Verfahren gegen Niels Högel – Das Urteil.

„Das Wort „Unbegreiflich“, das ist das Wort, das dieses Verfahren prägt“. 

Mit diesen Worten fasste der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Oldenburg das Strafverfahren gegen Niels Högel zusammen. Der menschliche Verstand kapituliere vor der bloßen Anzahl von Taten.

Gestern hat die Schwurgerichtskammer den ehemaligen Krankenpfleger wegen Mordes in 85 Fällen – unter Einbeziehung von Strafen aus vorigen Urteilen aus den Jahren 2008 und 2015 – zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die besondere Schwere der Schuld ist festgestellt und ein lebenslanges Berufsverbot ausgesprochen worden. 

In 15 Fällen hat die Kammer den Angeklagten freigesprochen. 

In der Urteilsbegründung hat die Kammer die erheblichen Schwierigkeiten in der Beweisaufnahme dargestellt, die sich zum einen aus dem Zeitablauf zwischen den (möglichen) Taten des Angeklagten und der Aufnahme von Ermittlungen ergebe wie auch aus der Aussageunwilligkeit mancher Zeugen, die Erinnerungslücken vorgeschützt hätten. Nicht einfach sei auch die Bewertung der Einlassung des Angeklagten gewesen, der mehrfach die Unwahrheit gesagt habe und dem Lügenkompetenz und Lügenbereitschaft durch den Sachverständigen zugesprochen worden seien. 

Ganz wesentlich hat sich die Kammer auf die medizinischen Gutachten gestützt, die jedoch in 15 Fällen nicht zu der hinreichenden, für eine Verurteilung notwendigen Überzeugung von der Täterschaft führen konnten.  Es gehe – so das das Gericht – „nicht darum, den Angeklagten blindlings zu verurteilen“. Mag der Angeklagte mit seinen Taten auch die Würde der Verstorbenen mit Füßen getreten haben, sei eben diese Würde ihm in einem Rechtsstaat durch ein Gericht zuzubilligen. 

Die Namen der Verstorbenen sind durch den Vorsitzenden einzeln verlesen worden. 

Sehr deutlich gemacht hat die Kammer ihr Bedauern darüber, für die Nebenkläger nicht in allen Fällen eine Gewissheit geschaffen zu haben, und ihre Hoffnung dargelegt, dass es jenen Nebenklägern dennoch gelingen möge, ihre Trauerarbeit abzuschließen und ihren Frieden zu finden. 

Eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wurde nicht angeordnet. Die rechtlichen Voraussetzungen lägen bei solchen Altfällen nicht vor, hat die Kammer erklärt. Sie hat aber auch darauf hingewiesen, dass eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hier keinen Einfluss auf den Zeitpunkt einer etwaigen Entlassung hätte, da auch eine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft nur möglich sei, wenn von einem Täter keine Gefahr ausginge. 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revisionseinlegungsfrist beträgt eine Woche.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*