§ 175 (StGB): Ausstellungseröffnung und Podiumsdiskussion im Brandenburgischen Landtag in Potsdam.

»Für die Homosexuellen ist das Dritte Reich noch nicht zu Ende«
Hans-Joachim Schoeps (Religionshistoriker), im Jahr 1964.

„Razzien in einschlägigen Bars, Denunziation durch Nachbarn_innen und Kollegen_innen sowie die ständige Angst vor dem ›Entdeckt werden‹ gehörten für schwule Männer 123 Jahre lang während der Geltungszeit des § 175 Strafgesetzbuch (StGB) zum Alltag. Ein offenes schwules Leben war nicht möglich. Denunziation reichte vielfach für den Verlust der bürgerlichen Existenz aus. Sie waren und sind gebrandmarkt. Betroffenen ein Gesicht geben, ihnen die Würde zurückgeben, die individuellen Schicksale hervorheben“, war Motivation für die Ausstellung, die ab heute im brandenburgischen Landtag in Potsdam zu besichtigen ist.

Zur Ausstellungseröffnung und einer anschließenden Podiumsdiskussion hat die Linksfraktion im Landtag eingeladen. Diskutiert wurde über die Bedeutung der Rehabilitierung für die Betroffenen und den Stand der Umsetzung des Rehabilitierungsgesetzes.

Es diskutierten:

Volkmar Schöneburg, MdL
Linksfraktion Brandenburg

Dirk Behrendt,
Justiz- und Antidiskriminierungsenator Berlin
Bündnis 90/Die Grünen

Georg Härpfer
Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren e. V. (BISS)

Tobias Kersten-Bittner
Bundesfamilienministerium, Referat „Gleichgeschlechtliche
Lebensweisen, Geschlechtsidentität“

Jörg Litwinschuh, Geschäftsführender Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld

Moderation: Sven Rosig

Der Kurator Hans Kremer (Jurastudent der Humboldt-Universität) führte durch die Ausstellung, erläuterte Hintergründe und schilderte die 123-jährige Geschichte des § 175 StGB. Die Ausstellung ist bis zum 23. Juni zu besichtigen. In Kooperation mit Katte e.V. und dem Schwulen Museum. Das Ausstellungsprojekt wurde durch das Brandenburgische Justizministerium aus Lottomitteln gefördert.

Zur Begrüßung bei der Linksfraktion im Landtag gab’s zur Ausstellungseröffnung für jede(n) Besucher*in ein Kondom und eine Plakette.

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Bereits auf der letztjährigen Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat es „große Übereinstimmung“  bei dem Thema der Entschädigung von Homosexuellen gegeben, die nach dem zwischenzeitlich annullierten Paragraphen 175 des Strafgesetzbuches (StGB) verurteilt worden sind. In der Abschlusspressekonferenz brachte Bundesjustizminister Heiko Maas seine Freude darüber zum Ausdruck, dass dieses Thema „so sachlich“ in der Justizministerkonferenz diskutiert worden sei. Maas machte dabei überaus deutlich, dass die seinerzeit verurteilten Menschen „weder etwas verbrochen, nichts gestohlen oder betrogen, auch niemandem ein Leid zugefügt haben, sondern nur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verurteilt worden sind“. Dies bezeichnete er als einen Verstoß gegen die Menschenwürde, weshalb diese Urteile aufzuheben und die Betreffenden finanziell zu entschädigen seien. Darüber habe große Übereinstimmung bestanden.

Der damalige Berliner Justizsenator Thomas Heilmann betonte, dass diesen Menschen zudem ihre bürgerliche Existenz genommen wurde und sie jahrzehntelang sozial geächtet waren. Er fügte hinzu, dass auch er froh darüber sei, „dass wir hier eine Regelung hinbekommen haben“.

In einem Interview mit der TP Presseagentur Berlin betonte Heilmann im November letzten Jahres auch: „Da die Hauptgeschädigten in den 50er Jahren verurteilt wurden, von daher alle hohen Alters sind, kommt es darauf an, dass wir das in dieser Legislaturperiode im Deutschen Bundestag noch schaffen. Da bin ich sehr optimistisch, dass dies gelingt. Berlin hat dazu in zweijähriger Vorarbeit gute Arbeit geleistet, es gibt jetzt auch einen Referentenentwurf. Ich bin optimistisch, dass das Gesetz noch im Frühjahr 2017 verabschiedet wird.“

Schluss mit Omas gebackenem Kuchen.

Ob das tatsächlich so ist, erscheint derzeit noch etwas fraglich.

Justizsenator Heilmann ist zwischenzeitlich „Geschichte“, und sein Nachfolger im Amt ist Dirk Behrendt, der auf dem Podium anwesend war, auf dem über die Bedeutung der Rehabilitierung für die Betroffenen und den Stand der Umsetzung des Rehabilitierungsgesetzes diskutiert wurde.

Wie schnell jemand in die Rolle eines Homosexuellen geraten konnte, machte gleich zu Beginn Georg Härpfer deutlich. Im Jahre 1969 habe er 14 Tage bei einem Freund übernachtet  und wurde von einer Nachbarin denunziert. „Wer bei einem Mann übernachte, könne nur homosexuell sein“, habe es damals gehießen, und Härpfer sah sich gravierenden staatsanwaltlichen Ermittlungen nach § 175 StGB ausgesetzt. „Das sei zwar ausgegangen wie das Hornberger Schießen“, so Härpfer, zeigte aber die damalige Zeit auf, ebenso wie eine Szene aus dem Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ mit Burghart Klaussner und Ronald Zehrfeld.

Da der TP Presseagentur eine Zusammenfassung der Podiumsdiskussion aufgrund dienstlicher Reisen nach Holland und Sizilien und anderen Terminen aus organisatorischen Gründen derzeit nicht möglich ist, wird um Geduld gebeten.

Die TP Presseagentur ist daher der Linksfraktion im Brandenburgischen Landtag dankbar, dass diese zunächst das Video über die Diskussion zur Verfügung gestellt hat, das ohnehin umfassend informiert.

Ein zusammenfassender Bericht über die Veranstaltung folgt aber noch auf jeden Fall nach Rückkehr der Dienstreisen in der nächsten Woche.

Foto 1 (v.l.n.r.): Dr. Volkmar Schöneburg, Hans Kremer; Foto 2 Podium (v.l.n.r.): Jörg Litwinschuh, Dr. Dirk Behrendt, Tobias Kersten-Bittner, Sven Rosig, Dr. Volkmar Schöneburg und Georg Härpfer.

Fotoquelle und Collage: TP Presseagentur Berlin

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