Müller zum 80. Jahrestag der Novemberpogrome.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, erklärt zum 80. Jahrestag der Novemberpogrome am 9. November 2018:

„In unserer Stadt und in unserem Land ist kein Platz für Antisemitinnen und Antisemiten. Dennoch scheint Antisemitismus wieder salonfähig geworden zu sein, oft auch unter dem Vorwand angeblicher Israelkritik. Diesen Entwicklungen entschieden entgegenzutreten, ist unsere Pflicht und Schuldigkeit als Demokraten gerade mit Blick auf den 80. Jahrestag der nationalsozialistischen Novemberpogrome, die am 9. November 1938 auch und gerade in Berlin gewütet haben. Es ist bedrückend, wenn von jüdischer Seite immer häufiger geäußert wird, dass antisemitische Einstellungen wieder in aller Offenheit ausgedrückt werden und dass Antisemiten sich anders als früher mit vollem Namen und voller Anschrift öffentlich zu erkennen geben.“

Der Regierende Bürgermeister: „Hassrhetorik auch und vor allem in den Sozialen Medien und ebenso die neuerdings verniedlichend als Soft-Leugner bezeichneten rechtspopulistischen und rechten Geschichtsklitterer wirken auf einen atmosphärischen Wandel unserer Gesellschaft und des öffentlichen Diskurses hin, in dem Ausgrenzung, Herabsetzung, Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus weiter enttabuisiert werden. Es ist bestürzend, dass Rechtspopulisten inzwischen im Bundestag und in allen Landesparlamenten in Fraktionsstärke vertreten sind. Das sind Alarmzeichen, die allen demokratischen Kräften zu denken geben müssen. Deshalb sind Gedenktage so wichtig, nicht nur mit Blick auf die nachwachsenden Generationen, sondern auch für das tägliche politische Geschäft. Denn wir wissen aus der Geschichte, und dafür stehen die Novemberpogrome, was aus solchen Anfängen erwachsen kann.“

Müller: „Wir sind es uns selbst und unserer Zukunft, unserer Demokratie und unserem Rechtsstaat schuldig, dass wir diesen Anfängen wehren. Geschichte wiederholt sich nicht, aber wir haben allen Grund, aus ihr zu lernen. In unserem Land und besonders in seiner Hauptstadt sind die Gleichheit aller Menschen, ihre Menschenrechte und ihre Menschenwürde sowie Freiheit, Toleranz und Respekt vor dem Mitmenschen, der mit dem gleichen Recht anders ist als wir selbst, Maßstab und Richtschnur unseres Zusammenlebens. Deshalb ist bei uns nicht nur kein Platz für Antisemitismus, sondern ebenso wenig für antichristliche oder antimuslimische Vorurteile und Feindbilder oder für homophobe und frauenfeindliche Einstellungen. Dafür stehen unsere Zivilgesellschaft und unsere staatlichen Institutionen ein. Das ist unsere Lehre aus unserer Geschichte, in der die Novemberpogrome das menschenverachtende, drohende Vorzeichen des singulären Massenmords am europäischen Judentum sind.“

Müller nimmt am 8. und 9. November u.a. an der Gedenkveranstaltung im Abgeordnetenhaus und am Gedenkweg der Kirchen Berlins teil.

Wachhalten der Erinnerung – nicht nur zum 9. November.

Marianne Schieder, zuständige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion erklärt:

Kein Tag symbolisiert die wechselhafte Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert wie der 9. November. Wie im Brennglas bündeln sich die Ausrufung der ersten deutschen Republik 1918, die Reichspogromnacht 1938 und die friedliche Revolution 1989. Die Erinnerung daran halten wir wach.

„Freude und Leid liegen am 9. November nah beieinander. 1918 rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann die erste deutsche Republik aus. Nur 20 Jahre später brannten die Nationalsozialisten Synagogen nieder und verschleppten tausende Juden in Konzentrationslager. Dies zeigt, wie schnell Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte abgeschafft werden können.

Mit einem Programm ‚Jugend erinnert‘ wollen wir junge Menschen ermutigen, sich kritisch mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und für die Zukunft wachsam zu sein – auch im Austausch mit Jugendlichen anderer Länder. Das Auswärtige Amt wurde vom Bundestag in diesem Jahr bereits mit 4,5 Millionen Euro ausgestattet, um das Programm auf den Weg zu bringen. Ein weiterer Programmteil in der Verantwortung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien wird folgen.

Mit der friedlichen Revolution 1989 endete auch die zweite Diktatur auf deutschem Boden. Mit dem Freiheits- und Einheitsdenkmal soll in Berlin an den Mut der Bürgerinnen und Bürger erinnert werden, sich gegen ein menschenverachtendes System aufzulehnen. Es zeigt, wie hart erkämpft die Demokratie ist – und wie wichtig es ist, sie zu bewahren.“

 

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