Amnesty-Todestrafen-Bericht 2019: Weltweit weniger Hinrichtungen, doch Rekordzahl an Exekutionen in Saudi-Arabien.

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Amnesty International sieht die Staatengemeinschaft insgesamt auf einem guten Weg zur Abschaffung der Todesstrafe, dennoch blieben rund 20 Staaten dafür verantwortlich, dass auch letztes Jahr tausende Menschen hingerichtet wurden. Dies zeigt der heute veröffentlichte globale Bericht zur Todesstrafe 2019 von Amnesty International.

Die saudischen Behörden haben im vergangenen Jahr 184 Menschen hinrichten lassen – das ist die höchste Zahl innerhalb eines Jahres, die Amnesty International je für Saudi-Arabien dokumentiert hat.

Damit stellt sich Saudi-Arabien, wie auch der Irak, der Jemen und Südsudan, dem globalen Trend entgegen, denn weltweit nahm die Zahl der Hinrichtungen im vierten Jahr in Folge ab, von mindestens 690 im Jahr 2018 auf mindestens 657 im Jahr 2019 – die niedrigste Zahl seit zehn Jahren.

Die fünf Länder mit den meisten Hinrichtungen 2019 waren China (Tausende), Iran (mindestens 251), Saudi-Arabien (184), Irak (mindestens 100) und Ägypten (mindestens 32). Amnesty registrierte im Laufe des Jahres 2019 mindestens 2.307 neue Todesurteile in 56 Ländern, im Vergleich zu 2.531 in 54 Ländern in 2018 (China jeweils ausgenommen).

Im Ländervergleich von Amnesty bleibt China unberücksichtigt, da die Zahl der Hinrichtungen, die Amnesty auf Tausende schätzt, dort nach wie vor als Staatsgeheimnis behandelt wird. Auch weitere Staaten mit einer hohen Zahl von Hinrichtungen, darunter Iran, Nordkorea und Vietnam, hielten 2019 das wahre Ausmaß der vollstreckten Todesurteile weiterhin geheim.

„Die Todesstrafe ist mit den grundlegenden Menschenrechten unvereinbar und gehört endlich weltweit abgeschafft. Die überwiegende Mehrheit der Staaten erkennt dies an und wir müssen die internationale Aufmerksamkeit verstärkt auf die kleine Gruppe von Staaten lenken, die Jahr für Jahr Menschen hinrichten“, mahnt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. „Amnesty International beobachtet mit Sorge, dass trotz der weltweit geringeren Zahl von dokumentierten Hinrichtungen, einige Länder 2019 mehr Menschen hingerichtet haben: So wurde in Saudi-Arabien die Todesstrafe auch gezielt als Waffe gegen Oppositionelle eingesetzt und wir mussten im Irak im letzten Jahr eine sprunghafte Zunahme der Hinrichtungen beobachten” so Beeko.

Großteil der dokumentierten Hinrichtungen in der Region Naher Osten und Nordafrika

Nur 20 Länder waren 2019 für alle bekannten Hinrichtungen weltweit verantwortlich. China ausgenommen, fanden 88 Prozent aller Exekutionen in der Region Naher Osten und Nordafrika statt. 2019 wurden in Saudi-Arabien an 184 Menschen – sechs Frauen und 178 Männer – das Todesurteil vollstreckt, mehr als die Hälfte davon waren ausländische Staatsangehörige. 2018 lag die Zahl der Hinrichtungen in Saudi-Arabien bei 149.

Die meisten Todesurteile in Saudi-Arabien ergingen wegen Drogendelikten und Mordes. Amnesty International musste jedoch auch den Einsatz der Todesstrafe als politische Waffe gegen Dissidenten aus der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien dokumentieren: Am 23. April 2019 fand eine Massenhinrichtung von 37 Personen statt, unter denen sich 32 schiitische Männer befanden. Sie waren auf der Grundlage von „Geständnissen“ verurteilt worden, die sie unter Folter ablegten.

