Wehrpflicht und allgemeines Dienstjahr?

Dr. Gero Neugebauer, FU Berlin, gegenüber TP Presseagentur Berlin zur CDU-Idee einer allgemeinen Dienstpflicht in der Bundeswehr.

Eine Mehrheit der Teilnehmer einer Meinungsumfrage fordert, dass die Wehrpflicht wieder eingeführt werden soll. Vielen Konservativen in und außerhalb der Union dürfte das gelegen kommen. Aber warum? Es existiert keine akute militärische Bedrohung, die NATO löst sich nicht auf und in der Bevölkerung ist die Bereitschaft, dem Einsatz von Militär zur Lösung von Konflikten im Ausland zuzustimmen, gering. Als „Schule der Nation“ ist die Bundeswehr nach allen Erfahrungen untauglich und an der Förderung „vaterländischen Gedankentums“ besteht kein allgemeiner gesellschaftlicher Bedarf, Völkisch-Nationale mögen das anders sehen. Diese Forderung und das zugleich von der Jungen Union – welche Jugend vertreten die? – und der Mittelstandsvereinigung der  CDU ins Spiel gebrachte „verpflichtende Gesellschaftsjahr“ hat die Generalsekretärin der CDU, Frau Kamp-Karrenbauer wohl mit veranlasst, über eine „allgemeine Dienstpflicht“ zu reden. Das „Dienstjahr“, der CDU-Vize Thomas Strobl sieht darin „ein Abenteuer, eine Schule des Lebens“ soll im Zusammenhang mit dem neuen CDU-Programm diskutiert werden;.

Die Vorschläge, sie stoßen auf Zustimmung wie auf Ablehnung, werden als Angebot zur Füllung des Sommerlochs (FDP-Chef Lindner) oder als überflüssig (Linke) bezeichnet. Die Rückkehr zur Wehrpflicht wird abgelehnt, denn dadurch wird die Bundeswehr nicht professionell. Gegen die Dienstpflicht wird verfassungsrechtlich mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung, der nicht erfüllt werden kann, argumentiert. Andere Argumente betonen die Missachtung der Interessen der jungen Generation an einer nicht durch eine einjährige Dienstpflicht unterbrochenen Ausbildung oder Arbeit. Wer in zivilen Organisationen (THW) und Institutionen (Pflegeheime) oder in der Bundeswehr freiwillig mitarbeiten oder Dienst leisten will, wird durch Zwang nicht positiv motiviert werden. Und ob eine allgemeine Dienstpflicht zum Zusammenhalt der Gesellschaft beitragen kann, darf schon deshalb bezweifelt werden, weil dadurch nicht wie durch eine Schuluniform die durch unterschiedliche Herkünfte bedingte soziale Differenzen oder ungleiche Bildungschancen, geschweige denn Stufen der gesellschaftlichen Integration, kaschiert oder gar aufgehoben werden. Dazu reicht es nicht, die Nationalhymne zu kennen und gemeinsam zu singen oder zum Appell anzutreten.

Wer kann also ein Interesse an einer solchen Idee haben? Die, die die Konservativen in der Union zufrieden stellen wollen? Die, die Lücken in der Personalausstattung sozialer und Gesundheitseinrichtungen schließen wollen, ohne auf Arbeitskräfte aus dem Ausland zu setzen, um damit zu verhindern, dass Deutschland ein Einwanderungsland wird? Oder die Zwang dort institutionalisieren wollen, wo bislang Freiwilligkeit herrscht? Oder die Kids aus der Mittel- und Oberschicht mit solchen aus der unteren Mittelschicht und Unterschicht konfrontieren wollen, um soziale Differenzen zu demonstrieren? Die Idee der Gemeinschaft wird dadurch nicht gefördert, die soziale Spaltung der Gesellschaft nicht gemindert und zur Menschwerdung hat Zwang nie beigetragen. Nichts aber spricht dagegen, die gegenwärtigen Angebote und Möglichkeiten attraktiver zu machen und den Gemeinsinn durch mehr Gleichheit und Gerechtigkeit in der Gesellschaft zu fördern.

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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