen und nachvollziehbaren Angaben des als Zeugen vernommenen neuen Hausmeisters überzeugt, dass der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung und noch bis nach dem Auszug des Klägers die Absicht gehabt habe, die Wohnung dem Hausmeister zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte habe plausibel vorgetragen, der neue Hausmeister habe ihn erst Anfang November 2011 darüber informiert, dass er wegen seiner Erkrankung (unter anderem Kniebeschwerden) nicht in die im dritten Obergeschoss liegende Wohnung einziehen werde.

Mit der vom Senat erneut zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil nur insoweit bestätigt, als darin hinsichtlich einer einzelnen, nicht ausreichend substantiierten Schadensposition zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil ein weiteres Mal aufgehoben und die Sache wiederum an eine andere (dritte) Kammer des Landgerichts zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen unter Beachtung seiner Rechtsauffassung getroffen werden. Dabei hat er die besondere Bedeutung hervorgehoben, die der vollständigen und sorgfältigen Würdigung des Prozessstoffes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch die Gerichte gerade in Fällen zukommt, in denen ein Vermieter seinen zur Grundlage der Kündigung gemachten Bedarf an der Wohnung nach dem Auszug des Mieters nicht realisiert.

Durch eine schuldhafte unberechtigte Kündigung – insbesondere im Falle des Vortäuschens eines in Wahrheit nicht bestehenden Selbstnutzungswillens – kann sich ein Vermieter schadensersatzpflichtig machen, wenn der Mieter daraufhin auszieht und infolgedessen Vermögenseinbußen erleidet. Dabei trifft den Vermieter nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2016 – VIII ZR 300/15, NZM 2017, 23 Rn. 15) in Fällen, in denen er  den zur Grundlage der Kündigung gemachten Bedarf nach dem Auszug des Mieters nicht realisiert, eine besondere („sekundäre“) Darlegungslast zum nachträglichen Wegfall des Bedarfs. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht um, liegt nämlich der Verdacht nahe, dass der Bedarf nur vorgeschoben gewesen ist. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und plausibel („stimmig“) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Bedarf nachträglich entfallen sein soll.

Diesen strengen Anforderungen ist der Beklagte hier nicht gerecht geworden. Bei einer tatsächlich bestehenden Bedarfslage wäre zu erwarten gewesen, dass er mit dem neuen Hausmeister jedenfalls nach Abschluss des Räumungsvergleichs im Juni 2011 alsbald einen Mietvertrag abschließen oder sich zumindest über den voraussichtlichen Mietbeginn und die genaue Miethöhe verständigen würde. Hierzu hat der Beklagte jedoch nichts vorgetragen, sondern ausgeführt, der Hausmeister habe sich erst in der ersten Novemberwoche „überlegt“ und ihm mitgeteilt, dass die im dritten Obergeschoss liegende Wohnung wegen seiner – seit längerem andauernden – Kniebeschwerden für ihn ungeeignet sei und er sie deshalb nunmehr doch nicht anmieten wolle. Diese Darstellung erscheint jedoch nicht plausibel und kaum nachvollziehbar. Kommt der Vermieter seiner besonderen Darlegungslast in derartigen Fällen nicht nach, ist die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung – hier das Vortäuschen eines nicht bestehenden Bedarfs an der Wohnung – als unstreitig zu behandeln.

Außerdem hat es das Berufungsgericht versäumt, sich mit unter Beweis gestellten Einwänden des Klägers gegen die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage auseinander zu setzen. Auch weiterem unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers, der den vom Beklagten geltend gemachten Bedarf gerade an der streitgegenständlichen Wohnung in Frage stellte, ist das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht nachgegangen.

* § 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. 2Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

[…]

Vorinstanzen:

Amtsgericht  Koblenz – Urteil vom 6. November 2013 – 161 C 1145/13

Landgericht Koblenz – Urteil vom 22. Februar 2016 – 2 S 76/15

 

Hoffnungsvolles Urteil des BGH – Jetzt Kündigungsschutz für Mieter verbessern

„Ein guter Tag für Mieterinnen und Mieter und ein schlechter für Vermieterinnen und Vermieter, die mit vorgetäuschtem Eigenbedarf mehr Profit aus ihren Wohnungen holen wollen. Dennoch ist der Gesetzgeber gefragt, den Kündigungsschutz für Mieterinnen und Mieter zu verbessern“, erklärte heute Caren Lay, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, anlässlich des heutigen Urteils des Bundesgerichtshofes zu vorgetäuschten Eigenbedarfskündigungen.

Lay weiter:

„Vorgeschobene Eigenbedarfsklagen sind ein beliebtes Instrument, um Altmieterinnen und Altmieter loszuwerden, die noch einen günstigen Mietvertrag haben. Seit die Mieten in den Städten binnen weniger Jahre um bis zu 50 Prozent gestiegen sind, haben viele Vermieterinnen und Vermieter Eurozeichen in den Augen. Ihnen ist jedes Mittel recht. Verwandte oder Dienstpersonal sollen angeblich in die Wohnung einziehen, aber plötzlich wohnt jemand ganz anderes darin oder die Wohnung wird gleich als Eigentum verkauft. Mieterinnen und Mieter hatten bisher das nachsehen, denn der Betrug musste durch sie oder ihn bewiesen werden. Das ist in der Praxis schwierig und die Wohnung ist in jedem Fall weg.

Der Bundesgerichtshof hat heute ein mieterfreundliches Urteil gefällt. Vermieterinnen und Vermieter müssen ganz klar erklären können, warum sie die Wohnung doch nicht selbst nutzen, sonst droht Schadensersatz.

Ich freue mich, dass der Bundesgerichtshof die Realität auf dem Wohnungsmarkt erkannt hat und dem nun einen Riegel vorschiebt. Zuvor gab es eine Reihe von anderen Gerichtsurteilen, die den Kündigungsschutz von Mieterinnen und Mietern aufgeweicht haben.

Von der Bundesregierung würde ich mir mehr Engagement wünschen. Der Bundesgesetzgeber, also der Bundestag, ist gefragt. Kündigungsmöglichkeiten für Vermieterinnen und Vermieter müssen gesetzlich eingeschränkt werden, damit solche Dinge gar nicht erst hochkommen. DIE LINKE fordert Eigenbedarfskündigungen auf engste Verwandte zu beschränken, Eigenbedarfskündigung darf es für eine Hausmeisterinnen- oder Hausmeisterstelle ohnehin nicht geben.

DIE LINKE hat Anfang März einen Antrag zur Verbesserung des Kündigungsschutzes von Mieterinnen und Mietern in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 18/11049), damit endlich alle Gesetzeslücken beim Eigenbedarf geschlossen werden und niemand wegen Profitgier die Wohnung verlassen muss.“

 

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