LINKE fordert eigenständiges Gesetz für den Beschäftigtendatenschutz.

„Die Klarstellung der Richter, wonach Unternehmer ihre Mitarbeiter ohne konkret begründeten Anlass weder angekündigt noch heimlich mit Hilfe von Keyloggern überwachen dürfen, ist zu begrüßen. Besser wäre es jedoch gewesen, wenn sich die Bundesregierung in dieser Wahlperiode endlich um den Beschäftigtendatenschutz gekümmert hätte und die jetzige Gerichtsentscheidung gar nicht nötig gewesen wäre. Die nächste Bundesregierung muss sich endlich den Schutz der Daten der abhängig Beschäftigten auf die Fahne schreiben und ein eigenständiges Gesetz für den Beschäftigtendatenschutz vorlegen“, erklärte heute  Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, zum aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Verwertungsverbot von rechtswidrig eingesetzter Überwachungssoftware.

Korte weiter:

„Dass Unternehmer ihre Beschäftigten ohne hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat oder Pflichtverletzung überwachen, ist nur eines von vielen Problemen beim Beschäftigtendatenschutz. Seit fast 20 Jahren stellt der Innenausschuss des Bundestages in seinen Beschlussempfehlungen zum Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten regelmäßig fest, dass der Beschäftigtendatenschutz dringend gesetzlich geregelt werden müsse. Trotz zahlloser Datenschutzskandale, wohlklingender Debatten und hehrer Versprechungen hat sich im Kern jedoch nichts getan. Union und SPD schieben diese Aufgabe weiterhin auf die lange Bank. Ganz offensichtlich hat die Koalition der Schutz der Arbeitnehmerdaten nicht die Bohne interessiert. Und es steht zu befürchten, dass es bei einer Neuauflage einer schwarz-gelben Koalition nicht zu einer Regelung des Beschäftigtendatenschutzes, sondern zur Ausweitung der Beschäftigtenüberwachung kommen würde.“

Pressemitteilung Nr. 31/17

 

Überwachung mittels Keylogger – Verwertungsverbot

 

Der Einsatz eines Software-Keyloggers, mit dem alle Tastatureingaben an einem dienstlichen Computer für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers aufgezeichnet werden, ist nach § 32 Abs. 1 BDSG* unzulässig, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht.

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2011 als „Web-Entwickler“ beschäftigt. Im Zusammenhang mit der Freigabe eines Netzwerks teilte die Beklagte ihren Arbeitnehmern im April 2015 mit, dass der gesamte „Internet-Traffic“ und die Benutzung ihrer Systeme „mitgeloggt“ werde. Sie installierte auf dem Dienst-PC des Klägers eine Software, die sämtliche Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Bildschirmfotos (Screenshots) fertigte. Nach Auswertung der mit Hilfe dieses Keyloggers erstellten Dateien fand ein Gespräch mit dem Kläger statt. In diesem räumte er ein, seinen Dienst-PC während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Auf schriftliche Nachfrage gab er an, nur in geringem Umfang und in der Regel in seinen Pausen ein Computerspiel programmiert und E-Mail-Verkehr für die Firma seines Vaters abgewickelt zu haben. Die Beklagte, die nach dem vom Keylogger erfassten Datenmaterial davon ausgehen konnte, der Kläger habe in erheblichem Umfang Privattätigkeiten am Arbeitsplatz erledigt, kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.

Die Vorinstanzen haben der dagegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse über die Privattätigkeiten des Klägers dürfen im gerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden. Die Beklagte hat durch dessen Einsatz das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistete Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt. Die Informationsgewinnung war nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG zulässig. Die Beklagte hatte beim Einsatz der Software gegenüber dem Kläger keinen auf Tatsachen beruhenden Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung. Die von ihr „ins Blaue hinein“ veranlasste Maßnahme war daher unverhältnismäßig. Hinsichtlich der vom Kläger eingeräumten Privatnutzung hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, diese rechtfertige die Kündigungen mangels vorheriger Abmahnung nicht.

 

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil vom 17. Juni 2016 – 16 Sa 1711/15 –

*§ 32 Abs. 1 BDSG lautet:

(1) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

Anfang der Dokumentliste

https://www.datenschutz-notizen.de/mitarbeiterueberwachung-mittels-keylogger-4116260/

http://www.spiegel.de/karriere/bundesarbeitsgericht-daten-aus-spaehsoftware-sind-kein-kuendigungsgrund-a-1159968.html

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