Macron-Besuch: Merkel müsse Signal für europäische Solidarität senden.

Anlässlich des Besuchs des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte heute Manuel Sarrazin, Sprecher für Europapolitik von Bündnis 90/Die Grünen:

„Der Besuch des neuen französischen Präsidenten ist ein starkes Zeichen für die deutsch-französische Verbundenheit. Eine enge und konstruktive Zusammenarbeit mit Frankreich ist für die europäische Zukunft von immenser Bedeutung. Der deutsch-französische Motor muss aber die gesamte EU im Blick haben und darf weder die kleineren noch osteuropäischen EU-Partner vor den Kopf stoßen. Hier muss Bundeskanzlerin Merkel ihren Finanzminister in die Schranken weisen. Denn Wolfgang Schäuble will den Rückenwind aus Frankreich nutzen, um sein Kerneuropa-Konzept durchzudrücken. Das finden wir falsch und europapolitisch brandgefährlich. Schäubles Konzept von einem Umbau des Euro-Rettungsschirms würde nicht nur die Spaltung der EU in einen Euro-Exklusivclub und den Rest bedeuten. Sein zwischenstaatliches Konstrukt würde auch die Kompetenzen von EU-Kommission und EU-Parlament massiv beschneiden. Beide Institutionen sind aber für einen gesamteuropäischen Interessensausgleich und eine notwendige demokratische Kontrolle immens wichtig.

Es ist richtig, dass Emmanuel Macron deutlich mehr europäische Investitionen fordert. Die EU braucht dringend eine Investitionsoffensive, um die europäische Wirtschaft sozial-ökologisch zu modernisieren und die teilweise hohe Arbeitslosigkeit in der EU abzubauen. Die Bundesregierung muss endlich runter von der Investitionsbremse und ihrer Verantwortung für die wirtschaftliche Erholung Europas gerecht werden. Dafür braucht die EU aber kein Kerneuropa, sondern zeitnah konkrete Maßnahmen für die gesamte EU.

Wir fordern die Aufstockung des EU-Investitionsfonds, in den auch Deutschland endlich einzahlen muss. Wir fordern, im EU-Haushalt einen Zukunftsfonds einzurichten, der mittels öffentlicher Investitionen die öko-soziale Modernisierung der europäischen Wirtschaft vorantreibt. Am Zukunftsfonds sollen sich alle EU-Staaten beteiligen dürfen, die im Gegenzug stärkere Maßnahmen gegen ungerechte Steuerpraktiken und Steuerhinterziehung ergreifen. Außerdem muss sich die Bundesregierung bereit erklären, mehr in den EU-Haushalt einzuzahlen. Kein anderes Land profitiert vom Binnenmarkt so sehr wie Deutschland. Es wird Zeit, davon etwas zurückzugeben. Außerdem wollen wir die demokratische Kontrolle der Euro-Politik durch das EU-Parlament stärken. Dafür sollte ein Euro-Ausschuss eingerichtet werden, der starke Informationsrechte erhält und EU-Kommission und Eurogruppe stärker als bisher kontrolliert. Um die Rückbindung der Euro-Gruppe zum EU-Parlament zu stärken, schlagen wir vor, den EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung als nächsten Präsidenten der Eurogruppe zu wählen.“

 

Bundesregierung müsse Chance ergreifen: Gemeinsam mit Frankreich Europa stärken.

Auch Cem Özdemir, Spitzenkandidat und Bundesvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, erklärte anlässlich des Antrittsbesuches des neu gewählten Präsidenten Frankreichs Emmanuel Macron in Deutschland:

„Mit Emmanuel Macron wurde gestern ein ausgewiesener Pro-Europäer ins Amt des französischen Präsidenten eingeführt. Nach Alexander van der Bellen in Österreich und Jesse Klaver in den Niederlanden hat auch Macron gezeigt, dass man nicht trotz, sondern gerade mit einem entschlossenen pro-europäischen Wahlkampf erfolgreich sein kann.

Der scharfe Ton im französischen Wahlkampf hat uns aber auch gezeigt: Es steht viel auf dem Spiel für Frankreich und für Europa. Wenn Frankreich in den nächsten Jahren vor allem wirtschaftlich nicht auf die Beine kommt, stürzt die Europäische Union in eine existenzielle Krise. Macron muss nun zeigen, dass er seine pro-europäischen Bekenntnisse in erfolgreiche Politik für Frankreich und Europa umsetzen, notwendige Veränderungen tatsächlich bewirken kann – und dafür braucht er unsere Unterstützung.

Doch noch ehe Emmanuel Macron mit konkreten Ideen und Forderungen auf Deutschland zugekommen ist, bellen und beißen Vertreter von Union und FDP bereits und diffamieren vorab Ideen und Vorstellungen des neuen Präsidenten. Finanzminister Wolfgang Schäuble setzt lieber gleich auf Abwehr, statt ernsthaft über eine Kurskorrektur zu diskutieren. Aber wer diese historisch einmalige Chance verpasst, gemeinsam mit Frankreich Europa zu stärken und voranzubringen, verspielt die Zukunftsfähigkeit des gesamten Kontinents. Es liegt jetzt an der Großen Koalition, sich dieser Verantwortung bewusst zu werden. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, schnell zu handeln und nicht erst die Bundestagswahlen abzuwarten und damit wertvolle Zeit verstreichen zu lassen. Wenn Kanzlerin Merkel heute Macron in Berlin empfängt, sollte sie die Weichen dafür stellen.

Bei aller Euphorie über Emmanuel Macron hat er bislang aber leider wenig Interesse an einer ökologischen Transformation der Wirtschaft gezeigt. Allerdings ist Präsident Macron offen für zukunftsfähige Innovationen, die die Wirtschaft voranbringen. Genau hier könnte eine gemeinsame deutsch-französische Initiative ansetzen: Mit einem gut ausgestatteten Zukunftsfonds im EU-Haushalt könnte die soziale und ökologische Modernisierung in Europa vorangebracht werden. Mit einem Green New Deal würden wir gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: wir kurbeln die Wirtschaft an, schaffen zukunftsfähige Jobs und machen die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz endlich auch zum Jahrhundertprojekt Europas. Eine sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft bringt die europäische Konjunktur in Schwung, bekämpft die massive Jugendarbeitslosigkeit im Süden Europas und schafft Perspektiven – und Europas Umwelt wird lebenswert auch für künftige Generationen erhalten.“

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