Tarifrunde für Kaiser‘s-Beschäftigte in Berlin und Brandenburg.

Verhandlungsergebnis erzielt – Beschäftigungssicherung vereinbart.

Sie verkaufen schon regelrecht zu Apothekerpreisen, kündigten einer Kassiererin wegen der banalen Einlösung eines 1,30 Euro-Pfandgutscheins ohne Abmahnung fristlos, die Beschäftigten müssen nun aber keine betriebsbedingten Kündigungen mehr hinnehmen, falls der Verkauf von Kaiser’s an Edeka zustande kommt.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat nun im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf von Kaiser‘s an Edeka ein entsprechendes Tarifergebnis aushandeln können. Durch Anerkennungstarifvertrag werde das Unternehmen im Falle des Verkaufs an den Tarifvertrag für den Einzelhandel gebunden.

Vereinbart wurde eine Beschäftigungssicherung für die kommenden fünf Jahre, falls der geplante Verkauf zustande komme. So seien für die kommenden fünf Jahre betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen, im Falle einer Übertragung des Unternehmens an selbstständige Einzelhändler gelte sogar eine Frist von sieben Jahren. Zudem haben die Beschäftigten ein Widerrufsrecht bei Aufhebungs- und Änderungsverträgen. Der Tarifvertrag schließe aus, dass mit Werkverträgen die Funktionen von Beschäftigten verdrängt werden. Auch im Falle von Filialschließungen seien die Beschäftigten vor Verlust ihres Arbeitsplatzes geschützt. Außerdem wurde festgelegt, dass die Betriebsrats-Struktur im Betrieb erhalten bleibt. Zur Kontrolle wurde ein jährliches Monitoring vereinbart.

„Unser Ziel war es, den Erhalt der Arbeitsplätze bei Kaiser‘s vertraglich zu vereinbaren und den Beschäftigten qualitativ gute tarifgebundene Arbeitsbedingungen zu sichern. Auch die 552 Beschäftigten von Kaiser‘s-Berlin und die ca. 1.500 Aushilfen kämen in den Genuss des Tarifvertrags. Der Vertrag steht unter dem Vorbehalt, dass die Ministererlaubnis Bestand hat. In diesem Fall sind die Beschäftigten geschützt und die Betriebsratsstruktur gesichert, das gilt auch für die Tarifbindung“, sagte Erika Ritter, ver.di-Verhandlungsführerin. Das Gericht müsse nun entscheiden, ob die Absicherung von tausenden von Beschäftigten und Vereinbarungen zu guten Arbeitsbedingungen mehr Gewicht haben als geringfügige Marktverschiebungen.

Der Berlin-Brandenburger Abschluss beziehe sich auf die regionalen Gegebenheiten und sei kein Pilotabschluss. Für die Tarifbezirke Bayern und NRW gäbe es bisher keine Einigung. Dort gingen die Verhandlungen am 2. August (Bayern) bzw. am 10. August (NRW) weiter, so ver.di in einer Pressemitteilung.

Bei dem Unternehmen sind in Berlin und Brandenburg 5.668 Beschäftigte bei Kaiser‘s-Tengelmann, der Kaiser‘s Berlin GmbH, der Verwaltung und der Logistik-Tochter K-Log tätig. Kaiser‘s betreibt in der Region rund 120 Filialen, drei davon im Land Brandenburg.

Ver.di/tp

Zur Information:

12. Juli 2016 Pressemitteilung Nr. 25/2016 OLG Düsseldorf

Übernahme von Kaiser´s Tengelmann durch EDEKA: Ministererlaubnis vorerst gestoppt

Die Richter des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgerichts Prof. Dr. Kühnen haben mit Beschluss vom 12. Juli 2016 die Erlaubnis des Bundesministers für Wirtschaft und Energie zur Übernahme von Kaiser´s Tengelmann (KT) durch EDEKA zunächst außer Kraft gesetzt. Die Erlaubnis erweise sich schon nach einer vorläufigen Prüfung im Eilverfahren als rechtswidrig.

Der Senat ist im Rahmen seiner vorläufigen Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass die erteilte Ministererlaubnis unter mehreren, nachfolgend nicht abschließend aufgeführten Gesichtspunkten rechtswidrig sei:

1. Besorgnis der Befangenheit des Bundeswirtschaftsministers

Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie habe über die Erteilung der Erlaubnis nicht entscheiden dürfen, da sein Verhalten im Erlaubnisverfahren die Besorgnis seiner Befangenheit und fehlenden Neutralität begründe. Der Minister habe in der entscheidenden Phase des Erlaubnisverfahrens mit EDEKA und KT geheime Gespräche geführt.

So sei zunächst am 16. November 2015 mit allen Beteiligten über die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ministererlaubnis mündlich verhandelt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe ein, am 30. November 2015 auch schriftlich ausgeführtes, Angebot von REWE zur Übernahme von KT vorgelegen. Dieses habe den Erhalt aller 16.000 Arbeitsplätze bei KT vorgesehen. Das zu diesem Zeitpunkt vorliegende Übernahmeangebot von EDEKA hingegen habe u. a. einen signifikanten Arbeitsplatzabbau bei KT geplant. Unter diesen Voraussetzungen habe eine Ministererlaubnis zur Übernahme von KT durch EDEKA nicht erteilt werden dürfen. Erst im Januar 2016 habe EDEKA sein Übernahmeangebot dann substantiell erweitert und es dem Angebot von REWE angepasst.

