Eilantrag gegen Verbot der für morgen angemeldeten NPD-Demo in Hannover hat Erfolg.

10. Kammer sieht keine unmittelbare Gefährdung der Pressefreiheit gerade durch die Versammlung.
Die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover hat dem heute bei Gericht gestellten Eilantrag der NPD gegen das gestern Abend von der Polizeidirektion Hannover unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Verbot der von der NPD für morgen angezeigten Versammlung in Hannover stattgegeben. Die Polizeidirektion hatte die Versammlung der NPD zunächst unter erheblichen Beschränkungen bestätigt, dann aber gestern Abend unter Berufung auf § 8 Abs. 2 des Nds.Versammlungsgesetzes (NVersG) ein Totalverbot ausgesprochen und dieses im Kern damit begründet, dass eine Verletzung der Pressefreiheit zu befürchten sei. Das Verbot einer Versammlung als schwerster Eingriff in die Versammlungsfreiheit ist nach § 8 Abs. 2 NVersG nur zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit zulässig, die unmittelbar von der Versammlung ausgehen, und auch nur dann, wenn versammlungsrechtliche Beschränkungen nicht ausreichen. Die öffentliche Sicherheit umfasst auch den Bestand der Rechtsordnung einschließlich der Institutsgarantien der Grundrechte – also auch der Pressefreiheit.

Die Begründung der Polizeidirektion trage ein Totalverbot der geplanten Versammlung nach Auffassung der Kammer nicht. Die Kammer gehe durchaus davon aus, dass die Versammlung einschüchternde Tendenzen aufweise. Darin liege aber keine unmittelbare Gefährdung der Pressefreiheit gerade durch die Versammlung, sondern nur eine mittelbare Gefährdung durch den Kontext, in den sich die Versammlung einfügt und in dem sie verstanden wird. Solche einschüchternden Tendenzen könnten deshalb nicht das Verbot der Versammlung rechtfertigen – sie berührten zwar das Schutzgut der Pressefreiheit, aber nicht unmittelbar, sondern erst durch ihre Einordnung durch die Öffentlichkeit. Möglich blieben jedoch versammlungsrechtliche Beschränkungen, die die Polizei zuvor auch verfügt hatte und wieder verfügen könne. Versammlungsrechtliche Beschränkungen sind nach § 8 Abs. 1 NVersG zulässig, wenn Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit drohen, als milderer Eingriff aber auch schon dann, wenn die öffentliche Ordnung gefährdet wird.

Gegen den Beschluss können die Beteiligten Beschwerde zum Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einlegen.

Az. 10 B 5450/19
Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, sagte gestern noch zur Entscheidung der Polizeidirektion Hannover: „Angesichts der neuen Gefährdungsbewertung durch die Polizeidirektion ist die Entscheidung für ein Verbot richtig und angemessen. Die Versammlungsfreiheit und auch das Recht auf freie Meinungsäußerung sind hohe Rechtsgüter, die für jeden – auch für die Feinde unserer Verfassung – gelten. Der Schutz der Personen, deren Arbeit bei der Versammlung diffamiert werden sollte, und die Pflicht des Staates, die Bedingungen für eine freie Presseberichterstattung zu gewährleisten und sie vor Bedrohungen durch Dritte zu schützen, wiegen aber letztlich schwerer. Wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass das Bundesverfassungsgericht die NPD nur deswegen nicht verboten hat, weil sie inzwischen zu unbedeutend geworden war. Ihre Verfassungsfeindlichkeit hatten die Karlsruher Richter dagegen eindeutig festgestellt. Mit ihrer gegen Presse und Kritiker gerichteten Aktion zeigt die NPD ihr Gesicht wieder in aller Deutlichkeit.
 
Insofern wäre es aus meiner Sicht erstaunlich, wenn gerade diejenigen, die unsere Verfassung und unsere freiheitliche demokratische Ordnung abschaffen wollen, letztendlich von ihr profitieren würden. Ich sage bei aller gebotenen Neutralität ehrlich, dass ich persönlich über diese Entscheidung froh bin und hoffe, dass sie vor Gericht hält. Sollte das nicht der Fall sein, muss man das hinnehmen und kann sich im Rahmen der Möglichkeit dazu äußern oder an einer der für Samstag geplanten Demonstrationen teilnehmen.“
 
Boris Pistorius. Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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