Neue „Mitte-Studie“: Verlorene Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19.

Seit 2006 lässt die Friedrich-Ebert-Stiftung im Zweijahresrhythmus das Ausmaß rechtsextremer Einstellungen in Deutschland ermitteln. Aus der repräsentativen Befragung von 2018/19 ergibt sich das Bild einer Verfestigung und Normalisierung rechter Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat eine neue Mitte-Studie zur Verbreitung von rechtsextremen, menschenfeindlichen und weiteren antidemokratischen Meinungen in der Gesellschaft vorgelegt.

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Dazu hat ein Forschungsteam des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld (IKG) eine wissenschaftliche Umfrage unter 1.890 repräsentativ ausgewählten Deutschen durchgeführt. Die Studienreihe gibt durch die Analyse der Verbreitung und Zusammenhänge von Meinungen Auskunft über die Stabilität und Instabilität der Demokratie.

Die aktuellen Ergebnisse machen deutlich: Der Großteil der Deutschen befürwortet die Demokratie, begrüßt die Vielfalt der Gesellschaft und fordert eine Stärkung der EU. Doch zugleich äußert ein Drittel auch nicht-liberale Einstellungen zur Demokratie, stellt gleiche Rechte für alle infrage. Dabei ist die Zustimmung zu menschenfeindlichen Vorurteilen in denen letzten fünf Jahren nahezu unverändert. Das gilt vor allem für Abwertungen gegenüber Zugewanderten, Muslim_innen und für Antisemitismus, die seit 2014 hoch sind.

Negative Einstellungen gegenüber Asylsuchenden haben sogar zugenommen: Jede zweite befragte Person stimmt negativen Meinungen gegenüber Asylsuchenden zu. Dies ist noch einmal im Vergleich zu 2016 angestiegen, obwohl die Zahl der Asylsuchenden im Befragungszeitraum rückläufig ist. Hingegen sind Sexismus, die Abwertung homosexueller und wohnungsloser Menschen eher rückläufig.

Auch Verschwörungsmythen finden generell in der Bevölkerung großen Zuspruch. 46% meinen, geheime Organisationen würden politische Entscheidungen beeinflussen, und jede_r zweite Befragte traut eher den eigenen Gefühlen als Expert_innen, nahezu ein Viertel der Befragten mutmaßt, Medien und Politik steckten unter einer Decke.

Mit Blick auf die politischen Orientierungen der Befragten bestätigt sich ein Trend: Wie in den Vorjahren neigen potenzielle Wähler_innen der AfD auffallend häufig zu menschenfeindlichen, rechtspopulistischen und rechtsextremen Einstellungen. Insgesamt macht die Studie deutlich: Vordergründig findet sich eine hohe Zustimmung zur Demokratie, die aber zugleich von antidemokratischen und antipluralistischen Überzeugungen begleitet wird. Die Mitte verliert ihren festen Boden und ihre demokratische Orientierung.

weitere Informationen zur Studie

Befund endlich ernst nehmen.

„Die neue ‚Mitte-Studie‘ erhärtet, was bereits die Langzeituntersuchung von Prof. Dr. Heitmeyer und seinem Team über ‚Deutsche Zustände‘, 2002 bis 2011, offenbart hatte: Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt zu, rechte und rassistische Einstellungen breiten sich inmitten der Gesellschaft aus“, erklärt Petra Pau, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, zur neuen „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Pau weiter:

„Es reicht nur nicht, dies alle zwei Jahre festzustellen. Der Befund muss endlich ernst genommen werden.

Das Soziale wird ökonomisiert, die Demokratie entleert, hieß es bei Heitmeyer. Oder anders gesagt: Eine tief greifende Ursache für den gesellschaftlichen Rechtstrend ist die vorherrschende und anhaltende neoliberale Politik.“

Mitte-Studie: Demokratiebildung und Prävention stärken.

Zur aktuellen Mitte-Studie erklärt Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Die Ergebnisse der Mitte-Studie sind äußerst alarmierend. Besonders besorgniserregend sind die anhaltend weit verbreitete Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und Antiziganismus. Die Einstellung gegenüber Asylsuchenden hat sich sogar noch verschlechtert. Vorurteile und Ressentiments reichen bis in die Mitte unserer Gesellschaft hinein und haben sich dort sogar weiter verfestigen können. Auch die weite Verbreitung von Verschwörungstheorien und antidemokratischer Denkweisen sind äußerst beunruhigend.

Die Studie ist eine klare Aufforderung: wir müssen Demokratiebildung und Prävention stärken. Und wir müssen Vorurteile, Ressentiments und Rassismus wieder entschiedener gesamtgesellschaftlich ächten. In den letzten Jahren haben nicht nur die AfD, sondern auch Politikerinnen und Politiker demokratischer Parteien zu einer Verrohung der Sprache und der öffentlichen Debatte beigetragen. Das untergräbt unsere demokratische und pluralistische Grundordnung und befeuert Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.

Niemals dürfen wir es hinnehmen, dass Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft normal werden. Wir treten deshalb entschieden für eine weltoffene und solidarische Politik ein. Vielerorts stellen sich zivilgesellschaftliche Initiativen den Vorurteilen, den Ressentiments und dem Hass entgegen. Viele engagierte Menschen in Kommunen, Behörden, Parteien, Vereinen, Verbänden, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften leisten unschätzbar wertvolle Arbeit für unsere Demokratie. Diese Arbeit muss verlässlich finanziert werden. Mit einer ganzheitlichen Präventionsstrategie für Deutschland müssen Radikalisierungen hin zu menschenverachtenden Ideologien und Gewalt dort bekämpfen, wo sie entstehen.“

 

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