Urteil im „Bergisch Gladbacher Missbrauchskomplex“.

Die 2. große Strafkammer des Landgerichts Köln hat heute den Angeklagten Jörg L. wegen insgesamt 51 Taten aus dem Deliktsbereich der „Straftaten gegen die sexuelle Selbststimmung“ aus dem 13. Abschnitt des StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Außerdem hat die Kammer die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Durch die 51 Taten sind u.a. die Tatbestände der Vergewaltigung, des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in pornografischer Absicht, des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes, des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlen, des Herstellens und der Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften, der Verabredung zu einem Verbrechen und der Nötigung verwirklicht. Durch einzelne Taten sind z.T. mehrere der genannten Tatbestände gleichzeitig verwirklicht worden.

Eine Vielzahl der abgeurteilten Taten hat der Angeklagte nach den Feststellungen der Kammer zum Nachteil der eigenen, im Jahr 2017 geborenen Tochter begangen. Der Angeklagte hat ab einem Alter seiner Tochter von etwa einem Jahr und vier Monaten bis kurz vor seiner Festnahme im Herbst 2019 verschiedenste sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen oder von ihr an sich vornehmen lassen. Drei dieser Fälle sind u.a. als schwere Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingestuft worden, weil sie nach rechtlicher Bewertung schon mit einem Eindringen in den Körper verbunden gewesen sind. Ein überwiegender Teil der Fälle ist mit der Herstellung von Bild- und Videomaterial verbunden gewesen, die der Angeklagte ab einem bestimmten Zeitpunkt an gleichgesinnte Chatpartner mittels diverser Online-Messengerdienste versendet hat. Diejenigen Taten zu Lasten seiner Tochter, die durch Bild- und Videomaterial belegt sind, hat der Angeklagte gegenüber dem Gericht im Ausgangspunkt eingeräumt. Ein Vielzahl der Fälle sind ebenfalls als schwere Fälle des sexuellen Kindesmissbrauchs bewertet worden, weil der Angeklagte diese Missbrauchstaten auch in der Absicht beging, sie zum Gegenstand von später zu verbreitenden kinderpornografischen Dateien zu machen.

Im Komplex von Straften zu Lasten von Kindern bzw. der Nichte eines Chatpartners aus Kamp-Lintfort und seiner eigenen Tochter (zweiter Komplex der Anklageschrift) ist der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und wegen Verabredung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern verurteilt worden. In zwei Fällen versuchter Übergriffe aus diesem Komplex ist der Angeklagte wegen Rücktritts von diesen Versuchen aus Rechtsgründen freigesprochen worden, wie in einem Fall auch von der Staatsanwaltschaft beantragt.

Im dritten und vierten Komplex der Anklage, in denen dem Angeklagten vorgeworfen worden ist, Kinder über das Internet vor laufender Kamera zu sexuellen Handlungen bewegt zu haben, bzw. kinderpornografisches Material, das in keinem Bezug zu seiner Tochter steht, verbreitet zu haben, ist der Angeklagte antragsgemäß verurteilt worden. Diese Taten hat er in der Hauptverhandlung eingeräumt.

22 Fälle, in denen die Anklage wegen sexueller Übergriffe des Angeklagten auf seine Tochter allein auf seine Chat-Angaben gegenüber Dritten gestützt worden sind, sind bereits während der Hauptverhandlung auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Soweit die Staatsanwaltschaft in 12 weiteren dieser „Chat-Fälle“ eine Verurteilung des Angeklagten beantragt hat, hat die Kammer ihn freigesprochen. Einstellungen und Freisprüche beruhen insoweit darauf, dass nach Auffassung der Kammer ein Tatnachweis nicht geführt werden kann, weil die Chat-Angaben des Angeklagten teilweise nachweislich nicht den Tatsachen entsprochen haben, fiktive Elemente enthalten haben und im Übrigen nicht durch weitere Beweismittel in örtlicher, zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht bestätigt worden sind. Insoweit sind Restzweifel an der Täterschaft des Angeklagten verblieben, so dass er insoweit nach dem Grundsatz in dubio pro reo freizusprechen gewesen ist.

Die Kammer hat gemäß § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 StGB die Unterbringung des bislang nicht vorbestraften Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die formalen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 StGB liegen mit den abgeurteilten Straftaten vor. Im Übrigen ist die Kammer der Auffassung, dass die Gesamtwürdigung des Angeklagten und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu schweren Sexualstraften zu Lasten von Kindern für die Allgemeinheit gefährlich ist. Bei der Bejahung seines Hanges und seiner Gefährlichkeit hat sich die Kammer, sachverständig durch einen Psychiater beraten, maßgeblich auf das außergewöhnlich schwerwiegende Tatbild der abgeurteilten Missbrauchstaten, auf eine ungünstige Kriminalprognose, eine bewusste Planung des sexuellen Missbrauchs der eigenen Tochter und die kriminogenen Persönlichkeitselemente gestützt, die die Kammer beim Angeklagten festgestellt hat.

Sicherungsverwahrung bedeutet, dass der Angeklagte nach Verbüßung der Haftstrafe grundsätzlich unbefristet weiter in einer besonderen Anstalt verwahrt wird, um die Bevölkerung vor seiner Gefährlichkeit zu schützen. Es wird allerdings regelmäßig (mindestens einmal jährlich) überprüft, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung noch vorliegen. Solange jedoch die Gefahr besteht, dass der Angeklagte außerhalb der Sicherungsverwahrung Straftaten begehen wird, kann er nicht entlassen werden.

Die Entscheidung des Landgerichts Köln ist nicht rechtskräftig. Legen die Staatsanwaltschaft, die Nebenklägerin oder der Angeklagte binnen einer Woche von heute an gerechnet das Rechtsmittel der Revision ein, entscheidet über die Revision der Bundesgerichtshof, wenn das Rechtsmittel in der Folge ordnungsgemäß begründet wird. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*