Oktoberfestattentat 1980: Parlamentarisches Informationsinteresse konterkariert.

Die Bundesregierung hat Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat teilweise zu Unrecht verweigert.

Dem Einsatz verdeckter Quellen kommt bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste eine hohe Bedeutung zu. Deshalb darf die Bundesregierung Auskünfte zum Einsatz verdeckt handelnder Personen in der Regel mit Hinweis auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte dieser Personen verweigern, wenn bei Erteilung der begehrten Auskünfte ihre Enttarnung droht. In eng begrenzten Ausnahmefällen, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist, kann aber auch das parlamentarische Informationsinteresse überwiegen.

Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden und festgestellt, dass die Bundesregierung die Bundestagsfraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE sowie den Deutschen Bundestag teilweise in ihren Rechten verletzt hat, indem sie unter Berufung auf das Staatswohl und die Grundrechte verdeckt handelnder Personen die vollständige Beantwortung von Anfragen zu nachrichtendienstlichen Erkenntnissen zum Oktoberfestattentat verweigert hat.

http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-060.html

Bundesregierung muss Auskunft zu V-Leuten geben.

„Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss die demokratischen Rechte des Parlaments gestützt und klargemacht, dass die Geheimhaltung der Bundesregierung das Auskunftsrecht des Parlaments verletzen kann“, sagte heute Martina Renner, Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion im Bundestag, in Bezug auf die heute veröffentlichte Entscheidung aus Karlsruhe.

Renner weiter:

„Es liegt unter anderem an dieser Betriebskultur der Vertuschung und Verweigerung, dass mit dem Oktoberfestattentat 1980 der schwerwiegendste Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik noch immer nicht aufgeklärt ist. In ihrem Bemühen, dem Parlament immer mehr Auskünfte zu verweigern, macht sich die Regierungskoalition zur Erfüllungsgehilfin der Geheimdienste. Deren Interesse, ohne parlamentarische Kontrolle mit mehr als fragwürdigen Methoden operieren zu können, darf in einer Demokratie nicht schwerer wiegen als das Auskunftsinteresse des Parlaments.

Ich hoffe, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen Wendepunkt in der Haltung der Bundesregierung markiert. Wir werden weiterhin unbequeme Fragen stellen und erwarten zukünftig auch Antworten darauf. Die Opfer und ihre Angehörigen verdienen Aufklärung.“

Bundesregierung soll parlamentarische Fragen vollständig und wahrheitsgemäß beantworten.

Zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, die Bundesregierung habe Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat teilweise zu Unrecht verweigert, erklärt Hans-Christian Ströbele MdB, Bündnis90/Die Grünen:

„Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Erfolg für den Parlamentarismus. Die Bundesregierung muss diesen Beschluss rasch beherzigen, bei künftigen Fragen praktizieren und ihre bisher eingerissene, nun für rechtswidrig erklärte Heimlichtuerei ändern. Insbesondere erwarten wir, dass die Bundesregierung nun umgehend die bisher verschwiegenen Antworten zum Oktoberfestattentat erteilt, welche Hinweise auf einen dort geplanten Anschlag ihr und den Länderbehörden schon vorher vorlagen und was sie über den mutmaßlichen V-Mann Lembke weiß.

Zur Antwortpflicht der Bundesregierung über die Kooperation von Sicherheitsbehörden mit V-Leuten hätte ich mir vom Bundesverfassungsgericht allerdings striktere Vorgaben gewünscht, die eine wirksame parlamentarische Kontrolle dieses Bereichs ermöglichen. Die Bundesregierung muss aber in Zukunft sorgfältig begründen, warum sie Auskünfte verweigert und kann diese nicht auf ewig verwehren.“

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum parlamentarischen Interesse beim Einsatz sog. V-Leute.

https://www.heise.de/tp/features/Oktoberfestattentat-Bundesregierung-muss-Auskunft-ueber-V-Maenner-geben-3774367.html

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