Offener Brief der Sprecherin der chinesischen Botschaft in Deutschland an die BILD-Chefredaktion bezüglich der Berichterstattung vom 15. April 2020.

Sehr geehrter Herr Reichelt, sehr geehrte Mitglieder der BILD-Chefredaktion,

Mit einigem Befremden habe ich heute Ihre Berichterstattung zur Corona-Pandemie im Allgemeinen und zu der vermeintlichen Schuld Chinas daran im Besonderen verfolgt. Einmal abgesehen davon, dass wir es als ziemlich schlechten Stil betrachten, ein Land für eine Pandemie verantwortlich zu machen, unter der die ganze Welt zu leiden hat und dann auch noch eine explizite Rechnung angeblicher chinesischer Schulden an Deutschland zu präsentieren, ignoriert der Artikel einige wesentliche Fakten.

1. Sie schreiben, das Virus breitete sich aus, „auch, weil die chinesische Führung wichtige Informationen wochenlang unterdrückte.“ Und: „China hat seine Informationspflichten gegenüber der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verletzt.“

Dazu stellen wir fest: Breits am 31.12.2019 haben die chinesischen Behörden die WHO über Fälle von Lungenentzündung unbekannter Ursache in Wuhan informiert. Ab dem 3. Januar 2020 informierte China die WHO und andere Ländern wie die USA regelmäßig über den Verlauf. Zu dieser Zeit meldete Wuhan 44 Patienten mit der mysteriösen Krankheit. Am 8. Januar 2020 wurde der Krankheitserreger SARS-CoV-2 erstmals identifiziert. Am 11. Januar stellte China vollständige Genomsequenzen des neuartigen Coronavirus öffentlich online und teilte die genetischen Daten mit der WHO. Am 20. Januar bestätigte China aufgrund von fundierten epidemiologischen Untersuchungen die Übertragung des neuartigen Coronavirus von Mensch zu Mensch. Drei Tage danach wurde die Millionenmetropole Wuhan abgeriegelt und noch nie dagewesene umfassende, gründliche und rigorose Quarantänemaßnahmen wurden landesweit ergriffen. Die WHO bestätigt exakt diese Timeline und sie ist hier nachzulesen: https://www.who.int/…/de…/08-04-2020-who-timeline—covid-19.

Am 11. März schließlich erklärte die WHO die durch das Covid-19-Virus verursachte Krankheit zur Pandemie.

2. Sie schreiben: „Die britische Denkfabrik Henry-Jackson-Society kommt in einer aktuellen Studie zum Schluss: China ist RECHTLICH VERANTWORTLICH für die wirtschaftlichen Folgen.“
Dazu stellen wir fest: Viele Länder, die jetzt mit COVID-19 zu kämpfen haben, hatten Zeit, sich auf die grenzüberschreitende Ausbreitung des Erregers vorzubereiten, nachdem China seinen Ausbruch im Rahmen der IHR-Richtlinien gemeldet hatte. Bei den Behauptungen von einigen wenigen Politikern bzw. Experten oder Medienvertretern, dass China nach internationalem Recht rechtswidrig gehandelt habe und nun verpflichtet sei, ausländische Regierungen zu entschädigen, geht es nicht wirklich um internationales Recht, um Völkerrecht. Es geht ihnen um gegenseitige Schuldzuweisungen, um von eigenen Versäumnissen und Schwächen abzulenken.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung: Wir betrachten den Stil, in dem Sie in Ihrer heutigen Berichterstattung auf der Seite 2 gegen China „zu Felde ziehen“, als infam. Ihr Bericht entbehrt nicht nur ganz wesentlicher Fakten und genauer Zeitabläufe sondern auch einem Mindestmaß an journalistischer Sorgfaltspflicht und Fairness. Wer so aufrechnet, wie Sie das mit der BILD-Zeitung von heute tun, schürt Nationalismus, Vorurteile sowie Fremden- und Chinafeindlichkeit. Es wird weder der traditionellen Freundschaft zwischen beiden Völkern noch einem seriösen Verständnis von Journalismus gerecht.

