88. Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister in Berlin – „Schlag ins Gesicht aller Justizopfer.“

Kritik von den Linken wegen der „mageren“ Erhöhung der Haftentschädigung für Justizopfer.

In der rheinland-pfälzischen Landesvertretung beim Bund und bei der Europäischen Union in Berlin hat heute die 88. Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder unter Vorsitz des rheinland-pfälzischen Justizministers Herbert Mertin stattgefunden. Die Ministerinnen und Minister haben dabei über verschiedenste aktuelle justizpolitische Fragen beraten.

Mertin zeigte sich erfreut, dass die von Rheinland-Pfalz eingebrachten Themenvorschläge eine Mehrheit bei seinen Kolleginnen und Kollegen fanden: „Die Justizministerinnen und Justizminister haben beschlossen, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten, die sich mit der Frage der effizienteren Ausgestaltung von umfangreichen Strafverfahren befassen wird. Wir wollen anstreben, dass solche Umfangsverfahren in der Praxis handhabbar bleiben und in kürzerer Zeit bewältigt werden können. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass Strafverfahren zügig abgeschlossen werden. Ansatzpunkte könnten beispielweise die Bündelung von Nebenklägerinteressen oder die Abschichtung von bestimmten streitigen Verfahrensfragen sein.“ Geprüft werden soll ferner, ob eine Möglichkeit geschaffen werden kann, Strafverfahren im Falle der Schwangerschaft einer Richterin für die Dauer der Mutterschutzzeiten auszusetzen.

In einem weiteren Beschluss, der auf eine rheinland-pfälzische Initiative zurückgeht, sprachen sich die Ministerinnen und Minister dafür aus, dass Postauslieferungen zur Gewährleistung rechtssicherer Justizverfahren weiterhin werktäglich erfolgen sollen, so lange dies in digitaler Form noch nicht möglich ist.

Bayerns Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback, der Koordinator der B-Länder, erklärte: „Die B-Länder haben erneut die Agenda der Justizministerkonferenz bei den drängendsten Themen unserer Zeit, Bekämpfung von Terrorismus und Cybercrime, klar bestimmt. So haben wir auf bayerische Initiative hin ein ganz deutliches Signal zur Modernisierung des Terrorismusstrafrechts gesetzt.“ Neben den Änderungen, die aufgrund europäischer Vorgaben notwendig sind, besteht aus Bausbacks Sicht an weiteren Stellen Nachbesserungsbedarf: „Bereits der Versuch der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung muss künftig unter Strafe stehen. Es kann nicht sein, dass unsere Strafverfolgungsbehörden nach geltendem Recht etwa Lieferungen von Ausrüstungsgegenständen für den IS, die nur durch Zufall an der Grenze zu Syrien gestoppt werden, – wenn überhaupt – allenfalls über juristische Hilfskonstruktionen verfolgen können. In diesen Fällen müssen unsere Ermittler künftig schon viel früher strafrechtlich reagieren können. Die Strafbarkeit darf nicht weiter davon abhängen, dass Ausrüstungsgegenstände den Adressaten tatsächlich erreichen. Das können wir uns nicht leisten.“

Bayern hat sich daneben erfolgreich dafür eingesetzt, dass künftig schwere Straftaten im Darknet besser verfolgt werden können. Bausback weiter: „Klar ist: Wir müssen unseren Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Instrumente an die Hand geben, damit sie in die verschlungenen und auf Tarnung angelegten Strukturen des Darknets eindringen und so die Täter noch besser zur Verantwortung ziehen können. Hierüber müssen wir weiter ganz intensiv miteinander diskutieren – dafür haben wir gesorgt.“

Auch Dr. Till Steffen, Hamburger Justizsenator und Koordinator der A-Länder, zeigte sich mit der Konferenz sehr zufrieden: „Die beschlossenen Initiativen verbessern die rechtliche Situation von Menschen in Notlagen und außergewöhnlichen Situationen.“

So hat sich die Konferenz auf Initiative von Berlin und Hamburg für eine Erhöhung der Pauschale zur Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ausgesprochen. Diese beläuft sich seit acht Jahren auf 25 Euro pro Hafttag. Die Justizministerinnen und Justizminister haben den Gesetzgeber aufgefordert, die Entschädigungspauschale deutlich zu erhöhen. „Niemand kann die Zeit zurückgeben, die jemand unschuldig in Haft verbracht hat. Was als Wiedergutmachung erwartet werden darf, ist eine angemessene finanzielle Kompensation. Bisher werden 25 Euro Haftentschädigung pro Tag gezahlt. Das halten wir für äußert unangemessen. Deshalb brauchen wir jetzt eine deutliche Erhöhung dieser Haftentschädigung“, so Steffen weiter.

