Projektstart: Unentgeltliche Beratung im Strafbefehlsverfahren.

Kooperation der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e. V. und der Law Clinic „Praxis der Strafverteidigung“ der Freien Universität Berlin.

Ein gemeinsames Rechtsberatungsprojekt der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e. V. und der Law Clinic „Praxis der Strafverteidigung“ der Freien Universität Berlin ist gestartet. Empfängerinnen und Empfänger eines Strafbefehls können an zunächst zwei Nachmittagen pro Woche eine unentgeltliche Beratung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in Anwesenheit von ein bis zwei Studierenden der Rechtswissenschaft der Freien Universität in Anspruch nehmen. Ziel des Projekts ist die Schaffung eines niedrigschwelligen und zugleich parteiischen Beratungsangebotes. Der Rechtswissenschaftler und Leiter der Law Clinic Prof. Dr. Carsten Momsen von der Freien Universität sowie die Rechtsanwältin Cäcilia Rennert und der Rechtsanwalt Hannes Honecker leiten das Projekt.

Das Strafbefehlsverfahren ist ein vereinfachtes Rechtsverfahren, bei dem polizeiliche Ermittlungen unmittelbar zu einer von der Staatsanwaltschaft verfassten strafrechtlichen Sanktion transformiert werden. Zu einer rechtskräftigen Verurteilung kann es auch ohne mündliche Hauptverhandlung kommen. „Verfahren können erledigt und eine Vielzahl von Urteilen produziert werden, ohne Personal- und Verwaltungsressourcen der Justiz in Anspruch zu nehmen“, erklärt Carsten Momsen. Deshalb sei das Strafbefehlsverfahren justiziell gesehen extrem effektiv.

Ein Einspruch gegen einen Strafbefehl werde häufig nicht eingelegt. Warum dies so sei, ist Carsten Momsen zufolge nicht bekannt. Mögliche Gründe könnten inhaltliche und sprachliche Verständnisschwierigkeiten sein, die Scheu vor Kosten oder die Angst vor schwereren Sanktionen, mit denen Strafbefehlsempfänger in einem Hauptverfahren zu rechnen hätten. „Ziel des Projekts ist es deshalb, durch die mündliche Beratung durch Rechtskundige eine Vorstellung der eigenen Rechte zu schaffen. Bei einem rein schriftlichen Verfahren kommt das meist zu kurz“, betont der Rechtswissenschaftler.

Das Projekt wird von Carsten Momsen und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wissenschaftlich begleitet. „Es ist mittelfristig denkbar, dass empirisches Material gewonnen wird, mit dem die rechtspolitische Forderung der Ausweitung der Pflichtverteidigung erhoben werden kann“, sagt der Rechtswissenschaftler. Zugleich sei es ein Ausbildungsprojekt für Studierende, um sie im anwaltlichen Denken zu schulen. „Die Studierenden sollen sich im Rahmen des Projekts erstmals parteilich mit Strafverteidigung befassen.“

In einem ersten Beratungsgespräch kann die Verteidigung auch ohne Akteneinsicht über Möglichkeiten von Wiedereinsetzung bei versäumten Fristen, die Herabsetzung der Höhe des Tagessatzes bei falschen Taxierungen oder über Ratenzahlungen und die Möglichkeit von „Arbeit statt Strafe“ beraten. Zum Schluss müssen die Ratsuchenden die Entscheidung treffen können, ob der Strafbefehl akzeptiert werden soll oder ob insgesamt oder teilweise Einspruch eingelegt wird, mit der Folge, dass dann in einer Hauptverhandlung über die Sache Beweis erhoben und entschieden wird.

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