Ich frage mich gerade vor diesem Hintergrund, woher in Ihrer Redaktion die Abneigung gegen unser Volk und unseren Staat kommt? Für eine Krise dieses Ausmaßes gibt es kein Drehbuch. Auch Deutschland muss seinen seinerzeit durchdachten Notfallsplan nach dem deutschen Infektionsschutzgesetz überarbeiten. Dass wir zusammen aus der Pandemie-Krise lernen und kooperieren, ist gefordert mehr denn je. Inzwischen bescheinigen uns auch namhafte internationale Wissenschaftler, dass China durch sein schnelles und entschiedenes Handeln einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung dieser Pandemie geleistet hat und zumindest einen Monat Zeit für den Rest der Welt gewonnen. Davon lesen wir in Ihrem Beitrag leider gar nichts.

Mit freundlichen Grüßen,
Tao Lili – Sprecherin der chinesischen Botschaft in Deutschland

Foto: Julian Reichelt

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

3 Antworten

  1. Die BILD-Zeitung hat schon immer Nationalismus, Vorurteile sowie Fremden- und Chinafeindlichkeit, sowie ganz besonders Russenfeindlichkeit geschürt.
    Es ist also nichts Neues, sondern lediglich ein „Weiter so“ BILD’nerischer Lügengeschichten. Was in dem Artikel allerdings fehlt ist, die Schuld bei Putin festzustellen.

    Es gab einmal, lang ist es her und noch zu DM-Zeiten, eine Studie des Instituts für Markt- und Medienforschung, damals unter Leitung von Prof. Hafermalz, die folgendes beinhaltete:
    Von Flensburg bis Freiburg und von Westberlin bis Wesel waren Testkäufer unterwegs, die in den unterschiedlichsten Bezugsstellen für Presseprodukte jeweils dem Verkaufspersonal ein 5DM-Stück hinhielten und sagten: „Einmal das Lügenblatt, bitte“
    Von Flensburg bis Freiburg, von Westberlin bis Wesel gabe es wortlos die BILD.

    Würde Frau Tao Lili diesen fünfzig Jahre alten Test heute neuerlich mit einem Fünf-Euro Schein vornehmen, wäre das Testgebiet wohl größer, das Ergebnis aber gleich.
    BILD und Dummheit gehören nun einmal zusammen und da der Mensch im Allgemeinen blöde ist – so schon die Sumerer vor fünftausend Jahren – hat BILD einen Ewigkeitsanspruch, auch wenn die Verkaufszahlen seit damals um die 5 Millionen bis heute auf auf 1,4 Millionen gesunken sind, die BILDhafte Blödheit ist geblieben.

  2. Na, wer sagt’s denn.
    Herrn Salzburgers Kommentar ist nichts hinzuzufügen, außer den Rat an Frau Tao Lili, dass sie die nun schon über siebzig Jahre alte Blödheit der BILD nicht ernst nehmen muß. Denn, wer lesen und verstehen kann, der liest kein Lügenblatt. Ein jedes Volk hat seine 5 – 10% Schwachsinnige und die wollen belustigt sein. Und für die anderen Pseudogelehrten haben wir den SPIEGEL.

  3. BILD hin, SPIEGEL her. Da mag man denken, wie man will. Kritischer und seriöser Journalismus hat anerkanntermaßen gewisse Mindeststandards, die man leider mehr als „gelegentlich“ bei einigen Medien im Lande vermisst. Frau Tao Lili von der Chinesischen Botschaft in Deutschland gebührt Anerkennung für ihre wohl sachliche Kritik und Mut! Fake news a la „trumpschen“ Methoden und Beeinflussungen sollten hierzulande die Ausnahme bleiben, ja stets total vermieden werden, auch wenn die gesellschaftlichen, politischen und sonst relevanten Gesichtspunkte ab und zu divergieren mögen. Globalisierung, Demokratie und Pluralität sowie Menschenrechte sollten – neben anderen Aspekten – im weltweiten Miteinander auf dem Boden der Realität und der Fakten bleiben. Helfried Roubiček, Rechtsanwalt IM RUHESTAND

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