Der 9. November – Tag des Mahnens und des Erinnerns.

Zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November erklärt die Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Simone Oldenburg:

„Das Novemberpogrom markiert den Beginn unvorstellbarer Verbrechen der Nationalsozialisten, die in Krieg und dem Holocaust gipfelten, in der Vernichtung der europäischen Juden. Von dem System aus Menschenhass, Ausbeutung, Erniedrigung, Repression und Mord haben sich die neuen Nazis bis heute nicht distanziert.

Der 9. November ist ein Tag des Erinnerns und des Mahnens. Er ist Mahnung daran, wohin rassistische und antisemitische Propaganda und Hetze führen – in Zerstörung, Verfolgung, Krieg und Vernichtung. Erschreckend, dass 80 Jahre nach dieser finsteren Nacht wieder offen rassistische Töne in allen Landtagen und dem Bundestag zu hören sind. Aber nicht nur in den Parlamenten – auch auf den Straßen häufen sich Angriffe auf Menschen, die nicht in das Bild von Nationalisten und Rassisten passen. Es braucht eine starke Zivilgesellschaft, die sich konsequent und laut gegen einen gesellschaftlichen Rechtsruck stellt.

Der 9. November im Jahre 1989 war dagegen ein Höhepunkt der friedlichen Revolution in der DDR. Es war der Tag, an dem die Bürgerinnen und Bürger der DDR die Öffnung der Staatsgrenze erzwungen haben – er war Folge der immer lauter werdenden Forderungen vieler Menschen nach Reformen, freien Wahlen und freier Meinungsäußerung, Reisefreiheit und Demokratie. Es waren die Bürgerinnen und Bürger der DDR, die sich gegen die reformunwillige und reformunfähige SED und Staatsführung wandten und grundlegende Veränderungen anstrebten. Auch diese Ereignisse müssen uns Mahnung für unser politisches Handeln sein.“

Kampf gegen Antisemitismus ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht erklärt der religionspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag Dr. Stefan Ruppert:

„Was vor 80 Jahren mit der Reichspogromnacht begann und während der zwölf Jahre der NS-Diktatur den jüdischen Mitbürgern angetan wurde, muss uns alle ermahnen, was Intoleranz und geschürter Hass anrichten können. Auch heute werden die schrecklichen Taten von damals immer wieder relativiert, sogar aus den Reihen des Deutschen Bundestages. Noch dazu leben wir in einer Zeit, in der sich der Hass wieder in die Mitte der Gesellschaft geschlichen hat. Das Problem der Judenfeindlichkeit ist leider nach wie vor hochaktuell: Es vergeht kaum ein Tag ohne antisemitische Übergriffe. Der Kampf gegen den Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir alle stehen in der Verantwortung.“

Frans Timmermans und Věra Jourová zur Erinnerung an die Reichspogromnacht vor 80 Jahren.

Der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, und Justizkommissarin Věra Jourová haben in einer gemeinsamen Erklärung an das Novemberpogrom 1938 in Deutschland erinnert und dazu aufgerufen, alles zu tun, damit sich kollektives Vergessen der Ereignisse nicht in unsere Gesellschaft einschleicht.

„Vor 80 Jahren wurden das Leben und die Geschichte der Juden in Europa in einer einzigen Nacht für immer verändert: Der vom Nazi-Regime entfachte Antisemitismus führte dazu, dass Juden ermordet, Synagogen in Brand gesetzt und jüdische Geschäfte und Wohnungen geplündert wurden. In der Reichspogromnacht wurden rund 30.000 Juden in Konzentrationslager deportiert. Dies markierte den Anfang des Holocaust und des Völkermords an sechs Millionen Juden. Wir sollten heute in uns gehen und uns diese Ereignisse in Erinnerung rufen, damit wir nicht vergessen, dass wir alles in unserer Macht dafür tun müssen, dass sie sich niemals wiederholen werden.

