Anzahl der Hinrichtungen zurückgegangen auf niedrigste Zahl seit zehn Jahren.

Im vergangenen Jahr sind mindestens 690 Menschen in mindestens 20 Ländern hingerichtet worden, rund ein Drittel weniger im Vergleich zu 2017 mit 993 Hinrichtungen. Iran, Saudi-Arabien, Vietnam und der Irak sind zusammen verantwortlich für 78 Prozent dieser dokumentierten Exekutionen. Daneben schätzt Amnesty International, dass in China auch 2018 wieder Tausende hingerichtet wurden, mehr als im Rest der Welt zusammen.

BERLIN, 09.04.2019 – Mindestens 20 Staaten haben voriges Jahr Menschen hingerichtet, das sind drei weniger als noch 2017. Der Staat mit den meisten Hinrichtungen bleibt die Volksrepublik China, die nach Schätzungen von Amnesty International Tausende Exekutionen durchgeführt hat. Auf den unrühmlichen Plätzen zwei bis fünf stehen Iran (mindestens 253 dokumentierte Hinrichtungen), Saudi-Arabien (149), Vietnam (mindestens 85) und der Irak (mindestens 52). Im Iran ließen die Behörden nach einer Änderung des dortigen Anti-Drogen-Gesetzes im Vergleich zu 2017 (mindestens 507) „nur“ halb so viele Menschen hinrichten. Der iranische Staat setzte seine völkerrechtswidrige Praxis fort, Menschen zu verurteilen und hinzurichten, auch wenn diese zum Zeitpunkt des ihnen zur Last gelegten Verbrechens unter 18 Jahre alt waren.

Amnesty International setzt sich seit mehr als 40 Jahren gegen die Todesstrafe ein. „Die Todesstrafe ist grausam, unmenschlich, verstößt gegen das Recht auf Leben und gegen den Geist der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“, sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. Zwei Drittel aller Staaten haben die Todesstrafe entweder per Gesetz abgeschafft oder verhängen sie in der Praxis nicht mehr. „Der Rückgang der weltweit dokumentierten Hinrichtungen gibt die Richtung vor: 142 Staaten wenden die Todesstrafe heute nicht mehr an, 1987 waren es nur 69 – das ist eine wichtige Entwicklung zu einer Welt ohne Hinrichtungen.“

Dieser Weg erfordert allerdings weiter den Einsatz der ganzen Staatengemeinschaft: Mindestens 2.531 neue Todesurteile wurden 2018 in 54 Ländern gefällt, mindestens 19.336 Menschen saßen im vergangenen Jahr weltweit in Todeszellen. Ihnen allen droht der Tod durch Enthaupten, den elektrischen Stuhl, Erhängen, die Giftspritze oder Erschießen. Im Iran wurden zwei Menschen zum Tod durch Steinigen verurteilt.

„In vielen Staaten werden Todesurteile auf Grundlage von unter Folter erpressten Geständnissen und unfairen Gerichtsverfahren gefällt. Wo Staaten an der Todesstrafe festhalten, sollte die Staatengemeinschaft deshalb zumindest auf die Einhaltung des absoluten Folterverbotes und grundlegende rechtstaatliche Standards, wie das Recht auf Anhörung, auf einen Rechtsbeistand und ein faires Verfahren dringen“, fordert Beeko.

Die USA sind 2018 im zehnten Jahr in Folge der einzige Staat auf dem amerikanischen Doppel-Kontinent, der Todesurteile tatsächlich vollstreckt hat (25 Fälle), allein in Texas wurden 13 Menschen hingerichtet.
In Ägypten stieg die Zahl der verhängten Todesurteile um mehr als 75 Prozent von 402 im Vergleichsjahr 2017 auf mindestens 717 im vergangenen Jahr. Viele davon gehen auf Massenverurteilungen nach unfairen Verfahren zurück. „Die gestiegene Zahl der Todesurteile in Ägypten erinnert deutlich daran, dass alle politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Ägypten auch auf eine dringliche Verbesserung der Menschenrechtslage gerichtet sein müssen“, sagt Beeko.

