Urteil im Verfahren wegen des Vorwurfs der Misshandlung in Emsbüren.

OSNABRÜCK. Die 3. Große Strafkammer des Landgerichts Osnabrück hat heute in dem Verfahren gegen die jetzt 38 Jahre alte Mutter und den jetzt 49 Jahre alten Stiefvater eines Jungen aus Emsbüren wegen des Vorwurfs der Misshandlung von Schutzbefohlenen und weiterer Delikte ihr Urteil verkündet (Az. 3 KLs 20/18).

Die Mutter wurde wegen schwerer Misshandlung Schutzbefohlener zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den Stiefvater wurde wegen Verletzung der Fürsorgepflicht eine Verwarnung mit Vorbehalt einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je EUR 40,00 ausgesprochen. Diese Strafe wird nur dann fällig, wenn er während der auf zwei Jahre bemessenen Bewährungszeit erneut straffällig wird oder die Bewährungsauflagen verletzt. Als Teil dieser Auflagen muss der Stiefvater EUR 2.000,00 an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

Die 3. Große Strafkammer sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten im Zeitraum vom Februar 2015 bis Januar 2017 mit dem heute volljährigen Sohn der Mutter aus einer früheren Beziehung in Emsbüren zusammengelebt hatten. Die Mutter drangsalierte nach Überzeugung der Kammer den Sohn in dieser Zeit zusehends und schloss ihn weitgehend vom Familienleben aus. Dazu gehörte nach den Feststellungen der Kammer, dass der Sohn zu Hause keine normale Bekleidung tragen durfte. Auch das Badezimmer der Familie durfte er demnach nicht benutzen. Für einen Teil der Zeit wurde der Junge nach den weiteren Feststellungen der Kammer gezwungen, nachts ohne Bettzeug auf dem Boden seines Zimmers zu schlafen. Er erhielt zudem nur einmal am Tag, spätabends, Nahrung. Darüber hinaus gelangte die Kammer zu der Überzeugung, dass die Mutter des Jungen diesen körperlich erheblich misshandelte. Dies ging soweit, dass sie seinen Kopf wuchtig gegen Wände schlug. Durch die Misshandlung kam es, wie die Vorsitzende in der mündlichen Urteilsbegründung ausführte, nach Überzeugung der Kammer zu erheblichen psychischen Schädigungen, die eine langjährige Therapie erforderlich machen. Nach außen jedoch hatte, wie die Vorsitzende weiter ausführte, die Mutter des Geschädigten nach Überzeugung der Kammer ein System der Abschottung und der bewussten Täuschung errichtet. So sei auch zu erklären, dass die Misshandlung trotz mehrfacher Hilfsangebote des Jugendamtes so lange unentdeckt blieb. Schule und Jugendamt war insoweit in den Augen der Kammer in keiner Hinsicht ein Vorwurf zu machen. Erst eine Mitteilung der Tochter der Angeklagten beim Jugendamt führte nach den Feststellungen der Kammer letztlich zur Aufklärung der Tat.

Rechtlich wertete die Kammer das Geschehen im Fall der Mutter als schwere Misshandlung Schutzbefohlener. Hierfür sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren vor. Zugunsten der Mutter berücksichtigte die Kammer, dass sie mit der familiären Lage und der Erziehung des Sohnes, der teils auffälliges Verhalten gezeigt habe, überfordert gewesen sei. Auch habe sie jedenfalls zu einem Teil, soweit sie auf heimlichen Ton- bzw. Videoaufnahmen ihrer Tochter dokumentiert waren, die Vorwürfe eingeräumt. Dem entgegenzusetzen seien aber die Intensität und Dauer der Tat sowie die Folgen für den Geschädigten, der an dem Verfahren als Nebenkläger teilgenommen hatte. Aus diesem Grund sei zwingend eine Haftstrafe von mehreren Jahren Dauer, und damit ohne Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung, zu verhängen gewesen. Eine andere Reaktion des Rechtsstaates auf solch eine schwerwiegende Tat sei auch unter Berücksichtigung aller für die Angeklagte sprechenden Umstände nicht mehr vertretbar.

Im Hinblick auf den Stiefvater des Jungen stellte die Kammer fest, dass er selbst nicht aktiv an Misshandlungen mitgewirkt hatte. Auch vermochte die Kammer sich nicht davon zu überzeugen, dass er den vollen Umfang der Übergriffe seiner Frau kannte. Soweit er einzelne körperliche und verbale Angriffe sowie das Tragen der Müllsäcke mitbekommen habe, sei er allerdings nur unzureichend eingeschritten. Er hätte, so die Kammer in ihrer Begründung, beim Jugendamt Anzeige erstatten müssen. Dies sei ihm trotz der absehbaren erheblichen Folgen für die Familie zum Schutz des Stiefsohnes zuzumuten gewesen. Das fehlende Einschreiten wertete die Kammer als eine strafbare Verletzung der Fürsorgepflicht. Bei der Strafzumessung war allerdings in den Augen der Kammer u.a. erheblich strafmildernd zu berücksichtigen, dass eine nationale Boulevardzeitung am ersten Prozesstag unverpixelte Aufnahmen des Angeklagten veröffentlicht hatte. Die damit einhergehende Prangerwirkung und Vorverurteilung habe, so die Kammer in ihrer Urteilsbegründung weiter, nicht zuletzt den Verlust des Arbeitsplatzes des Angeklagten bewirkt. Angesichts dieser Umstände sei ausnahmsweise die Verwarnung mit Strafvorbehalt als eine der mildesten Sanktionen des Strafgesetzbuches angemessen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Angeklagten, die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage haben die Möglichkeit, binnen einer Woche Revision zum Bundesgerichtshof einzulegen. Dieser wird ggf. das Verfahren und das Urteil auf Rechtsfehler zu prüfen haben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*