Entscheidungen gegen verkaufsoffene Sonntage.

Verkaufsoffene Sonntag dürfen auch in Iserlohn und Kevelaer nicht stattfinden.

Der Einzelhandel darf in den Innenstädten von Iserlohn und seinem Stadtteil Letmathe sowie im ganzen Stadtgebiet von Kevelaer nicht an Sonntagen öffnen, um den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie für die örtlichen Einzelhandelsstrukturen entgegenzuwirken. Dies hat das Oberverwaltungsgericht NRW heute in drei Eilbeschlüssen entschieden und damit seine Entscheidungen vom 28. August 2020  – 4 B 1260/20.NE – und – 4 B 1261/20.NE – (vgl. Pressemitteilung vom 28. August 2020) bestätigt. 

Vor allem das Vorbringen der Stadt Kevelaer, die nach ihrem eigenen Vortrag nicht mit einem Obsiegen gerechnet, sondern auf das Ausbleiben eines Gerichtsverfahrens gehofft hatte, bot dem 4. Senat Anlass zu ergänzenden Erläuterungen: 

Weder die aktuellen unbestrittenen Herausforderungen der Corona-Pandemie noch der Erlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW vom 9. Juli 2020, aktualisiert am 14. Juli 2020, setzten die verfassungsrechtliche Ordnung außer Kraft. Zwar seien viele Geschäfte des lokalen Einzelhandels nach wochenlangen Geschäftsschließungen im ganzen Land von fortbestehenden Gesundheitsrisiken und Hygieneanforderungen besonders betroffen. Damit könnten aber auch unter Berücksichtigung der gebotenen Wettbewerbsneutralität keine Freigaberegelungen gerechtfertigt werden, die nur einzelne Gemeinden erfassten und nur dort werktägige Geschäftigkeit auslösten. Wo keine hinreichend gewichtigen besonderen örtlichen Sachgründe angeführt werden könnten, die als solche erkennbar und andernorts nicht gegeben seien, ließe sich eine Ausnahme vom landesweit geltenden Gebot der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen nicht verfassungsrechtlich rechtfertigen, auch wenn dies während des derzeitigen vorübergehenden Verbots von Großveranstaltungen regelmäßig nicht gelingen werde. Das selbstverständlich schützenswerte und von der Politik verfolgte Interesse an der Erhaltung des stationären Einzelhandels müsse sich im Rahmen der für alle geltenden Gesetze vollziehen und dürfe nicht auf Kosten derer gehen, die den verfassungsrechtlich fest abgesteckten Rahmen einhielten.

Auch seltene ungerechtfertigte Ausnahmen von dem Gebot sonn- und feiertäglicher Arbeitsruhe könnten nicht zugelassen werden, weil sie einen Teil des Handels unzulässig begünstigten und wegen ihrer Unzulässigkeit auch den Beschäftigten nicht zuzumuten seien. Dies habe das Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 22. Juni 2020 ebenso klargestellt wie das Erfordernis rechtssicherer Maßstäbe für verfassungsrechtlich tragfähige Ausnahmen vom grundsätzlichen Sonntagsöffnungsverbot. Dabei sei unerheblich, ob es in jeder Gemeinde wirtschaftlich gleichermaßen sinnvoll erscheine, die werktäglich vollständig freigegebenen Verkaufsöffnungszeiten auszuschöpfen. Die Folgen der Corona-Pandemie böten keinen Anlass, die gerade erst höchstrichterlich bestätigten Maßstäbe allein wegen eines gewünschten Signals an die Wirtschaft in Frage zu stellen.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

Für den kommenden Sonntag, 6. September 2020, muss das Oberverwaltungsgericht noch über drei weitere Verfahren entscheiden (Bad Oeynhausen, Beckum, Meckenheim). Darüber hinaus sind weitere Verfahren anhängig, die sich auf später im Jahr liegende Sonntage beziehen (Neubeckum, Schwerte, Hövelhof).

Aktenzeichen: 4 B 1253/20.NE (Kevelaer), 4 B 1283/20.NE (Iserlohn), 4 B 1284/20.NE (Iserlohn-Letmathe)

Auch in Oldenburg müssen Verkaufsstellen zubleiben.

Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 3. September 2020 (Az.: 12 B 2287/20) dem Antrag der Dienstleistungsgewerkschaft „ver.di“ (Antragstellerin) auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Allgemeinverfügung der Stadt Oldenburg (Antragsgegnerin) vom 20. August 2020 stattgegeben.

Dem Verfahren liegt zugrunde, dass die Antragsgegnerin auf Antrag der CMO City Management Oldenburg GmbH und des DOLW Dachverband Oldenburger Werbegemeinschaften (Beigeladene) die Öffnung der Verkaufsstellen des Einzelhandels im gesamten Stadtgebiet an den Sonntagen des 13. September sowie des 4. und 11. Oktober 2020 jeweils von 13 bis 18 Uhr genehmigt hat.

Gegen diese Genehmigung hat die Antragstellerin am 24. August 2020 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

Das Gericht hat dem Antrag entsprochen und die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin gleichzeitig erhobenen Klage wiederhergestellt.

Es ist dabei zwar nicht der Auffassung der Antragstellerin gefolgt, die Rechtsgrundlage – § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 des Niedersächsischen Gesetzes über die Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten – sei verfassungswidrig. Es hält die gesetzlich eröffnete Möglichkeit der Ausnahmegenehmigung für eine Sonntagsöffnung bei Vorliegen eines „sonstigen rechtfertigenden Sachgrundes“ für voraussichtlich mit dem Grundgesetz vereinbar, weil vor dem Hintergrund bereits vorliegender umfassender detaillierter höchstrichterlicher Rechtsprechung zum verfassungsrechtlichen Schutz der Sonntagsruhe eine verfassungskonforme Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „sonstigen rechtfertigenden Sachgrundes“ möglich sei.

Das Gericht hält aber – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – einen in diesem Sinne ausreichenden Sachgrund vorliegend nicht für gegeben. Indem die Antragsgegnerin ihre Verfügung allgemein auf die Absicht, die Auswirkungen der Pandemie für den Einzelhandel abzumildern, gestützt habe, habe sie einen Grund genannt, der bundesweit und für jeden Sonntag gelten könne. Damit sei weder dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung verfassungsrechtlich geforderten Mindestniveau des Sonntagsschutzes noch dem Regel-Ausnahme-Verhältnis für die Arbeit an Sonntagen ausreichend Rechnung getragen. Zu berücksichtigen sei auch, dass den Interessen des Einzelhandels durch die an Werktagen bestehende unbeschränkte Möglichkeit des Warenverkaufs (vgl. § 3 Abs. 1 NLöffVZG) in erheblichem Umfang Rechnung getragen werde.

Die von der Antragsgegnerin verfolgten Ziele müssten daher grundsätzlich auf andere Weise gefördert werden.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt werden.

Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

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