Zu den Personen, die am 23. April exekutiert wurden, gehörte auch Hussein al-Mossalem. Er war während der Einzelhaft Schlägen mit einem elektrischen Stock und anderen Formen der Folter ausgesetzt und erlitt zahlreiche Verletzungen, darunter eine gebrochene Nase, ein gebrochenes Schlüsselbein und einen Beinbruch.

Im Iran wurden im Jahr 2019 mindestens 251 Menschen hingerichtet, während es im Vorjahr mindestens 253 waren. Vier der Hingerichteten waren zum Zeitpunkt der Tat noch minderjährig. Mangelnde Transparenz erschwert zudem die Feststellung der genauen Anzahl von Hinrichtungen, die möglicherweise viel höher liegt.

In einem Fall haben die iranischen Behörden am 25. April 2019 zwei Jungen, Mehdi Sohrabifar und Amin Sedaghat, heimlich im Gefängnis von Adelabad in Shiraz in der Provinz Fars hingerichtet. Sie waren bei ihrer Festnahme beide 15 Jahre alt und wurden nach einem unfairen Verfahren wegen des mehrfachen Vorwurfs der Vergewaltigung verurteilt. Sie waren bis unmittelbar vor ihrer Hinrichtung nicht informiert worden, dass sie zum Tode verurteilt worden waren. Ihre Körper wiesen zudem Spuren von Peitschenhieben auf.

Im Irak hat sich die Zahl der hingerichteten Personen fast verdoppelt, von mindestens 52 im Jahr 2018 auf mindestens 100 im Jahr 2019. Diese dramatische Entwicklung ist weitgehend auf die fortgesetzte Anwendung der Todesstrafe gegen Personen zurückzuführen, die beschuldigt werden, dem „Islamischen Staat“ anzugehören.

Positive Entwicklung zur Abschaffung der Todesstrafe

Weltweit haben 106 Länder die Todesstrafe per Gesetz für alle Straftaten abgeschafft. 142 Länder haben die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft.

Außerdem haben mehrere Länder positive Schritte zur Beendigung der Anwendung der Todesstrafe eingeleitet. So kündigte der Präsident von Äquatorialguinea im April 2019 an, dass seine Regierung ein Gesetz zur Abschaffung der Todesstrafe erlassen werde. Positive Entwicklungen, die zur Überwindung der Todesstrafe führen könnten, gab es auch in der Zentralafrikanischen Republik, in Kenia, Gambia und Simbabwe.

In den Vereinigten Staaten hat der Gouverneur von Kalifornien ein offizielles Moratorium für Hinrichtungen eingeführt. Kalifornien ist der US-Bundesstaat mit der größten Zahl zum Tode verurteilter Häftlinge. Gleichzeitig wurde New Hampshire der 21. US-Bundesstaat, der die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft hat.

„Amnesty International fordert die verbleibenden Staaten auf, die Todesstrafe ohne „wenn und aber“ abzuschaffen. Es braucht weiter den entschlossenen Druck der internationalen Staatengemeinschaft auf diese letzten Staaten, die weiterhin an dieser grausamen unmenschlichen Praxis festhalten“, so Markus N. Beeko.

Todesstrafe: Totschweigen muss aufhören

Zum von Amnesty International veröffentlichten Bericht zur Todesstrafe erklärt Kai Gehring, Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Es ist ermutigend, dass die Zahl dokumentierter Hinrichtungen zurückgeht. Das buchstäbliche Totschweigen zigtausender Hinrichtungen wie in China darf jedoch nicht hingenommen werden. Ziel muss es bleiben, das Schweigen zu brechen und die grausame Todesstrafe weltweit zu ächten.

In vielen Staaten, die an der Todesstrafe festhalten, werden auch elementare Grundsätze des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung mit Füßen getreten. Zu diesen Staaten zählen Saudi-Arabien und Jemen, wo die Zahl der Verurteilten sogar noch zunahm. Internationale Konventionen müssen überall eingehalten werden.

