Änderungen im Grenzregime – Infektionslage erlaube erste Lockerungen der Binnengrenzkontrollen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat nach Gesprächen mit den betroffenen Nachbarstaaten und den betreffenden Bundesländern entschieden, aufgrund der bisherigen Entwicklung der Infektionslage das Grenzregime zum Ende dieser Woche anzupassen:

An den Grenzen zu Frankreich, Österreich und der Schweiz wird er eine Verlängerung der vorläufigen Binnengrenzkontrollen ab dem 16. Mai 2020 zunächst bis zum 15. Juni 2020 anordnen. Dasselbe gilt für die luftseitigen Grenzen zu Italien und Spanien.

In der praktischen Ausgestaltung der Kontrollen an den Landgrenzen wird es allerdings Lockerungen geben. Alle grenzüberschreitenden Verkehrsverbindungen werden wieder für den Grenzübertritt zugelassen. Die Kontrollen erfolgen künftig nicht mehr systematisch, sondern flexibel und risikobasiert. Dabei erfolgt eine enge Abstimmung und Kooperation mit den Polizeibehörden der Anrainerstaaten. Am Erfordernis eines triftigen Einreisegrundes wird im Grundsatz festgehalten, es wird aber zusätzliche Erleichterungen für Reisen aus familiären oder persönlichen Gründen geben.

Mit den Erleichterungen in der Kontrollpraxis trägt der Bundesinnenminister der positiven Entwicklung des Infektionsgeschehens Rechnung. Sollte sich das Infektionsgeschehen im jeweiligen Anrainerstaat ändern, kann die Kontrollintensität in Abstimmung mit dem Nachbarn schnell wieder erhöht werden. Orientierungspunkt ist dabei der in Deutschland geltende Richtwert bei der Infektionsrate von mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in 7 Tagen.

An der Grenze zu Luxemburg enden die Binnengrenzkontrollen mit Ablauf des 15. Mai 2020. An diesem Grenzabschnitt geht die Bundespolizei wieder zu verstärkten Kontroll- und Fahndungsmaßnahmen im 30-KilometerGrenzraum über.

An der Grenze zu Dänemark ist der Bundesinnenminister bereit, die Grenzkontrollen ebenfalls einzustellen. Der Termin wird gemeinsam mit Dänemark festgelegt, sobald die dänische Regierung ihre laufenden Konsultationen mit ihren jeweiligen Nachbarstaaten vollzogen hat.

In Deutschland ist es Bund und Ländern bislang gelungen, das Infektionsgeschehen durch einschneidende Beschränkungen in nahezu allen Lebensbereichen im Vergleich zur Entwicklung in anderen Staaten abzudämpfen. Während es im März und April zum Teil mehrere Tausend Neuerkrankungen pro Tag gab, sind es aktuell einige Hundert Neuerkrankungen pro Tag. Dieser positive Trend gibt Raum für vorsichtige und schrittweise Lockerungen. Gleichwohl ist auch diese Entwicklung noch nicht nachhaltig stabil. Die Eindämmung der Pandemie ist daher auch weiterhin der Maßstab für die Maßnahmen der Bundesregierung.

Sofern die Entwicklung des Infektionsgeschehens dies zulässt, streben der Bundesinnenminister ein Ende aller Corona-bedingten Binnengrenzkontrollen zum 15. Juni 2020 an.

Für die EU-Außengrenzen hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, die Beschränkungen für Einreisen aus Drittstaaten bis zum 15. Juni 2020 zu verlängern. Dieser Empfehlung wird Deutschland entsprechen.

Den Ländern wird empfohlen, ihre Quarantäneverordnungen für Einreisende und Rückkehrende erforderlichenfalls anzupassen. Eine 14-tägige Quarantäne sollte künftig nur noch bei Einreisen aus Drittstaaten angeordnet werden.

Lockerungen der Grenzkontrollen kommen zu spät.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Konstantin Kuhle, gab zu den Grenzkontrollen folgendes Statement ab:

„[…] Diese Lockerungen kommen zu spät. Schon seit einigen Wochen gibt es im grenznahen Bereich Willkür, es gibt viel Unverständnis darüber, dass man am Muttertag die Mutter auf der anderen Seite der Grenze nicht besuchen konnte, die Ärzte auf der anderen Seite der Grenze nicht besuchen durfte und deswegen braucht es flexible Lösungen, insbesondere für den grenznahen Bereich. Dass es jetzt zu Ausnahmen und zu Lockerungen kommt, ist der richtige Weg, aber es kommt zu spät. Wir haben eine Situation, in der es sich fast schon zur Regel entwickelt, dass es in Europa Grenzkontrollen gibt […] Es muss immer die Regel sein, dass es keine Grenzkontrollen gibt und die Ausnahme, dass es Grenzkontrollen gibt. Und deswegen muss die Begründung für Grenzkontrollen immer eine Corona-Begründung sein, immer eine Infektionsbegründung sein und es ist überhaupt nicht hinzunehmen, dass die Innenminister Grenzkontrollen länger laufen lassen als unbedingt notwendig und sich dann auch noch damit brüsten, was sich für Nebeneffekte durch Grenzkontrollen erzielen lassen. Die Abwesenheit von Grenzkontrollen ist aus sozialen Gründen, aus politischen Gründen, aus wirtschaftlichen Gründen im Interesse der Bundesrepublik Deutschland […] Auch die Abstimmung mit unseren europäischen Partnern muss dringend besser werden. Am Anfang dieser Krise hat die Europäische Union gezeigt, dass sie nicht zusammengestanden ist. Jetzt hätte man in der Europäischen Union mit einer gemeinsamen Kommunikation in puncto Grenzkontrollen auch zeigen können, dass man in der Lage ist, die Spaltung zu überwinden. […]“

Lockerungen bei den Grenzkontrollen sind ein wichtiges Signal zur richtigen Zeit.

