„Blühende Landschaften“ in weiter Ferne?

Am 13. August 1961 begann in Berlin der Mauerbau. Am 9. November 1989 wurde von einem Grenzsoldaten der Grenzübergang in der Bornholmerstraße geöffnet und der Abriss des „antifaschistischen Schutzwalls“ nahm in der Folge seinen Lauf – bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990.

Bis heute ist ungeklärt, wie genau es zur Öffnung des Grenzübergangs kam. Und was sich „hinter den Kulissen“ zutrug.

Am 9. November 1989 hatte das Politbüro-Mitglied Günter Schabowski im damaligen Ostberlin in einer internationalen Pressekonferenz ein neues Reisegesetz verkündet, wonach  jeder Bürger ohne Angabe von Gründen einen Antrag stellen kann, aus der DDR auszureisen. Das wäre jedoch erst am nächsten Tag bei entsprechenden Behörden möglich gewesen und nicht mitten in der Nacht..

Auf die Frage eines Journalisten, ab wann die Reiseregelung gelte, antwortete Schabowski dennoch: „Sofort…, unverzüglich.“

Eine offene Mauer bzw. Grenzübergänge verkündete er jedoch nicht, obwohl er das nachträglich immer gerne für sich in Anspruch genommen hatte.

DDR-Bürger hatten ihn auch so verstehen wollen und rannten zu den Grenzübergängen.

Warum?,  fragten wir ihn.

Schabowski: „Es war nicht das Missverständnis der Menschen, das obwaltete.
Ich war mit meiner Bekanntgabe der Regierungsverordnung, der Ministerialbürokratie um einige Stunden vorausgeeilt. Die hatte erst morgens um vier durch einen Rundfunksprecher die Kunde in die Welt setzen wollen. Ich konnte aber – das vom Innenminister übergebene Papier in der Hand, das auf Weisung von uns, den Entmachtern Honeckers zustande gekommen war – begründet voraussetzen, dass seitens der Regierung bzw. des Innenministeriums alle Vorkehrungen für dieses ‚Sofort‘ getroffen waren. Das war der Hintergrund für die verworrene Szene.“

TP:

„Wieso war überhaupt das Stellen von Anträgen für Privatreisen vorgesehen? Wer vorgehabt hätte, nicht mehr wiederzukommen, hätte das auch getan, wenn seiner Reise ein genehmigter Antrag vorausgegangen wäre. Oder hatte man doch irgendwo im Hinterkopf, gewisse Personen von vornherein auszufiltern?“

Schabowski:

„Es ging nicht mehr um irgendwelche Ausfilterungs-Kniffe und es konnte auch nicht mehr darum gehen. Nicht zuletzt dadurch waren wir ja in diese Lage gekommen. Wir brauchten Druckentlastung. Deshalb entschieden wir uns für die nach unseren Vorstellungen weitestgehende Lösung. Allerdings war sie noch immer von der widersinnigen Praxis bestimmt, wie sie in allen Ostblockländern geübt wurde – in Moskau selbst unter Gorbatschow noch bis in den Anfang der 90er Jahre: Die Bürger mussten mit Ausreise-Visa ausgestattet sein. Mit anderen Worten, sie mussten die Erlaubnis des Staates einholen, um herauszukommen. In demokratischen Ländern genügt es, einen Pass zu haben, ein Visum benötigt man nur von dem Land, in das man einreisen will.“

Dieses Jahr jährt sich nun die Grenzöffnung zum 30. Mal.

„Gleichwertige Lebensverhältnisse“, wie sie nach der Wiedervereinigung erhofft wurden, werden jedoch bezweifelt, „blühende Landschaften“ noch in weiter Ferne gesehen.

Selbst die Vorsitzende der Treuhand-Anstalt, Birgit Breuel, gibt mittlerweile zu, dass Fehler gemacht worden sind. Welche das gewesen sind, darüber schweigt sie.

Die Bundesvorsitzende der Links-Partei, Katja Kipping, beklagt, dass immer noch keine „gleichwertigen Lebensverhältnisse in Ost und West sowie eine konsequente Politik zur Abschaffung der Armut“ erreicht worden seien. Bisherige Regierungen hätten diesbezüglich versagt, erklärte sie am Donnerstag.

 „Die soziale Spaltung von Ost und West ist auch an den Armutsquoten ablesbar: Die neuen Bundesländer haben eine 2,5 Prozentpunkte höhere Armutsquote. Deutlich wird aber auch, dass Erwerbslose mit einer Armutsquote von rund 57 Prozent, Alleinerziehende mit rund 42 Prozent und junge Erwachsene mit rund 26 Prozent zu den Ärmsten in Deutschland gehören. Auch bei diesen Gruppen zeigt sich die Spaltung von Ost und West durch bedeutend höhere Armutsquoten in Ost“, ergänzte sie ihre Auffassung.

Die TP Presseagentur hat sich mit dem Politikwissenschaftler Dr. Gero Neugebauer, FU Berlin, über die Situation 30 Jahre nach der DDR-Grenzöffnung unterhalten.

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