Die Todesstrafe ist eine drakonische Verletzung elementarer Menschenrechte. Deutschland muss sich deshalb gemeinsam mit der Weltgemeinschaft aktiver für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzen und diese verstärkt anprangern. Einen Anlass dafür bietet die G-20-Präsidentschaft Saudi-Arabiens in diesem Jahr, zumal das Gastgeberland als besonders schlechtes Beispiel dasteht.“

Deutschland muss sich international stärker gegen Todesstrafe einsetzen

Zum Bericht von Amnesty International zur Todesstrafe erklärt die menschenrechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion und Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen:

„Dass dieses Jahr der niedrigste Wert für Hinrichtungen seit zehn Jahren verzeichnet werden kann, darf im Kampf gegen die Todesstrafe nicht ablenken. In China werden beispielsweise nach Schätzungen weiterhin Jahr für Jahr Tausende Menschen hingerichtet. Währenddessen geriert sich Xi Jinping international als Verfechter der Menschenrechte. Und Saudi-Arabien stellt mit der Zunahme der Hinrichtungen um 23 Prozent einen traurigen Rekord auf. Trotzdem darf sich das Land aktuell mit der G20-Präsidentschaft schmücken. Die Bundesregierung sollte bei dieser Inszenierung nicht mitmachen, sondern muss bei jedem Treffen die katastrophale Menschenrechtslage thematisieren und die sofortige Abschaffung der Todesstrafe fordern. Dafür muss sich Deutschland auch im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft international stärker einsetzen.“

Todesstrafe endlich weltweit abschaffen

Manipulation der Statistiken beenden – Namen der Getöteten offenlegen.

Zum von Amnesty International vorgelegten Jahresbericht zur Todesstrafe erklärt der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand:

„Die dokumentierten Zahlen der verhängten und vollzogenen Todesstrafen waren 2019 offenbar nur deshalb rückläufig, weil die Dunkelziffer der unterschlagenen Hinrichtungen extrem hoch ist.“

Brand weiter:

„Die Todesstrafe ist eine der fundamentalen Verstöße gegen die Menschenrechte. Zu Recht wird weltweit vehement ihre vollständige Abschaffung gefordert.

Die vermeintlich geringere Zahl dokumentierter Hinrichtungen für 2019 täuscht über die brutale Realität hinweg. So wird in dem Land mit den meisten Todesurteilen weltweit, nämlich China, das Ausmaß bewusst unterschlagen. Die kommunistische Führung hat die Zahl zu einem Staatsgeheimnis gemacht. Daher fordern wir nicht nur die sofortige Abschaffung der Todesstrafe, sondern auch die Nennung sämtlicher hingerichteter Opfer in China. Amnesty International geht in seinem Bericht von Tausenden aus, die in der von Peking manipulierten amtlichen Statistik erst gar nicht auftauchen.

Eine steigende Zahl vollstreckter Todesstrafen wird für nur wenige Länder tatsächlich dokumentiert. So wurden offiziell im Jahr 2019 im Iran mindestens 251 Menschen getötet, darunter sogar vier Minderjährige. Auch in weiteren Diktaturen wie Saudi-Arabien, Irak und Ägypten nahmen die Hinrichtungen zu. In diesen vier Staaten fanden 86 Prozent aller bekannt gewordenen Hinrichtungen statt.

Insgesamt zeigt der weltweite Einsatz gegen die Todesstrafe – gerade auch von Seiten einer wichtigen Demokratie wie Deutschland – nachhaltig Wirkung. In 106 Ländern der Erde ist sie inzwischen per Gesetz abgeschafft. Noch mehr, nämlich 142 Länder, wenden sie in der Praxis nicht mehr an. Dieses Ergebnis ist ein Beleg dafür, dass es sich lohnt, auch in Kernfragen der Menschenrechte nicht locker zu lassen: Unsere Forderung nach weltweiter Abschaffung – oder zumindest Ächtung – der grausamen und unmenschlichen Strafe bleibt klar und unmissverständlich, bis wir das Ziel erreicht haben.“

Fotoquelle: amnesty international

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