Zu den heute vom Bundesinnenminister angekündigten Lockerungen bei den Binnengrenzkontrollen erklärte auch der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei:

„Die heute vom Bundesinnenminister angekündigten Lockerungen der Grenzkontrollen sind ein wichtiges Signal zur richtigen Zeit. Wir können den Reiseverkehr nicht dauerhaft stilllegen. Für uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind bei den Lockerungen der Binnengrenzkontrollen zwei Punkte entscheidend: Erstens ist für alle Veränderungen an den deutschen Außengrenzen der Prüfungsmaßstab das Infektionsgeschehen. Zweitens dürfen Lockerungen bei den Grenzkontrollen immer nur im Konsens mit den betreffenden Nachbarstaat vorgenommen werden. Beide Voraussetzungen sind jetzt an den betreffenden Grenzabschnitten zu Frankreich, Österreich und der Schweiz erfüllt, sodass dort ab kommenden Samstag nur noch stichprobenartig kontrolliert werden muss. Außerdem lässt das Infektionsgeschehen sogar eine vollständige Beendigung der Grenzkontrollen an den Übergängen zu Luxemburg zu. Das Ziel, ab dem 15. Juni wieder einen gänzlich freien Reiseverkehr zu haben unterstütze ich, auch wenn sich das Infektionsgeschehen bis dahin selbstverständlich wieder verschlechtern kann.“

GdP zu Kabinettsberatungen über lockerere Grenzkontrollen.

Radek: Aus Pandemieerfahrungen Nutzen ziehen.

Berlin.  Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mahnt einen sorgsamen Umgang mit den Errungenschaften der innereuropäischen Reisefreiheit, im Berufsverkehr oder auf den Handelswegen an. „Wenn der eigentliche Anlass der vorübergehend wieder eingeführten Grenzkontrollen – das wirksame Unterbrechen der Infektionsketten – wegen geringerer Ansteckungszahlen nachhaltig wegfällt, sollte zwar zur Normalität zurückgekehrt werden“, betonte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jörg Radek am Mittwoch in Berlin vor dem Hintergrund der Kabinettsberatungen über Lockerungen der Grenzkontrollen zu den deutschen Nachbarstaaten. Aus den Erfahrungen der Pandemiezeiten müsse jedoch auch polizeilicher Nutzen gezogen werden.

Radek kündigte eine intensive gewerkschaftliche Auswertung der Grenzkontrollphase an. Dabei gehe es vor allem um Erkenntnisse zu Fahrzeugen, der Funkausstattung und der generellen Infrastruktur der Bundespolizei. „Was wir schon jetzt wissen ist, dass unsere Kolleginnen und Kollegen hervorragende Arbeit geleistet haben“, stellte der GdP-Vize fest. Niemand habe sich dabei geschont. Dafür zolle er Respekt.

Die Normalisierung der Grenzlage, so der Gewerkschafter, bedeute künftig weiterhin die Unterbindung unerlaubter Einreisen sowie des Missbrauchs der Freizügigkeit. Radek: „Für guten Grenzschutz bedarf es aber keiner Barrieren. Notwendig ist ein funktionierendes, vernetztes Zusammenwirken stationärer, zeitlich begrenzter Kontrollen und ein wirksame, mobile Binnengrenzfahndung.“

„Auf Chaos bei Grenzschließungen darf kein Chaos bei der Öffnung folgen“.

Zu den Erleichterungen im Grenzverkehr sagt Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer:

 „Auf das Chaos bei den Grenzschließungen darf kein Chaos bei der Öffnung folgen. Ein noch so guter und überlegter Plan allein für Deutschland und seine Anrainerstaaten reicht noch nicht aus, um europäische und internationale Lieferketten sicher wiederherzustellen. Entscheidend bleibt, die Maßnahmen europäisch koordiniert umzusetzen. Sonst verringern sich die Chancen für eine kraftvolle Erholung der europäischen Volkswirtschaften.

Alle Schritte in Richtung des freien Personen- und Warenverkehrs müssen so zügig und ambitioniert wie möglich angegangen werden. Sie sind zu Beginn der Neustartphase für die europäische Wirtschaft von erheblicher Bedeutung, um ihre Vitalität und Leistungsfähigkeit zurückzugewinnen.

Beim Hochlauf des grenzüberschreitenden Verkehrs sind alle Verkehrsträger zu berücksichtigen, insbesondere auch die Luftfahrt: Die Hälfte aller Güter in der Luft wird normalerweise als Beifracht in Passagiermaschinen transportiert. Für eine exportorientierte Wirtschaft ist dies eine der wichtigsten Transportketten, zumal über ein Drittel unserer Außenhandelswerte per Flugzeug ihren Weg zum Kunden finden.

Die pauschalen Reisewarnungen und Grenzschließungen müssen spätestens zum 15. Juni ersetzt werden durch auf die Eindämmung von Risiken ausgerichtete Maßnahmen, beispielsweise Schutzausrüstung oder einheitliche Distanzregelungen.“ 

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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