Die Länder sehen rechtlichen Regelungsbedarf auch bei der Absicherung von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern. Insbesondere der Schutz auf Vertraulichkeit soll geprüft werden. Hamburgs Justizsenator Dr. Till Steffen dazu: „Der Schutz von Whistleblowern ist überfällig. Die Gesellschaft ist auf verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger angewiesen, um Verfehlungen in großen Organisationen auf die Schliche zu kommen. Mutige, die rechtswidrige Vorgänge aufdecken und dadurch dem öffentlichen Interesse dienen, müssen besser vor Strafverfolgung oder Kündigungen geschützt werden. Hierfür brauchen wir gesetzliche Regelungen, wie wir es bereits im Juni 2016 auf der Justizministerkonferenz beschlossen und nun erneut bekräftigt haben. Das ist eine wichtige Aufgabe, die auch die neue Regierungskoalition schnell angehen sollte. Mit einem gesetzlichen Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern wäre der Dieselskandal vermutlich anders verlaufen.“

Auch für eine Stärkung der Patientenrechte bei einer Infektion mit Krankenhauskeimen haben sich die Justizministerinnen und Justizminister ausgesprochen. Im Arzthaftungsrecht soll nicht mehr alleine die oder der Geschädigte nachweisen, dass sie oder er sich mit den Keimen im Krankenhaus infiziert hat. Stattdessen soll nun das Krankenhaus nachweisen, inwiefern es die Hygienestandards eingehalten hat und es zu der Infektion kommen konnte. Dr. Till Steffen hebt hervor: „In einem Krankenhaus erwarten die Menschen Hilfe und befinden sich in einem besonders verletzlichen Zustand. Wenn es hier durch das Nichtbeachten der Hygienevorschriften im Krankenhaus zu weiteren Erkrankungen kommt, müssen wir die Patienten schützen. Die Konferenz hat sich daher für eine Beweislastumkehr ausgesprochen. Zukünftig sollen Patienten nicht mehr um Anerkennung ihres Infektionsgrundes kämpfen, sondern zuerst das Krankenhaus erklären, inwiefern die Hygienestandards eingehalten wurden.“

Mertin zeigte sich abschließend mit den Ergebnissen der Konferenz insgesamt zufrieden: „Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen für die engagierten aber stets auch fachlich fundierten Diskussionen. Gerade vor dem Hintergrund der derzeit laufenden Gespräche zur Bildung einer neuen Bundesregierung werden die Ergebnisse der heutigen Konferenz wichtige Impulse für die rechtspolitischen Gesetzgebungsvorhaben der kommenden Legislaturperiode setzen.“

Informationen:

Unter jährlich wechselndem Vorsitz eines Bundeslandes finden jeweils im Frühjahr und im Herbst Konferenzen der Justizministerinnen und Justizminister statt. Diese sind ein wichtiges Forum für neue Ideen und Innovationen auf dem Gebiet der Rechtspolitik und dienen der Koordination und Abstimmung der justiz- und rechtspolitischen Vorhaben der Länder. Die in der Justizministerkonferenz gefassten Beschlüsse haben zwar keinen Rechtssetzungscharakter, von ihnen können aber maßgebliche Impulse für die rechtspolitische Entwicklung in Deutschland und Europa ausgehen.

Im kommenden Jahr wird der Freistaat Thüringen den Vorsitz der Justizministerkonferenz übernehmen. Die nächste Frühjahrskonferenz wird vom 6. bis zum 7. Juni 2018 in Eisenach stattfinden.

Justizopfer müssen angemessen entschädigt werden.

„Wer zu Unrecht ins Gefängnis musste, gehört zumindest angemessen entschädigt. Die Pläne der Justizministerkonferenz, die Entschädigung für zu Unrecht erlittene Haft von 25 Euro auf 35 Euro pro Tag zu erhöhen, ist ein Schlag ins Gesicht aller Justizopfer“, so Niema Movassat, Abgeordneter der Linksfraktion im Bundestag, zu den Plänen der heute stattfindenden Justizministerkonferenz.

Movassat weiter:

„Die Haftentschädigung pro Tag muss unverzüglich auf 100 Euro erhöht werden. Die Summe orientiert sich an der Entschädigung, die zum Beispiel in den Niederlanden gezahlt wird. Die heutigen 25 Euro wie auch die geplanten 35 Euro hingegen sind nur ein symbolischer Versuch der Wiedergutmachung gegenüber Justizopfern und aus rechtsstaatlicher Sicht viel zu niedrig.

Fraglos kann kein Geld der Welt den psychischen Schaden und die gesellschaftliche Ausgrenzung wiedergutmachen, die damit einhergeht, dass man zu Unrecht in Haft saß. Aber der Staat muss zumindest versuchen, eine Entschädigung zu zahlen, die den Opfern hilft, im gesellschaftlichen Leben wieder Fuß zu fassen. Dazu gehört auch – wie zum Beispiel der Deutsche Anwaltverein richtigerweise vorschlägt – ‚Helfer für Justizopfer‘ auszubilden, die Betroffenen bei der Suche nach Wohnung und Arbeitsstelle helfen.“

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