Rasanter Anstieg der Dieselverfahren bei den hessischen Landgerichten. Zunahme um 650% binnen eines Jahres – „Große Herausforderung für die Justiz“.

„Die Eingänge sogenannter Dieselverfahren sind bei den neun hessischen Landgerichten innerhalb eines Jahres rasant angestiegen. Während 2017 610 Eingänge zu verzeichnen waren, gingen 2018 4.655 Dieselverfahren ein, die meisten davon in den letzten Monaten des Jahres. Das ist ein Anstieg um ungefähr 650%. Auch 2019 ist der Trend bisher ungebrochen“, gab der Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, Roman Poseck, heute nach einer Besprechung mit den Präsidentinnen und Präsidenten der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Frankfurt am Main bekannt.

Bei den Verfahren handele es sich ausschließlich um Zivilverfahren. In den meisten Fällen begehrten die Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages über ein Fahrzeug im Hinblick darauf, dass dieses andere als die zugesagten Abgaswerte habe. Alle neun Landgerichte seien in etwa in gleicher Weise von dem Verfahrensanstieg betroffen.

„Auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verzeichnet bereits einen massiven Anstieg an Berufungen in Dieselverfahren. Diese Verfahren haben sich binnen Jahresfrist mehr als verzehnfacht, von 40 Verfahren im Jahr 2017 auf 500 Verfahrenseingänge 2018. Bis Mitte Februar 2019 sind bereits 185 weitere Verfahren hinzugekommen. Hochgerechnet auf das laufende Jahr wären das fast 1.500 Eingänge in 2019“, sagte Roman Poseck.

Die Bearbeitung der Verfahren sei aufwändig. Jeder Einzelfall müsse individuell in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht geprüft und gewürdigt werden. Dabei gebe es deutliche Unterschiede. Die Fälle seien nicht stereotyp. So gehe es in den Prozessen um viele verschiedene Automodelle und unterschiedliche Anspruchsgrundlagen.

Während bei den Landgerichten in den bereits abgeschlossenen Fällen  in der Regel Entscheidungen durch Urteil zu treffen gewesen seien, hätten sich die Parteien in den beim Oberlandesgericht anhängigen Verfahren meistens vor der mündlichen Verhandlung geeinigt. Es bleibe abzuwarten, ob und inwieweit sich die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Hinweisbeschluss auf die Führung der Verfahren auswirken würden.

Die im vergangenen Jahr neu eingeführte Musterfeststellungsklage habe bislang keine spürbaren Auswirkungen auf die Eingänge der individuellen Klagen gehabt. Im Gegenteil: Trotz der Möglichkeit der Musterfeststellungsklage gingen viele Verbraucher offensichtlich weiter den Weg der individuellen Klage.

„Ich bin zuversichtlich, dass sich der Rechtsstaat auch in den vielen Dieselverfahren als  handlungsfähig erweisen wird. Die Dimension ist aber gewaltig. Sie ist eine große Herausforderung für die Justiz und eine erhebliche Zusatzbelastung für die Richterinnen und Richter sowie die Bediensteten in den Geschäftsstellen. Die Justiz wird einmal mehr als Reparaturbetrieb für Fehler in Anspruch genommen, die andere gemacht haben“, führte Roman Poseck abschließend aus.

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