Mietpreisbegrenzungsverordnung Baden-Württemberg wegen fehlender Veröffentlichung der Begründung unwirksam.

Klägerin kann sich nicht auf Mietpreisbremse berufen.

 

Die 13. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart hat heute das Urteil in einem Berufungsverfahren verkündet, in dessen Rahmen über die Wirksamkeit der Mietpreisbegrenzungsverordnung des Landes Baden-Württemberg zu entscheiden war. Die Kammer hält die baden-württembergische Mietpreisbegrenzungsverordnung für formell unwirksam, weil es an einer notwendigen Veröffentlichung der Begründung fehle.

Erwägungen der Kammer

Eine Veröffentlichung der Begründung der Mietpreisbegrenzungsverordnung sei erforderlich, um die Entscheidung der Landesregierung nachvollziehbar zu machen, weshalb die Mietpreisbremse in einem bestimmten Gebiet gelten solle. Die Begründung der Verordnung diene zudem dem Grundrechtsschutz der Vermieter. Diese seien durch die Mietpreisbremse in der ökonomischen Nutzung ihres Eigentums eingeschränkt. Betroffene Vermieter seien ohne Zugriff auf die vollständige Begründung aber nicht im Stande, ihre Rechte sachgemäß wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs abzuschätzen. Spiegelbildlich seien auch die zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Verordnung berufenen Zivilgerichte nur dann in der Lage, über die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu befinden, wenn ihnen die Parteien den nötigen Prozessstoff vortragen können.

Bisherige Praxis des Landes genüge Anforderungen an eine Veröffentlichung nicht

Das Land Baden-Württemberg war dem Rechtsstreit im Berufungsverfahren als Streithelfer beigetreten. Das Land hat die Auffassung vertreten, dass die Begründung zur Mietpreisbegrenzungsverordnung der Öffentlichkeit ausreichend zugänglich gemacht worden sei. Dem folgte die Kammer nicht. Insbesondere reiche es nach Auffassung der Kammer nicht aus, dass die fragliche Begründung auf Anfrage herausgegeben wurde.

Hintergrund und Folgen des Urteils

Am 29. September 2015 hat die Landesregierung die Mietpreisbegrenzungsverordnung Baden-Württemberg erlassen. Die Landesregierung wurde auf Grundlage der bundesgesetzlichen Mietpreisbremse des § 556 d BGB zum Erlass der Verordnung ermächtigt. Die Landesverordnung legt in Baden-Württemberg Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt fest, in denen die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um zehn Prozent übersteigen darf. Unmittelbare Folge des Urteils ist, dass sich die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits auf die Mietpreisbremse nicht berufen kann. Sofern weitere Gerichte der Auffassung der Kammer folgen, sind von der Entscheidung des Landgerichts Stuttgart sämtliche Mietverhältnisse im Land betroffen, die in einem Gebiet liegen, in dem die Mietpreisbremse des § 556 d BGB nach der aktuellen Mietpreisbegrenzungsverordnung des Landes Anwendung findet (Liste der betroffenen Städte und Gemeinden s.u. Anlage).

Urteil rechtskräftig – Revision nicht zugelassen

Das Urteil ist rechtskräftig. Die Kammer hat die Revision nicht zugelassen. Insbesondere die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere keine Entscheidung des Revisionsgerichts, so die Kammer. Die Annahme einer Pflicht zur Veröffentlichung der Begründung nach § 556d Absatz 2 BGB entspreche der allgemeinen Ansicht in Rechtsprechung und Literatur.

Gang des Verfahrens

In erster Instanz hatte das Amtsgericht Stuttgart mit Urteil vom 30. Oktober 2018 (Az 35 C 2110/18) festgestellt, dass die Mietpreisbegrenzungsverordnung Baden-Württemberg mangels hinreichender Begründung und mangels Veröffentlichung der Begründung unwirksam sei. Die 13. Zivilkammer hat sich damit im Ergebnis der Auffassung des Amtsgerichts angeschlossen. Anders als das Amtsgericht hat die Kammer ihre Entscheidung indes nicht auf eine unzureichende Begründung der Verordnung gestützt, sondern nur auf eine fehlende Veröffentlichung der Begründung.

Urteil Landgericht Stuttgart vom 13.3.2019 – Aktenzeichen 13 S 181/18

Anlage

Verordnung der Landesregierung zur
Bestimmung der Gebiete mit Begrenzung der zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn
(Mietpreisbegrenzungsverordnung Baden-Württemberg – MietBgVO BW)
Vom 29. September 2015

  • 1
    Anwendungsbereich

Die Städte und Gemeinden Altbach, Asperg, Bad Krozingen, Bad Säckingen, Baienfurt, Bietigheim-Bissingen, Brühl, Denkendorf, Denzlingen, Dossenheim, Durmersheim, Edingen-Neckarhausen, Eggenstein-Leopoldshafen, Emmendingen, Eppelheim, Fellbach, Filderstadt, Freiberg am Neckar, Freiburg im Breisgau, Friedrichshafen, Grenzach-Wyhlen, Gundelfingen, Heidelberg, Heilbronn, Heitersheim, Hemsbach, Iffezheim, Karlsruhe, Kirchentellinsfurt, Konstanz, Leimen, Linkenheim-Hochstetten, Lörrach, March, Merzhausen, Möglingen, Müllheim, Neckarsulm, Neuenburg am Rhein, Neuhausen auf den Fildern, Offenburg, Pfinztal, Plochingen, Radolfzell am Bodensee, Rastatt, Ravensburg, Remchingen, Renningen, Reutlingen, Rheinfelden (Baden), Rheinstetten, Rielasingen-Worblingen, Sandhausen, Sindelfingen, Singen (Hohentwiel), Steinen, Stutensee, Stuttgart, Teningen, Tettnang, Tübingen, Ulm, Umkirch, Waldkirch, Weil am Rhein, Weingarten, Wendlingen am Neckar und Winnenden sind Gebiete im Sinne des § 556d Absatz 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 556d Zulässige Miethöhe bei Mietbeginn; Verordnungsermächtigung

(1) Wird ein Mietvertrag über Wohnraum abgeschlossen, der in einem durch Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt, so darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 Absatz 2) höchstens um 10 Prozent übersteigen.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen. Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten liegen vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn

1.

die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,

2.

die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,

3.

die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder

4.

geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.

 

Eine Rechtsverordnung nach Satz 1 muss spätestens am 31. Dezember 2020 in Kraft treten. Sie muss begründet werden. Aus der Begründung muss sich ergeben, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. Ferner muss sich aus der Begründung ergeben, welche Maßnahmen die Landesregierung in dem nach Satz 1 durch die Rechtsverordnung jeweils bestimmten Gebiet und Zeitraum ergreifen wird, um Abhilfe zu schaffen.

 

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