Zudem müssen wir wachsam sein, denn trotz der Schrecken der Vergangenheit zeigen die jüngsten Ereignisse, dass es in unserer Gesellschaft nach wie vor Antisemitismus gibt. So gibt es noch immer Menschen, die leugnen, dass sich Derartiges überhaupt ereignet hat. Nach wie vor sehen sich Juden in den Straßen zahlreicher EU-Länder Angriffen und Drohungen ausgesetzt. Noch immer finden Hassreden und Aufstachelungen zu Gewalt Verbreitung, nicht zuletzt online. Hass beginnt mit Worten und endet häufig in Gewalt. Diese Entwicklung hat sich erneut in den schockierenden Mordtaten in Toulouse, Brüssel, Paris und Kopenhagen sowie unlängst in Pittsburgh in den Vereinigten Staaten gezeigt.

Wir dürfen nicht zulassen, dass sich diesbezüglich ein kollektives Vergessen in unsere Gesellschaft einschleicht, und wir haben die Pflicht, den jüngeren Generationen davon zu erzählen und sie zu lehren, wie die inneren Dämonen Europas im Zaume gehalten werden können, damit dies niemand vergisst. Aus diesem Grund haben wir finanzielle Mittel für die Verbesserung des europäischen Geschichtsbewusstseins bereitgestellt, und deshalb trägt die Kommission dazu bei, den Menschen den Holocaust ins Bewusstsein zu rufen und sie darüber aufzuklären.

Zudem müssen wir das Phänomen Antisemitismus genauer verstehen lernen, um es besser bekämpfen zu können. Die Kommission wird daher die Mitgliedstaaten und die Zivilgesellschaft weiterhin dabei unterstützen, ihre Berichterstattung über den Antisemitismus zu verbessern. Es gibt inzwischen eine Koordinatorin der Kommission für die Bekämpfung des Antisemitismus, die den Kontakt zur jüdischen Gemeinschaft pflegen und die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, Behörden der Mitgliedstaaten und NRO stärken soll. Das im Rahmen des Programms „Horizont 2020“ durchgeführte Projekt „European Holocaust Research Infrastructure“ ist mit seinem Volumen von 8 Mio. Euro das größte von der EU finanzierte Forschungsprogramm, das die EU bisher zum Thema Holocaust aufgelegt hat. Es soll zur Stärkung des europäischen Forschungsnetzes zum Thema Holocaust beitragen.

Juden sollten sich nicht wieder die Frage stellen müssen, ob sie oder ihre Kinder in der Europäischen Union eine Zukunft haben, oder ob die Behörden für ihre Sicherheit garantieren können. In der Europäischen Union sollte niemand Angst haben müssen, wenn er in eine Synagoge geht oder eine Kippa trägt. Die Europäische Kommission geht seit jeher entschlossen gegen jede Form von Antisemitismus vor. Wir werden in unserem Kampf gegen Vorurteile und Stereotypen in Europa nicht nachgeben und stets das Recht des Einzelnen verteidigen, frei und ohne Angst gleichwelche Religion auszuüben.“

Hintergrund

Die Europäische Kommission überwacht die Umsetzung der einschlägigen EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Antisemitismus und hat Leitlinien für das Vorgehen der Mitgliedstaaten gegen antisemitische Hassreden und –verbrechen erstellt. Der Erste Vizepräsident Timmermans und die Kommissarin Jourová haben im Jahr 2015 eine Koordinatorin der Kommission für die Bekämpfung des Antisemitismus ernannt, die den Kontakt zur jüdischen Gemeinschaft pflegen und die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, Behörden der Mitgliedstaaten und NRO stärken soll.

