Das hat mich sehr berührt und auch sehr beeindruckt.

TP-Interview mit Martin Germer, Pfarrer in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Breitscheidplatz in Berlin.

TP: Herr Pfarrer Germer, ein Jahr ist nun vergangen seit dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016. Was geht in Ihnen persönlich heute am Jahrestag des Anschlags vor?

Germer: Wir blicken auf ein sehr herausforderndes Jahr zurück, wo wir aber gleichzeitig auch das Gefühl haben, dass wir an vielen Stellen helfen konnten, damit in der Gesellschaft in einer guten und weiterführenden Weise mit den schrecklichen Dingen umgegangen wird, die hier geschehen sind, dass das nicht zu einer Spaltung in der Gesellschaft führt, sondern die Bereitschaft zum friedlichen Zusammenleben eher stärkt und man merkt, dass wir hier eine gemeinsame Verantwortung haben.

Gleichzeitig haben wir auch so gut wir es konnten versucht, Betroffenen, Angehörigen, den Schaustellern, zu denen ich als Seelsorger einen besonderen Kontakt habe, beizustehen.

TP: Wie sieht diese Hilfe im Einzelnen aus – ist das rein seelsorgerisch zu verstehen?

Germer: Das ist seelsorgerisch zu verstehen. Für finanzielle Beihilfenunterstützung sind natürlich andere zuständig. Da ist inzwischen allerlei passiert. Wir haben ganz zu Anfang schon mit der AG City, dem Schaustellerverband und dem Deutschen Roten Kreuz zusammen einen eigenen Spendenaufruf gemacht, wo im Laufe der Zeit über 200.000 Euro eingegangen sind, mit dem eben auch unbürokratisch geholfen werden sollte, gerade auch an Stellen, wo vielleicht andere Hilfsformen noch nicht so gegriffen haben.

TP: Teilen Sie die Kritik, dass vonseiten der Bundesrepublik zu wenig getan wurde?

Germer: Es ist ja auch völlig unbestritten und das wird von den politisch Verantwortlichen gesagt, dass da am Anfang und auch sonst noch lange Zeit die Strukturen noch nicht so richtig dafür da waren, wie man sie bräuchte, um mit einem solchen großen Terroranschlag umzugehen. So viele Betroffene auf einmal, dafür haben die bisherigen Mechanismen nicht so richtig getaugt. Und da ist man jetzt dabei, das jetzt zu verbessern. Es ist natürlich bedauerlich, dass das nicht schon vorher geschehen ist, aber da hat man es einfach noch nicht wissen können.

TP: Auf den Treppenstufen zur Gedächtniskirche stehen nun sämtliche Namen der Opfer des Terroranschlags vom letzten Jahr. Angemessene Würdigung?

Germer: Ich finde, ja, dass an die Namen erinnert wird. Wer inne hält, wer sich die Zeit dafür nimmt, die Ruhe, der kann die Namen lesen, der kann dazu auch die Nationalitäten lesen, kann wahrnehmen, dass es eben nicht nur Menschen aus Deutschland waren, sondern auch aus fünf anderen Ländern, die hier bei diesem Anschlag ums Leben gekommen sind. Und kann dabei auch ein Gespür dafür kriegen, dass das auch ein Anschlag war, der eben nicht nur einer ganz bestimmten Gruppe galt, sondern der wirklich die Menschen insgesamt in diesem Land treffen und in Angst und Schrecken versetzen sollte. Ich bin froh, dass dieses Kalkül nicht aufgegangen ist.

TP: Wie lange hat es gedauert bis die Opfer Namen bekommen haben – zu lange?

Germer: Das war ja der Wunsch der Angehörigen selber, dass die Namen nicht bekannt wurden. Und in dem Moment wo sich alle dazu durchgerungen hatten, oder sich selbst gesagt hatten, es sei jetzt an der Zeit die Namen zu nennen, da sind sie dann auch bekannt geworden. Da haben wir dann auch entsprechend der Planung des Gedenkortes das so vorgesehen, dass die Namen veröffentlicht werden. Aber das hat sich erst im Sommer entschieden. Die Tatsache, dass die Namen bis dahin nicht öffentlich bekannt waren, ist wirklich dem Respekt vor dem Wunsch der Angehörigen geschuldet.

TP: Die Mutter des Opfers Christoph Herrlich hat sich schriftlich an die Mutter des Täters Anis Amri gewandt. Wie sehen Sie das?

Germer: Als sie mir vor einiger Zeit davon erzählte, hat es mich sehr berührt und auch sehr beeindruckt, dass sie als Mutter ein Gespür dafür hat, wie schrecklich das auch für eine Mutter sein muss, zu wissen, der eigene Sohn hat eine solche schreckliche Tat vollbracht und ist auf einen solchen Irrweg geraten in seinem Leben. Und da jetzt einfach zu sagen, ich möchte da jetzt nicht nur darüber nachdenken, sondern ich möchte in Kontakt kommen, das verdient doch allergrößten Respekt. Das hätten vielleicht viele andere so nicht fertiggebracht oder wären gar nicht erst auf den Gedanken gekommen.

Interview: TP Presseagentur, Dietmar Jochum

Foto (links): Pfarrer Martin Germer, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Breitscheidplatz in Berlin

Fotoquelle/Collage: TP Presseagentur Berlin

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