Wie sich im Laufe des Beschwerdeverfahrens aufgrund der Anforderung von Akten durch den Senat beim Bundeswirtschaftsministerium jedoch herausgestellt habe, seien auf Veranlassung des Bundesministers am 1. und 16. Dezember 2015 „Sechs-Augen-Gespräche“ zwischen ihm, dem Vorstandsvorsitzenden von EDEKA, Herrn M. sowie dem Miteigentümer von KT, Herrn H., zur Ministererlaubnis geführt worden. Der Inhalt dieser Gespräche sei nicht aktenkundig gemacht worden und die Gespräche ohne Kenntnis und unter Ausschluss der weiteren Beteiligten, insbesondere REWE, geführt worden. Auch eine im Rahmen der Gespräche dem Minister übergebene rechtliche Stellungnahme zur Unwirksamkeit des Übernahmeangebots von REWE sei vertraulich behandelt und den anderen Verfahrensbeteiligten nicht zur Kenntnis gebracht worden.

Der Minister habe daher die für ein transparentes, objektives und faires Verfahren unverzichtbare gleichmäßige Einbeziehung und Information aller Verfahrensbeteiligten unterlassen (vgl. Beschluss S. 7-18).

2. Erhalt der Arbeitnehmerrechte bei KT kein Gemeinwohlbelang

Die Ministererlaubnis sei darüber hinaus rechtswidrig, da der Bundesminister bei seiner Entscheidung zu Unrecht den Erhalt der kollektiven Arbeitnehmerrechte (z. B. Tarifverträge u. ä.) bei KT als einen Gemeinwohlbelang berücksichtigt habe. Das im Grundgesetz in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 schrankenlos gewährte Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen (Gewerkschaften) zu bilden, beinhalte gleichrangig und unterschiedslos das Recht, einer solchen Vereinigung auch fern zu bleiben, sich also nicht gewerkschaftlich zu organisieren. Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Gleichrangigkeit könnten der Erhalt und die Sicherung bestehender kollektiver Arbeitnehmerrechte kein Gemeinwohlbelang sein, welches die ministerielle Erlaubnis einer wettbewerbsschädlichen Unternehmensfusion rechtfertigen könne. Andernfalls würde der Bildung von Arbeitnehmervereinigungen ein höherer Rang eingeräumt als dem Verzicht auf diese. Diese Annahme widerspreche jedoch der Verfassung (vgl. Beschluss S. 18 -20).

3. Arbeitsplatzsicherung auf unvollständiger Tatsachengrundlage bewertet

Die Ministererlaubnis könne voraussichtlich auch deshalb keinen Bestand haben, da der Bundeswirtschaftsminister den Gemeinwohlbelang der Arbeitsplatz- und Beschäftigungssicherung bei KT nicht unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte bewertet habe.

So gehe der Minister davon aus, dass durch die Nebenbestimmungen der Erlaubnis die Sicherung der rund 16.000 Arbeitsplätze bei KT gewährleistet sei. Den Gründen der Ministererlaubnis sei jedoch nicht zu entnehmen, ob und in welchem Umfang die Möglichkeit eines fusionsbedingten Stellenabbaus bei EDEKA in die Abwägungsentscheidung einbezogen wurde. Diese Möglichkeit habe aber bei den Abwägungsüberlegungen berücksichtigt werden müssen. Denn den Angaben von EDEKA bis zum Ende des Verhandlungstermins am 16. November 2015 sei deutlich zu entnehmen, dass der geplante Unternehmenszusammenschluss aus Sicht von EDEKA bei kaufmännisch vernünftigem Handeln mit einem erheblichen Personalabbau verbunden sein müsse (vgl. Beschluss S. 20-23).

Darüber hinaus seien die verfügten Nebenbestimmungen auch nicht geeignet, die 16.000 Arbeitsplätze bei KT in vollem Umfang zu sichern. Die Nebenbestimmungen enthielten Klauseln, die einen Arbeitsplatzabbau auch innerhalb des zu sichernden Fünf-Jahreszeitraums mit Zustimmung der Tarifparteien zuließen (vgl. Beschluss S. 23-25). Auch seien einzelne Nebenbestimmungen nicht ausreichend bestimmt (vgl. Beschluss S. 25-26).

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) nicht zugelassen. Insbesondere der der Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsbegriff der Besorgnis der Befangenheit beruhe auf einer gefestigten, höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Dem Bundesminister sowie EDEKA und Kaiser´s Tengelmann stehen das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH zur Verfügung. Im Falle der Einlegung dieses Rechtsmittels überprüft der BGH, ob die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch den Senat aus zutreffenden Gründen erfolgt ist. Andernfalls kann der BGH die Rechtsbeschwerde zulassen und die Eilentscheidung des Senats überprüfen.

Aktenzeichen: OLG Düsseldorf, VI – Kart 3/16 (V)

Hintergrundinformation:

Die sich ebenfalls um eine Übernahme der KT-Filialen bemühenden Mitbewerber, der REWE-Konzern und die Markant AG, haben gegen die am 17. März 2016 erteilte Ministererlaubnis Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt (Az. OLG Düsseldorf: VI – Kart 5/16 (V)). Da bis zu einer Entscheidung über diese Beschwerde die Erlaubnis wirksam ist, die Übernahme also vollzogen werden könnte, haben sie darüber hinaus im gegenständlichen Eilverfahren beantragt, die Ministererlaubnis zunächst außer Kraft zu setzen. Diesem Antrag hat der Senat jetzt entsprochen. Die Übernahme darf bis zu einer abschließenden Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren nicht vollzogen werden. Mit einer abschließenden Entscheidung im Beschwerdeverfahren ist in den kommenden Monaten zu rechnen.

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