„Jüdisches Leben nach Kräften fördern“ – Antisemitismusbeauftragter des Bundes im Kabinett.

Jüdisches Leben nach Kräften fördern: Wenige Tage vor dem Gedenktag für die Opfer der nationalsozialistischen Pogromnacht am 9. November hat das Brandenburger Kabinett heute den Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Dr. Felix Klein, als Gast in der Potsdamer Staatskanzlei empfangen. Bei dem Austausch ging es um Anstrengungen und Maßnahmen zur Antisemitismusbekämpfung und -prävention in Deutschland und Brandenburg.

Ministerpräsident Dietmar Woidke betonte nach dem Gespräch: „Jüdisches Leben zu fördern und zu schützen ist angesichts der deutschen Geschichte eine Verpflichtung für uns alle. In den vergangenen Jahrzehnten ist hier in Brandenburg ein vielfältiges, aktives jüdisches Leben neu entstanden und gewachsen. Dies wird von der Landesregierung nach Kräften unterstützt. Allein in diesem Jahr stehen für die jüdische Gemeinde- und Verbandsarbeit 750.000 Euro bereit.“

Felix Klein

Felix Klein unterstrich: „Dieser Austausch mit der Brandenburgischen Landesregierung ist mir sehr wichtig und ich bin dankbar für die Einladung. Denn Schätzungen von Experten zufolge liegen die Handlungsfelder der Antisemitismusbekämpfung zu rund 80 Prozent in der Zuständigkeit der Länder: Sicherheit, Justiz, Schule und Bildung und Kultur, um nur einige zu nennen. Antisemitismus kann nicht zentral aus Berlin bekämpft werden, sondern nur in einem engen Schulterschluss mit den Verantwortlichen aller politischen Ebenen.“

Woidke verwies darauf, dass verschiedene Projekte wie „Chasak – gegen Antisemitismus im ländlichen Raum“ oder die Bildungs- und Aktionswochen der jüdischen Gemeinden 2020 durch die Landesregierung unterstützt wurden: „Es ist uns wichtig, dass sich jüdische Communities und andere gesellschaftlichen Akteuren miteinander verflechten.“ Zum jüdischen Leben gehöre aber nicht nur das religiös-kulturelle und soziale Geschehen, sondern auch die in Brandenburg breit aufgestellte jüdische Wissenschaft.

Woidke: „Ich bin besonders stolz darauf, dass das Abraham Geiger Kolleg in Berlin und Potsdam das erste Rabbiner-Seminar Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg ist. Nicht zu vergessen sind aber auch das Moses-Mendelssohn-Zentrum für europäisch-jüdische Studien und die School of Jewish Theology an der Universität Potsdam sowie das Zacharias Frankel College.“

In der Stärkung der jüdischen Gemeinden sieht Woidke ein wichtiges Instrument, dem wieder aufkeimenden Antisemitismus entschieden entgegenzutreten. Woidke: „Brandenburg hat seit 1991 die in sieben Städten des Landes gegründeten Gemeinden von Anfang an unterstützt und wird dies auch weiterhin tun.“ So wurde der Jüdischen Gemeinde Oranienburg bei der Suche nach einer geeigneten Liegenschaft für das Gemeindezentrum geholfen. Das Land stellte 2014 auch 582.000 Euro für den Erwerb der Schlosskirche Cottbus zur Nutzung als Synagoge bereit. In der Potsdamer Stadtmitte ist der Bau einer Synagoge vorgesehen.

Auch bei der Bekämpfung des Antisemitismus ist das Land aktiv: Dazu gehören Aus- und Weiterbildung von Polizeibeamten, Veranstaltungen der Polizeifachhochschule, Fortbildung von Lehrkräften, Richtern und Justizpersonal, Fachtagungen zur zeitgeschichtlichen Bildung, Förderung zivilgesellschaftlicher Träger sowie die Erfassung von antisemitischen Straftaten und Vorfällen.

Innenminister Michael Stübgen betonte, dass jüdisches Leben in Brandenburg ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft sei. „Umso mehr schmerzt es uns, dass Antisemitismus auch heute noch eine wiederkehrende Erfahrung für Jüdinnen und Juden ist. Das werden wir nie dulden, hinnehmen oder tolerieren. Deshalb stehen wir in engem Kontakt mit den jüdischen Gemeinden und Einrichtungen in Brandenburg und stimmen alle Sicherheitsmaßnahmen im Einzelfall ab. Unsere Schutzleistungen reichen von materiellem Gebäudeschutz über polizeiliche Bestreifung bis zu intensiven Objektschutzmaßnahmen. Natürlich gehört auch der generelle Einsatz gegen politisch und religiös motivierte Kriminalität zum Schutz jüdischen Lebens. Dem Rechtsextremismus gilt dabei unsere besondere Aufmerksamkeit, schließlich haben die allermeisten antisemitischen Straftaten einen rechtsextremistischen Hintergrund.

Von 2014 bis 2019 wurden insgesamt 539 antisemitische Straftaten polizeilich bekannt, rund 96 Prozent davon waren rechtsextremistisch. Der Schwerpunkt der Delikte lag bei Volksverhetzungen (58 Prozent), gefolgt von Propagandadelikten (18 Prozent) und Sachbeschädigungen (6 Prozent). Insgesamt 3 Prozent der antisemitischen Straftaten waren Gewaltdelikte.

Im Mai 2019 hat die Fachstelle Antisemitismus zur Dokumentation, Betroffenenberatung und Aufklärung am Moses-Mendelssohn-Zentrum ihre Arbeit aufgenommen. Sie ergänzt die bereits existierende Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus und wird jährlich mit 200.000 Euro von der Koordinierungsstelle Tolerantes Brandenburg/Bündnis für Brandenburg finanziert.

Woidke: „Die Arbeit der Fachstelle Antisemitismus am Moses-Mendelssohn-Zentrum ist wichtig bei der Entwicklung von Gegenstrategien. Antisemitismus ist ein schleichendes Gift gegen eine offene Gesellschaft. Deshalb machen wir uns gemeinsam stark gegen jede Form von Antisemitismus. Wir stehen gemeinsam für das Miteinander in der Demokratie, unabhängig von Glauben und Herkunft.“

Fotoquellen: brandenburg.de

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