Wie Sicherheitsgemeinschaften zerfallen – bestes Buch zur Friedensforschung ausgezeichnet.

Simon Koschut, Politologe und Gastprofessor an der Freien Universität, erhält Ernst-Otto-Czempiel-Preis 2018.

Für seine Monografie zur Friedensforschung hat der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Simon Koschut den diesjährigen Ernst-Otto-Czempiel-Preis erhalten. Das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) zeichnete sie als „die beste postdoktorale Monografie der Friedensforschung“ aus. Simon Koschut befasst sich darin mit der sogenannten Desintegration, dem Zerfall von Sicherheitsgemeinschaften, die den zwischenstaatlichen Frieden bewahren sollen. Dabei beschreibt er Bedingungen und Mechanismen der Desintegration anhand der Fallbeispiele des Deutschen Bundes (1815-1866) und der NATO (North Atlantic Treaty Organization). Der anstehende Brexit wie auch die Außen-, Handels- und Bündnispolitik des US-Präsidenten Donald Trump zeigten die Bedeutsamkeit und Aktualität seiner Arbeit, erklärte die Jury zur Preisvergabe. Simon Koschult forscht und lehrt derzeit als Gastprofessor für internationale Beziehungen am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin.

Prof. Dr. Simon Koschut untersucht in der ausgezeichneten Studie das Auseinanderbrechen überstaatlicher Sicherheitsgemeinschaften am Beispiel des nordatlantischen Militärbündnisses NATO, das seit 1949 besteht. Der Deutsche Bund (1815-1866), ein unbeständiges Verteidigungsbündnis zwischen den souveränen Fürsten und freien Städten Deutschlands nach den napoleonischen Eroberungskriegen, dient als historische Vergleichsfolie. Simon Koschut legt grundlegende Zerfallsmechanismen offen, identifiziert damit zusammenhängende Bedingungen und erklärt beispielhaft Krisen wie auch Brüche von Verteidigungsgemeinschaften. Im Verfall gemeinsamer Normen erkennt er den Hauptgrund für Zerwürfnisse zwischen Bündnispartnern. Akteurinnen und Akteure mit Handlungsmacht innerhalb der verbündeten Staaten und Regierungen oder innerhalb sozialer Bewegungen würden den Wandel der Normen bestimmen und, so Koschuts These, eine Schlüsselrolle für die Stabilität der Sicherheitsorganisationen spielen.

Die Jurorin und Friedensforscherin Prof. Dr. Eva Senghaas-Knobloch begründete die Preisvergabe mit der großen „Sorgfalt und dem Materialreichtum der Qualifikationsarbeit“. Interstaatliche Normen bilden ein breites, großflächig erschlossenes Forschungsfeld, erklärte die dreiköpfige Jury, zu internationalen Sicherheitsgemeinschaften fehlten allerdings noch grundlegende Erkenntnisse. „Simon Koschut leistet deshalb mit seiner Studie einen wichtigen Beitrag. Seine Arbeit verbindet ein hohes Niveau theoretischer Reflexionen mit systematischen empirischen Fallanalysen“, erläuterte Dr. Jonas Wolff, Juror und Vorstandsmitglied des Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Der Juror Dr. Jörn Grävingholt vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik sagte: „Wer verstehen will, wie Normenwandel zur Stabilisierung oder Destabilisierung von Friedensordnungen beitragen kann, sollte dieses Buch lesen.“

Das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) verleiht den Preis im Rahmen ihrer Jahreskonferenz am 21. September 2018 in Frankfurt am Main. Die mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung der vom Bund und dem Land Hessen geförderten Stiftung wird alle zwei Jahre für die beste postdoktorale Buchveröffentlichung zur Friedensforschung vergeben. Benannt ist sie nach dem langjährigen Leiter der HFSK Prof. Dr. Ernst-Otto Czempiel (1927-2017).

Simon Koschut promovierte und habilitierte an der Universität Potsdam nach seinem Studium der Politikwissenschaft in Berlin, Potsdam, Chapel Hill (North Carolina, USA) und Bonn. Vor seiner Gastprofessur an der Freien Universität Berlin war er unter anderem Fritz-Thyssen-Stipendiat an der Harvard University, Akademischer Rat an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Juniorprofessor an der Freien Universität Berlin.

Studie

Koschut, Simon (2016). Normative Change and Security Community Desintegration. Undoing Peace. Basingstoke: Palgrave Macmillan. DOI 10.1007/978-3-319-30324-6.

Abrufbar unter: https://www.palgrave.com/de/book/9783319303239

 

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