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte hat in den Mitgliedstaaten erhobene Daten über antisemitische Vorfälle veröffentlicht. Diese zeigen, dass derartige Vorfälle nicht immer auf effiziente oder vergleichbare Weise erfasst werden. Eine Folge davon ist, dass über das Ausmaß, das Wesen und die Merkmale des gegenwärtig in der EU bestehenden Antisemitismus unzureichend berichtet wird. Am 10. Dezember 2018 wird die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte die Ergebnisse einer umfangreichen Umfrage vorstellen, die sich mit den Erfahrungen der jüdischen Gemeinschaft mit dem Antisemitismus in der EU und ihren diesbezüglichen Ansichten befasst hat.

Am 8. und am 9. November 2018 wird die Europäische Kommission ihre alljährliche Fortbildungsveranstaltung für Kommissionsbedienstete zum Thema Antisemitismus abhalten, um das Bewusstsein für den Kampf gegen den Antisemitismus zu schärfen.

Um generell gegen die Verbreitung von Hassreden in Europa vorzugehen, hat die Europäische Union im Mai 2016 in Zusammenarbeit mit Facebook, Twitter, YouTube und Microsoft einen EU-weiten Verhaltenskodex für die Bekämpfung von Hetze im Internet veröffentlicht.

Für Frieden und gesellschaftliche Vielfalt.
Am 9. November feiern wir den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung Deutschlands. Gleichzeitig markiert der 9. November dieses Jahr die Geburtsstunde der ersten deutschen Demokratie vor 100 Jahren. Ihr blieben nur wenige Jahre Zeit, sich in der Weimarer Republik zu entfalten. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten hielten Hass, Gewalt und Terror Einzug in Deutschland. Ihre Schreckensherrschaft setzte die Welt in Brand und brachte unermessliches Leid über die Menschheit. Auch daran erinnert der 9. November, der dieses Jahr ein besonderer Tag der Mahnung und des Erinnerns ist: Die grauenhaften Verbrechen, die die Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht begangen haben, jähren sich zum achtzigsten Mal.

Gemeinsam mit unseren Partnern in der Allianz für Weltoffenheit nimmt der DGB den 9. November 2018  zum Anlass, um daran zu erinnern, wie sehr sich der Einsatz für Demokratie lohnt und wie wertvoll das friedliche Zusammenleben in gesellschaftlicher Vielfalt ist. Den DGB erfüllt es mit großer Sorge, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppierungen das Thema Flucht und Migration nutzen, Feindseligkeit zu schüren und unsere freiheitlich-demokratische Ordnung in Frage zu stellen. Jeder Form von Hass, Rassismus, Antisemitismus, Beleidigung und Gewalt treten die Gewerkschaften mit aller Entschiedenheit entgegen.

„Bei den Gewerkschaften des DGBs sind rund sechs Millionen Menschen Mitglied, mit Angehörigen der unterschiedlichsten Religionen und Glaubensauffassungen sowie aus zahlreichen Ländern. Wir kämpfen tagtäglich für ein solidarisches Miteinander und gegen jede Form von Rassismus, ob im Betrieb, zuhause oder auf der Straße“, sagt der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann.

Die Würde des Menschen zu schützen, ist  Ziel des DGBs. Deshalb engagiert sich der Deutsche Gewerkschaftsbund in der Allianz für Weltoffenheit. Mit der gemeinsamen Mutmach- und Mitmachaktion „Deutschland #vereint“ unserer Allianz treten wir für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland und Europa ein. Machen Sie mit!

https://www.zdf.de/nachrichten/heute-sendungen/videos/merkel-rede-zum-gedenken-an-pogromnacht-100.html

Charlotte Knobloch über die Pogromnacht heute vor 80 Jahren

"An der Hand meines Vaters ging ich durch die Stadt […], die einmal meine Heimat war. Ich sah die qualmende Synagoge. […] Und ich fragte meinen Vater: Warum kommt nicht die Feuerwehr? Ich erhielt keine Antwort." Charlotte Knobloch erzählt, wie sie die Pogromnacht heute vor 80 Jahren erlebte.

Publiée par ZDF Morgenmagazin sur Jeudi 8 novembre 2018

 

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