Auswahl von Pflichtverteidigerinnen und Pflichtverteidiger sollte nicht im Belieben der Gerichte stehen.

DAV appelliert: Auswahl von Pflichtverteidigern nur durch die Anwaltschaft!

Zur Umsetzung der Richtlinie 2016/1919/EU (EU-Richtlinie) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09. März 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls schlägt der Referentenentwurf (Referentenentwurf) des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 11. Oktober 2018 zahlreiche Änderungen im Bereich der Pflichtverteidigung für Beschuldigte in Strafverfahren sowie der Beistandschaft im Bereich der strafrechtlichen Rechtshilfe vor.

Zu dem Referentenentwurf gab heute der Präsident des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Rechtsanwalt und Notar Ulrich Schellenberg, folgendes Statement ab:

„Der DAV begrüßt den Referentenentwurf zur Reform der notwendigen Verteidigung. Bei der geplanten Umsetzung der zugrundeliegenden EU-Richtlinie besteht jedoch vereinzelt Nachbesserungsbedarf.

Die Auswahl der Pflichtverteidigerinnen und Pflichtverteidiger sollte nicht im Belieben der Gerichte stehen, sondern in der Sphäre der Anwaltschaft getroffen werden, sofern Beschuldigte nicht selbst jemanden benennen. Es muss im Interesse aller Beteiligten eines rechtsstaatlichen Verfahrens liegen, dass gar nicht erst der Verdacht aufkommen kann, Gerichte könnten hier besonders „pflegeleichte“ Kollegen und Kolleginnen bevorzugen.

Der DAV setzt sich für ein rollierendes Listensystem ein: Das Gericht folgt bei der Entscheidung zur Beiordnung einer Liste geeigneter Anwältinnen und Anwälte, die von der jeweiligen Rechtsanwaltskammer nach objektiven Gesichtspunkten erstellt wird. Diese Lösung würde dem Grundrecht auf ein faires Verfahren am besten gerecht. Die Kriterien für die Aufnahme in eine solche Liste müssen transparent, objektivierbar und bundesweit einheitlich sein. Als Teil der Qualitätssicherung der Verteidigung können sie allein von der Anwaltschaft selbst definiert werden.“

Bitte beachten Sie hierzu auch die DAV-Stellungnahme: dav-sn_58-2018_neuregelung-der-pflichtverteidigung

Zum Verfahrensstand teilte das Bundesjustizministerium (BMJV) der TP Presseagentur Berlin mit, dass die Ressorts, Länder und Verbände vom BMJV beteiligt wurden. Derzeit würden die eingegangenen Stellungnahmen ausgewertet. Das BMJV strebe eine zeitnahe Kabinettbefassung an.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Johannes Fechner, gab das folgende Statement gegenüber der TP Presseagentur Berlin dazu ab:

„Die SPD-Fraktion wird sich im nächsten Jahr innerhalb der parlamentarischen Beratungen intensiv mit dem Regierungsvorschlag zur Richtlinien-Umsetzung der notwendigen Verteidigung beschäftigen. Vorab nur so viel:  Der Entwurf hält an der bisherigen Regelung fest, in den Fällen notwendiger Verteidigung dem Richter die Auswahl des Pflichtverteidigers zu überlassen. Einigen Veröffentlichungen zu diesem Thema ist der Vorwurf zu entnehmen, dass angeblich eine nicht unerhebliche Anzahl von Strafrichtern bevorzugt solche Anwälte zu Pflichtverteidigern berufen würde, die sich in vergangenen Strafprozessen zahm erwiesen haben sollen. Nach Ansicht der Verfasser vernachlässigen diese Strafverteidiger die Interessen ihrer Mandanten, um wieder Pflichtverteidigungsmandate zu erhalten. Ob dieser Vorwurf in nennenswertem Umfang zutrifft werden wir im Gesetzgebungsverfahren ebenso prüfen wie das vom Deutschen Anwaltsverein vorgeschlagene rollierende Listensystem.“

Foto: Ulrich Schellenberg

Fotoquelle und Collage: TP Presseagentur Berlin

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