Wann sind Richter in einem überlangen Verfahren ausgeschlossen?

In einem Entschädigungsrechtsstreit über die unangemessene Dauer eines gerichtlichen Verfahrens sind Richter bereits ausgeschlossen, wenn sie im als überlang gerügten Verfahren tatsächlich mit der Sache befasst waren

Richter sind in einem Entschädigungsrechtsstreit wegen überlanger Gerichtsverfahren ausgeschlossen, wenn ihre Mitwirkung in dem als überlang beanstandeten Verfahren zur Besorgnis einer (Mit-) Verursachung der überlangen Verfahrensdauer führen kann. Dies ist nicht nur bei einer Beteiligung am Erlass der angefochtenen Entscheidung der Fall. Vielmehr reicht regelmäßig jede tatsächliche Befassung mit der Sache und ein sach-liches Eingreifen gerade in dem zur gerichtlichen Entscheidung stehenden Ausgangsverfahren. Die bloße Senatsmitgliedschaft oder der Senatsvorsitz haben dagegen noch nicht den Ausschluss zur Folge, sofern sich die damit verbundenen Aufgaben des Vorsitzenden auf die allgemeine Verfahrensleitung und -verantwortung beschränken. Dies hat der 10. Senat am 7. September 2017 entschieden (Aktenzeichen B 10 ÜG 1/16 R).

Im zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin eine Entschädigung wegen der mehr als 11jährigen Dauer ihres vor dem Sozialgericht Schwerin und Landessozialgericht Mecklenburg Vorpommern geführten Verfahrens auf Opferentschädigung. Dieses hatte sie angestrengt, nachdem ihr Vater sie jahrelang sexuell missbraucht hatte. Das Opferentschädigungsverfahren begann im Februar 2002 vor dem Sozialgericht. Gegen dessen Urteil legte das beklagte Land im Juli 2008 Berufung beim Landessozialgericht ein. Die Eingangsverfügung beim zuständigen 3. Senat fertigte der damalige Vorsitzende W., der wenige Tage danach Vorsitzender des für den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren zuständigen 12. Senats wurde. Das Berufungsurteil des 3. Senats des Landessozialgerichts erging im Juni 2013 und wurde im November 2013 zugestellt. An dieser Entscheidung waren die Berufsrichter G. als Vorsitzender sowie A.M. und H. beteiligt.

Bereits im März 2013 hatte die Klägerin beim 12. Senat des Landessozialgerichts Klage erhoben auf Entschädigung für immaterielle Nachteile in Höhe von 19 200 Euro wegen der überlangen Dauer des Opferentschädigungsverfahrens. Der 12. Senat entschied in der Vertretungsbesetzung durch die Berufsrichter Sch. als Vorsitzendem sowie die Beisitzer A. und C. und verurteilte das beklagte Land wegen einer Überlänge des Verfahrens von 28 Monaten zu einer Entschädigung in Höhe von lediglich 2800 Euro statt der begehrten 19 200 Euro. Nach Auffassung des 12. Senats seien sämtliche zwischenzeitlich nach der Geschäftsverteilung planmäßig zuständigen Berufsrichter im Entschädigungsverfahren (W., G. und A.M.) wegen ihrer früheren Mitwirkung im Opferentschädigungsverfahren ausgeschlossen. Der Vorsitzende des 12. Senats W. habe in seiner Funktion als damaliger Vorsitzender des 3. Senats die Eingangsverfügung unterzeichnet, die Richter am Landessozialgericht G. und A.M. seien am Berufungsurteil beteiligt gewesen.

Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin und insbesondere die von ihr erhobene Rüge der fehlerhaften Besetzung der Richterbank zurückgewiesen. Der planmäßig berufene Vorsitzende des 12. Senats W. sei von der Mitwirkung im Entschädigungsrechtsstreit ausgeschlossen gewesen. Er habe im Opferentschädigungsverfahren als seinerzeitiger Vorsitzender des 3. Senats die Eingangsverfügung unterschrieben und Fristen gesetzt. Er sei mit der Sache im Ausgangsverfahren tatsächlich befasst gewesen. Der als Vertreter nachgerückte Richter A. sei hingegen nicht ausgeschlossen gewesen, weil allein die Übernahme des Vorsitzes im 3. Senat nach der Verkündung des Berufungsurteils im Juni 2013 noch nicht mit einem Eingreifen in das konkrete Opferentschädigungsverfahren verbunden gewesen sei.

 

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