Praktisch abgeschafft hat die Todesstrafe im vergangenen Jahr die Regierung in Burkina Faso. Gambia und Malaysia haben ein Moratorium erlassen und verzichten bis auf weiteres auf Hinrichtungen.
In Hessen wurde Ende 2018 die Todesstrafe aus der Landesverfassung gestrichen, wo sie aus der Zeit vor der Verabschiedung des Grundgesetzes im Jahr 1949 noch zu finden war, wenngleich auch unwirksam. „Auch wenn es keinen praktischen Unterschied gemacht hat, ist es wichtig, dass sich Staaten, die die Todesstrafe verteidigen, nicht weiter auf Deutschland und die hessische Landesverfassung berufen können“, stellt Beeko fest.

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Den kompletten Bericht in englischer Sprache, eine deutschsprachige Zusammenfassung, Grafiken sowie weiteres Material unter bit.ly/AmnestyTodesstrafe2018.

Textquelle: Amnesty international

Todesstrafe: Rückgang dokumentierter Hinrichtungen muss Ansporn sein.

Zum von Amnesty International veröffentlichten Bericht zur Todesstrafe erklärt Kai Gehring, Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Die Todesstrafe ist eine drakonische Verletzung elementarer Menschenrechte und absolut anachronistisch. Dass die Zahl dokumentierter Hinrichtungen zurückgeht, ist ermutigend. Für die Weltgemeinschaft muss dies ein Ansporn sein, die Todesstrafe überall zu ächten und abzuschaffen.

Dass Brunei die Todesstrafe für Homosexuelle einführt, muss zu massivem Druck der Staatengemeinschaft führen. Hier werden – wie in anderen Staaten, die an der Todesstrafe festhalten -, elementare Grundsätze des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung verletzt. China, Iran und Saudi-Arabien richten weiterhin weltweit die meisten Menschen hin – eine erschreckend düstere Realität, die durch nichts zu rechtfertigen oder zu relativieren ist.

Deutschland muss sich aktiver für die Abschaffung der Todesstrafe und deren Vollstreckung einsetzen. Auch das staatliche Verschweigen zigtausender Hinrichtungen wie in China darf nicht hingenommen werden. Rechtsstaatliche Mindeststandards müssen eingefordert und die Todeszellen endlich abgeschafft werden.“

Bundesregierung muss sich stärker für ein Ende der Todesstrafe einsetzen.

„Dass die Welt der Todesstrafe zunehmend den Rücken kehrt und der Kreis derjenigen Staaten, die auf die Todesstrafe verzichten, größer wird, ist eine wichtige Entwicklung. Wenn aber dennoch nur ein Drittel der Weltbevölkerung in Staaten lebt, die nicht hinrichten, ist das ein nicht hinnehmbarer Zustand. Darüber hinaus ist es skandalös, dass die USA 2018 zum zehnten Jahr in Folge der einzige Staat auf dem amerikanischen Kontinent sind, der Todesurteile vollstreckt hat und zeigt die Doppelmoral des Westens, wenn es um Menschenrechtsdiskurse geht“, erklärt Zaklin Nastic, menschenrechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, anlässlich des aktuellen Berichts von Amnesty International über die Todesstrafe.

Nastic weiter:

„Neben China zählen Iran, Saudi-Arabien, Vietnam und Irak zu den Ländern mit den meisten Hinrichtungen im Jahr 2018. Aber die Bundesregierung liefert unbekümmert weiter Waffen an Saudi-Arabien, das ist an Zynismus und Verlogenheit nicht zu überbieten.

„Die Fraktion DIE LINKE setzt sich seit jeher für ein Ende der Todesstrafe weltweit ein. Die Bundesregierung muss sich insbesondere gegenüber Regierungen, mit denen sie wie mit der US-Regierung eng kooperiert, mit Nachdruck dafür einsetzen, dass sie auf ein Ende der Todesstrafe hinwirkt und den Einsatz besonders qualvoller Methoden mit sofortiger Wirkung verbietet.“

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